Sozialistische Zeitung |
Im Kielwasser der Terrorattacken auf des World Trade Center in New York am 11.September haben US-Regierung und die Massenmedien unermüdlich
daran gearbeitet, eine patriotische Kriegsbegeisterung zu schüren. Es kam zu zahlreichen Drohungen und gewalttätigen Angriffen auf islamische und arabische Bürger. Doch
auch die Opposition aus Antikriegsbewegung und antirassistischen Kräften beginnt sich zu organisieren.
Am Freitag, den 14.September verabschiedete der Kongress mit einer Gegenstimme eine Resolution, die Präsident Bush
autorisiert, "alle notwendigen und angemessenen Mittel gegen diejenigen Nationen, Organisationen und Personen einzusetzen, die nach seiner Einschätzung die
Terroranschläge vom 11.September 2001 geplant, angeordnet, begangen und unterstützt haben oder die solche Organisationen oder Personen Unterschlupf gewährt haben, um
so zukünftigen Anschläge des internationalen Terrorismus auf die USA durch ebendiese Nationen, Organisationen und Personen zu verhindern". Niemand möchte sich
daran erinnern, wie wenig ermutigend die Liste von Beispielen aussieht, bei denen der US-Präsident sowohl als Richter, Jury und Henker in Terrorfällen auftrat. Besonders in
Erinnerung zu rufen ist hier die von Präsident Bush angeordnete Cruise-Missile-Attacke auf eine sudanesiche Pharmafabrik, die laut US-Geheimdienstberichten an der Produktion
chemischer Waffen für Bin Laden beteiligt war. Später stellte sich heraus, dass diese "Informationen" vollkommen falsch waren.
Die einzige mutige Gegenstimme gegen die Resolution, die Bush zu weiteren Handlungen ermächtigt, kam von der den
Demokraten angehörenden kalifornischen Kongressabgeordneten Barbara Lee, die erklärte: "Ich bin davon überzeugt, dass Militäraktionen weitere Angriffe des
internationalen Terrorismus auf die USA nicht verhindern werden."
Der durchschnittliche Bürger hat mit Menschlichkeit und Mitleid für die Opfer der Attacken reagiert. Die Stadt
New York wurde mit solchen Mengen an Nahrungsmitteln und anderen Versorgungsmitteln sowie Hilfsangeboten Freiwilliger für die Rettungsaktionen überhäuft, dass
Bürgermeister Giuliani erklären musste, es werde keine weitere Hilfe benötigt.
Bedauerlicherweise, wenn auch nicht überraschend, hat jedoch auch eine Mehrheit der US-Bevölkerung
zustimmend auf die Aufrufe zum Patriotismus reagiert. US-Bürger verschiedenster Nationalitäten tragen US-Flaggen auf den Straßen zur Schau, hängen sie aus ihren
Autos, den Häusern und Büros. Umfragen offenbaren durchweg eine 70- bis 80prozentige Befürwortung von Militäraktionen gegen "Terrorismus".
Allerdings sinkt der Prozentsatz deutlich, sobald die Sprache auf einen lang andauernden Feldzug mit beträchtlichen zivilen Opfern in anderen Nationen kommt. Es scheint bemerkenswert
und durchaus ein positives Zeichen, dass immerhin 2030% der US-Bevölkerung unter diesen Bedingungen der Kriegspropaganda nicht erliegen.
Alle größeren Sportereignisse waren nach der Attacke für beinahe eine Woche abgesagt, auch die der Major
Baseball League und der Natinal Football League. Auch politische Demonstrationen wurden abgesagt, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Als der amerikanische
Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO von Plänen für Protestaktionen aus Anlass der IWF- und Weltbanktreffen Ende September Abstand nahm, veröffentlichete sein
Präsident John Sweeny eine Bekanntmachung, in der erklärte, dass jetzt die Zeit sei "Menschen zusammenzubringen um den Heilungsprozess zu beginnen und unseren Sinn
für Gemeinschaft und Vertrauen zu erneuern." Er forderte den IWF und die Weltbank auf, ihre Treffen ebenso abzusagen (was diese später auch taten), erklärte jedoch,
dass die Gewerkschaftdemonstrationen auf jeden Fall abgesagt würden.
Im Gegensatz dazu blieben die Organisatoren einer am 15.September vorgesehenen, größeren Protestaktion
für den ehemaligen Black Panther-Aktivisten und politischen Gefangenen Mumia Abu-Jamal bis zur letzten Minute bei ihren Plänen. Erst am Freitag waren sie gezwungen die
Aktion abzusagen, da deutlich wurde, dass die Sicherheit der Demonstranten aufgrund der vorherrschenden Atmosphäre nicht garantiert werden konnte. Neben anderen Problemen
berichteten die Organisatoren von "zahlreichen Übergriffen sowohl auf arabische und moslemische Bürger als auch auf ihre Geschäfte in der Stadt. Die lokalen
Radiokommentaren sind gespickt mit Bemerkungen wie "wir müssen sie so behandeln, wie wir es mit den Japsen im zweiten Weltkrieg getan haben" und "warum
schicken sie nicht alle Araber und Moslems in Internierungslager, das würde alle Probleme lösen." Vielen Geschäften von Bürgern aus dem Mittleren Osten oder
auch nur solche, die Angestellte aus dem Mittleren Osten beschäftigen, wurden Scheiben eingeschlagen."
Diese weitverbreitetem Form von Araberhass und antiislamistischer Hetze steht für die bedrohlichen Aspekte der
gegenwärtigen Situation.
Im Gegensatz dazu ist auf der positiven Seite zu verzeichnen, dass traditionelle Kräfte von der Partei der Grünen
bis hin zu ausdrücklich revolutionären Parteien neben ihrer Betroffenheit, ihrer Wut und ihrer Verurteilung der menschlichen Tragödie auch ihre Ablehnung der Kriegsaufrufe
zum Ausdruck gebracht haben und damit begonnen haben, eine Gegenbewegung zur Kriegsbegeisterung und den rassistischen Attacken auf islamische und arabische Gruppierungen zu
organisieren.
Studierende im ganzen Land haben zu einem Aktionstag aufgerufen. Die Treffen waren zahlreich besucht, so kamen z.B. beim
Vorbereitungstreffen für die Aktion auf dem Berkeley-Campus der Universität von Kaliforniern 150 Studenten zusammen.
In New York fand am Samstag, den 15.September eine Mahnwache auf dem Union Square statt. Am folgenden Montagabend
kamen an die 300 Menschen zusammen, um auf diesem vor allem von Kräften im Umfeld des Direct Action Networks (die Gruppe, die hauptsächlich hinter den
Antigobalisierungsprotesten in den USA steht) organisierten Treffen weitere Aktivitäten zu planen.
Eine andere, von eher traditionellen Organisationen geprägte Koalition brachte 200 Menschen zusammen, die ebenfalls
Aktionen in der Region New York planen.
In Detroit, der Stadt mit dem höchsten Anteil von Arabern außerhalb des Mittleren Ostens, demonstrierten am
Montag ungefähr 100 Menschen. Auf ihren Bannern war zu lesen: "Araber sind unsere Brüder und Schwestern. Kein Krieg!" Und auch in anderen Städten
Amerikas finden Antikriegsaktionen statt oder befinden sich in Planung.
Steve Bloom
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