Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 11.10.2001, Seite 2

‘Richter Gnadenlos‘ — Schill im Trend!

von Jakob Moneta

Nach Haider in Österreich, Berlusconi in Italien nun der Erfolg von Ronald Schill in Hamburg. Woher aber kamen die 165.118 Stimmen (19,4%) die seine "Partei Rechtsstaatliche Offensive" (PRO) 14 Monate nach ihrer Gründung erzielte?
Sie wurde — wie Demoskopen herausfanden — von 29% Arbeitern und einem Viertel Angestellten gewählt. Dass die ehemaligen Wähler der DVU, Republikaner, NPD und des rechtspopulistischen "Bunds Freier Bürger" (die zusammen bei der vorangegangenen Hamburger Bürgerschaftswahl 8,1% erzielten) fast alle dem rechtsextremen Amtsrichter Schill ihre Stimmen gaben, ist nicht erstaunlich. Aber die Schill-Partei wurde auch von jeweils 40.000 Menschen aus den beiden "Volksparteien" SPD und CDU gewählt und von 31.000 ehemaligen Nichtwählern und 21.000 Erstwählern bevorzugt.
"Der Amtsrichter kam vor allem bei den ‚kleinen Leuten‘ sowie bei Männern und Älteren gut an", stellten Demoskopen fest. Er erreichte bei Männern, die älter als 45 Jahre alt sind 25%, aber bei Frauen zwischen 25 und 45 Jahren nur 13%. Hervorstechend sind die Unterschiede zwischen den Bildungsgruppen: 24% der Wähler mit einfacher Schulbildung (bis mittlere Reife) stimmten für Schill, während nur 12% der Hamburger mit Abitur für "Richter Gnadenlos" votierten.
Da in der Amtszeit des SPD-Bürgermeisters Ortwin Runde, der jetzt alle seine Parteiämter niedergelegt hat, die Arbeitslosigkeit in Hamburg erheblich gesenkt wurde, die stets als Ursache für den Rechtradikalismus genannt wird, liegt in der Bildungspolitik offenbar auch ein Ansatz für dessen Bekämpfung.
Was aber waren die wichtigsten Gründe für die Wahl des "Richter Gnadenlos"? Das Thema "innere Sicherheit" war für gut drei Viertel der Schill-Wähler, die Ausländerpolitik für jeden zweiten von ihnen ausschlaggebend — meinen die Demoskopen.
Dass der Terrorangriff vom 11.September in den USA für Schill ein Wahlgeschenk war, lässt sich nicht bestreiten. Und wenn Berlusconi eine "merkwürdige Übereinstimmung" zwischen Globalisierungskritikern und islamischen Terroristen sieht — ohne dass dies einen Aufschrei in den Medien hervorruft, die gegen dessen "unzeitgemäße" Behauptung, dass die abendländische Kultur dem Islam überlegen sei, wettern — wissen wir, wem es nützt, wenn "die Bilder vom Tod Tausender unschuldiger Bürger in den USA die Welt erzittern lassen". So Fidel Castro, der die "extremen Rechten" nennt, "die dafür sind, die anwachsende weltweite Rebellion zu zerstören und all das zu vernichten, was an Freiheitlichem auf der Erde verbleibt".
Der Amtsrichter "Gnadenlos" begnügt sich nicht mit seinen Hamburger Erfolg. Er ist gerade dabei seine "Partei Rechtsstaatliche Offensive" auch in Ostdeutschland zu verankern.

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