Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 11.10.2001, Seite 2

Anti-Terror-Paragraf 129b

Rückkehr zur bleiernen Zeit

von ULLA JELPKE

Schon der bestehende berüchtigte §129a StGB wird von Strafverteidigern, Menschenrechtlern und anderen zu Recht abgelehnt, weil er in der Praxis zu flächigen Repressionen gegen Linke geführt hat. Weniger als ein Zehntel aller Ermittlungen nach §129a StGB führen zu Gerichtsverfahren. Der Rest wird nach monatelangen Observationen, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen eingestellt. Bei gewöhnlicher Kriminalität führt ca. die Hälfte der Ermittlungen zum Prozess.
Wer von deutschem Staatsgebiet aus Aktionen plant, die nach unserem Recht schon jetzt "terroristisch" sind oder den Frieden stören, kann auch nach geltendem Recht verfolgt werden. Darum geht es bei dem neuen §129b also nicht.
Der geplante 129b soll die Verfolgung von Menschen erlauben, die sich hier keiner Straftat schuldig gemacht haben, die aber eine von anderen Staaten als "kriminell" oder "terroristisch" definierte Vereinigung in irgendeinem anderen Land der Welt unterstützen.
Die Sicherheit der hier lebenden Menschen wird damit keinen Millimeter verbessert. Dafür wächst die Möglichkeit anderer Staaten, mit Hilfe deutscher Staatsorgane künftig hier lebende Oppositionelle zu verfolgen und einzuschüchtern. Ich halte jede Wette, dass z.B. die Militärs in der Türkei nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes eine dicke Mappe von Verbotswünschen gegen kurdische und andere Gruppierungen schicken werden.
Wer definiert künftig, welche Vereinigung in Pakistan, Iran, Irak, Afghanistan, Burma, Sri Lanka, Algerien oder sonstwo "terroristisch" ist? Welcher deutsche Polizist oder Staatsanwalt entscheidet künftig, dass irgendwo auf der Welt eine Gruppe, Verein oder Partei die Grenzen berechtigter Gegenwehr gegen staatliche oder nichtstaatliche Repression überschritten hat und "terroristisch" ist?
Angesichts der bekannten jahrelangen Zusammenarbeit gerade der deutschen Politik mit repressiven Regimen wie in der Türkei und anderswo befürchte ich negative Folgen des neuen Gesetzes für bei uns lebende Flüchtlinge und Oppositionelle aus diesen Ländern und Unterstützungsgruppen, z.B. Dritte-Welt-Gruppen.
Der neue §129b ist deshalb ein Beispiel, wie Sorgen der Menschen instrumentalisiert werden, nicht um sie vor Terror zu schützen, sondern ganz andere Ziele zu verfolgen.

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