Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 11.10.2001, Seite 14

Wer braucht Sozialismus?

Durch schöne Umstände gezwungen und in der Aussicht auf ein paar Wochen Sonnenschein ohn‘ Unterlass schreiben wir das Protokoll des PDS-Parteitags vom 6. und 7.Oktober schon mal im Voraus. Einmal mehr haben die "aktuellen Ereignisse" die jüngste deutsche Partei mit Regierungsverantwortung schrecklich alt aussehen lassen. Als ob ein kleines Flugzeug auch bei ihr einschlug, stritt sich die PDS um "Gysis neueste Offensive", sich angesichts des "Terrors" möglichst unauffällig in die strammstehenden Demokraten beim Salut für den Krieg gegen den unbekannten Feind westlicher Werte einzureihen.
Aber war dieser Unterwerfungsakt zu — alten? — nein gerade mal zehn Jahre vergangenen Zeiten der "Grünen", noch ein kollektives Ringen und Stöhnen der Partei und mit vielen Anfeuerungsrufen der bürgerlichen Medien, so ist es bei der PDS nur ein isolierter Schaukampf Einzelner. Das Gros der Partei zuckt die Achseln und die mediale Öffentlichkeit registriert lakonisch, das haben wir sowieso nicht anders erwartet. Und die "Partei- Linke" macht Pflichtübungen der Kritik, ohne auch nur den Hauch einer Absicht spüren zu lassen, ernsthaft die Parteiwirklichkeit umkrempeln zu wollen. Dass trotzdem mal wieder ein pragmatischer Kompromiss der Marke "Sich-alle-Optionen-offen-lassen" herauskam ist nur der Tatsache geschuldet, dass niemand sich oder anderen in der Partei weh tun will. Von allen Seiten mit Befriedigung angenommen wurde gleichzeitig der Kollateralschaden, dass die sich bisher auch schon mühsam dahin schleppende "Programmdiskussion" fast völlig verdrängt wurde. Kurzum: eine langweilige Partei macht Kniebeugen an der überflüssigen Frage, ob der Sozialismus das real existierende Deutschland braucht.
Schon am 28.August probierten die beiden Professoren Michael Brie und Dieter Klein sowie der Doktor André Brie den Hintereingang: "Warum Deutschland einen Sozialismus braucht", versuchten sie im Zentralorgan der Bourgeoisie der FAZ zu erklären. Und als erstes enthaupten sie mutig ein Vorurteil.
Der Kommunismus ist, so definierte vor Jahren der Ehrenspielführer der deutschen Nationalmannschaft, Uwe Seeler, wenn faule Leute den Fleißigen das Geld aus der Tasche ziehen. Nein, nein dozieren die Professoren, die Anhänger der sozialistischen Idee wären nicht alles "Drückeberger und Faulenzer". "Viele von denen, die solche Positionen vertreten, gehören zu den sog. Leistungsträgern der Gesellschaft."
Siehste, Wladimir Iljitsch: die sozialistische Idee kommt nicht von innen, außen oder unten, sondern von oben. Der wichtigste Grundsatz von "solchen Positionen" ist: "Die Würde des Menschen ist seine Freiheit und Gleichheit".
Ist in diesem Satz das Deutsch oder der Inhalt schlechter? Freiheit von Produktionsmitteln, Freiheit, einen Pressekonzern zu besitzen, Freiheit, andere Menschen auszubeuten oder die Freiheit, einem Fremden den Kopf einzuschlagen? Gleichheit des Besitzenden und des Besitzlosen? Da nützt auch das Bekenntnis nicht mehr viel: "Wir gehören nicht zu den orthodoxen Marxisten der II. und anderer Internationalen, die Enteignung und Sozialisierung als Heilsweg zu Freiheit und Gleichheit ansahen."
Und als besonderes Bonmot an die FAZ-Leserschaft: "Wir sehen im privaten Eigentum der einzelnen eine fundamentale Bedingung von Freiheit … Wir sehen im privaten Eigentum, das Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel betrifft, eine Bedingung für Unternehmertum und Innovation, für betriebswirtschaftliche Effizienz und Wettbewerb."
"Solche Positionen" sind in der Tat die der "Leistungsträger", sie stehen wortgleich im Unternehmerhandbuch für Alltagsdemagogie, Kapitel eins. Und wenn, ihr lieben Professoren, am Ende noch angefügt wird, dass "wo die Gewinninteressen der Eigentümer mit sozialer Gerechtigkeit, ökologischer nachhaltiger Entwicklung und mit Gleichberechtigung des Südens in der Weltordnung unvereinbar sind", gegen sie eingeschritten werden muss, dann hebt dies den rechtssozialdemokratischen Unsinn von zuvor nicht auf, sondern unterstreicht nur euren Aufschrei: solch einen Sozialismus braucht Deutschland nicht, den hat es schon lange.
Und damit wären wir wieder bei der PDS: wer seine Neuigkeiten damit begründet, dass sie schon lange da seien, muss sich nicht wundern, das langweiligste Politikereignis der deutschen Gegenwart zu sein.

Thies Gleiss (20.09.2001)

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