Sozialistische Zeitung |
Ein Beispiel für den Schritt zum Überwachungsstaat ist die geplante Aufnahme biometrischer Daten in Pässe und Personalausweise.
Im Entwurf hieß es noch, das Innenministerium solle festlegen, welche Daten Fingerabdrücke, Augenfarbe,
Stimmmodulation, Unterschriftdynamik, Hand- oder Gesichtsformen usw. enthalten sein sollen. Als Kompromiss heißt es jetzt, der Bundestag solle dies per Gesetz festlegen. Die
Bedenken von Datenschützern und demokratischen Organisationen werden nicht aufgenommen.
Vor vielen Jahren gab es ein Verfassungsgerichtsurteil, das die informationelle Selbstbestimmung aller Menschen sowie die
Begrenzung maschinenlesbarer Daten im Ausweis regelte. Diese Grenzen sollen nun offensichtlich ausgeweitet werden.
Biometrische Daten entstehen, wenn die Fingerabdrücke, die Iris der Augen, die Hand- oder Gesichtsform, oder auch die
Stimme so von Sensoren abgetastet werden, dass sie in eine Datei umgewandelt werden können. Von ihr heißt es, sie sei bei jedem Menschen anders. Diese Datei würde von
jedem Ausweisinhaber mindestens im Ausweis, einige befürchten jedoch auch an anderer Stelle gespeichert werden. Bei einer Kontrolle mit Lesegeräten würden Ausweis
und die dort enthaltenen Daten mit denjenigen abgeglichen, die z.B. ein Videokontrollgerät von dem Menschen, der den Ausweis vorlegt, anzeigt, im Zweifel auch mit den Daten der
Behörden.
Die Mustererkennungsverfahren sind inzwischen so verfeinert und die Möglichkeit der schnellen Durchforstung riesiger
Datenmengen so beschleunigt worden, dass eine schnelle Erkennung von Unterschieden, eine beschleunigte Fahndung, aber auch eine dauerhafte Kontrolle von Bewegungen und Aufenthalten
von Menschen immer perfekter möglich wird.
In der Begründung heißt es, dass Änderungen von Haar- und Bartschnitt bei Ausweiskontrollen die
Wiedererkennung erschwerten. Vor allem Menschen aus afrikanischen oder asiatischen Ländern sähen für europäische Grenzbeamte so ähnlich aus, dass sie
Unterschiede nicht bemerken würden oder könnten, so dass die Einreise mit falschen Ausweispapieren leichter möglich wäre.
Eine Datenerfassung der "unveränderlichen" Gesichts- oder Handkennzeichen aller Menschen bedeutet auf
jeden Fall eine leichtere Möglichkeit zum Vergleich mit den Datenbeständen der Polizei und der Geheimdienste. Vor allem die gegenseitige Überspielung von
Fingerabdruckdateien und ihre automatische Erfassung wäre leichter möglich.
Damit ist jedoch eine generelle Änderung der Erfassung aller EinwohnerInnen gegeben mit weitreichenden
Folgen für den Einzelnen: Vermischung von polizeilichen Verfolgungen und "normalen" Kontrollen, vor allem aber Abgleich der Daten von MigrantInnen und sog.
"Verdächtigen". Die Reisebeschränkungen gegen Linke, die nach Genua fahren wollten, die sich auf geheimdienstlich erhobene oder nicht gelöschte
Datenbestände stützte, zeigt, welche Richtung geplant ist.
Inzwischen ist die Technik so weit, dass mit biometrischen Daten aus einer großen Menge von Menschen derjenige mit
dem eingegebenen Profil herausgefiltert werden kann etwa per Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen oder überall dort, wo private
Videoüberwachung installiert ist. Ein gesuchter Mensch wäre demnach allein nach den Daten seines Gesichtsaufbaus mittels eines Videos aus einer großen Menschenmenge
herauszufiltern.
Diese Maßnahmen werden unter dem Eindruck einer Kampagne gegen den Terror eingeführt, aber gegen
Bedrohungen des Flugverkehrs oder von Atomkraftwerken können sie nichts ausrichten. Unter dem Deckmantel des Kampfs gegen Terrorismus geht es um die Überwachung und
Kontrolle der Bevölkerung.
A.R.
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