Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.23 vom 08.11.2001, Seite 7

EU-Gipfel in Gent

Kriegspartei nach außen und innen

Zu einem "informellen Gipfel" traten die Staats- und Regierungschefs der EU am 19.Oktober in Gent zusammen. Oberster Tagesordnungspunkt: die Erneuerung der "uneingeschränkten Solidarität" mit den USA und der "unmissverständlichen Zustimmung" zu ihren Kriegseinsätzen.
Das oberste Gremium der EU hat sich damit offiziell zur Kriegspartei an der Seite der USA erklärt. In die weltweite Allianz eingebunden sind nun auch die EU-Staaten, die nicht der NATO angehören. Mit Ausnahme Großbritanniens besteht für die meisten EU-Regierungen das Hauptproblem ohnehin darin, dass sie gern als militärisch gleichberechtigter Partner in diesem Krieg mitmischen möchten, dafür aber nicht gefragt sind. Noch holen sich die USA Truppenunterstützung lieber aus der Türkei und Tschechien, als aus Deutschland und Frankreich.
Erklärtes Ziel des Kriegs in Afghanistan ist für die EU nicht nur die "Beseitung der terroristischen Organisation Al Qaida", sondern auch die Bildung einer "stabilen legitimen Regierung" unter der Ägide der UNO, die "die gesamte afghanische Bevölkerung" repräsentieren soll. "Sobald dieses Ziel erreicht wird", heißt es in der Erklärung weiter, werde sich die EU "zur Stabilisierung der Region" in einem "umfassenden und ehrgeizigen politischen und humanitären Hilfsprogramm für den Wiederaufbau Afghanistans engagieren". Das Modell Balkan lässt grüßen!
Zweiter Schwerpunkt war der Ausbau der EU-Polizei. Gemäß dem "Aktionsplan zur Bekämpfung des Terrorismus" seien 79 Maßnahmen eingeleitet worden. Sie reichen von der beschleunigten Einführung eines europäischen Haftbefehls, der Beschleunigung von Entscheidungen über Auslieferungsanträge und der Verstärkung der Zusammenarbeit der "operativen Dienststellen" (Europol, Geheimdienste usw.) über die gemeinsame Erstellung einer "Liste terroristischer Organisationen" und die Erleichterung des "Einfrierens von Vermögensgegenständen" bis zu "Richtlinien über Geldwäsche". Auch die stärkere Zusammenarbeit der für den Katastrophenschutz und die Gesundheit zuständigen Stellen und die Ernennung eines "europäischen Koordinators für Katastrophenschutzmaßnahmen" gehören dazu. Die EU übernimmt damit eine treibende Rolle auch beim europaweiten Ausbau des Überwachungsstaats. Eine erste Kostprobe davon konnte man auf der Fahrt nach Genua im Juli dieses Jahres gewinnen.
Im Kapitel "Terrorismusbekämpfung" fordert die EU auch die "Wiederaufnahme des Nahost- Friedensprozesses" auf der Grundlage der UN-Resolutionen 242 und 338 sowie die Schaffung eines palästinensischen Staates. Doch scheint ihre Diplomatie hier wie im Krieg gegen Afghanistan auch ganz im Windschatten der USA zu verharren.
Wirtschaftlich sehen die EU-Chefs die Lage in der Union glänzend. Zwar habe sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt, doch seien diese Schwächeanfälle angesichts der "gesunden wirtschaftlichen Grundlagen der Union" begrenzt und vorübergehend: "Es ist wichtig hervorzuheben, dass die Aussichten weiterhin positiv sind und dass von der wirtschaftspolitischen Strategie der EU nicht abgewichen wird." Allerdings versäumten es die EU-Chefs nicht, in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Bedeutung "weiterer Lohnzurückhaltung" hinzuweisen.
Weiter auf der Tagesordnung stand die Zukunft der Union, d.i. die Vorbereitung einer Regierungskonferenz in 2004, die über die Fortsetzung der Strukturreformen und die künftige Kompetenzverteilung in der EU mit Blick auf die dann hoffentlich mindestens in der ersten Etappe abgeschlossenen Osterweiterung befinden soll. Dieser Auftrag wurde im letzten Dezember in Nizza nur höchst unvollkommen angegangen. Die weiteren Besprechungen sollen wohl unter dem Siegel der Verschwiegenheit gehalten werden, jedenfalls wurde über ihre Behandlung in Gent nicht das Geringste verlautbart.

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