Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.23 vom 08.11.2001, Seite 11

Biologisches Wettrüsten

Statt auf Prävention und internationale Kooperation setzt die Bush-Administration auf Wettrüsten und Repression. Heute noch gilt, dass wohl keine Terrorgruppe und kaum ein Land in der Lage ist, mehr als nur punktuelle biologische Angriffe durchzuführen — es ist fraglich, ob wir das auch in zehn Jahren noch so sicher sagen können. Während internationale Beobachter gehofft hatten, dass die Milzbrandattacken in Florida, New York und Washington ein Umdenken in der Bush-Administration auslösen würden, scheint jetzt das genaue Gegenteil der Fall zu sein.
Am 10.Oktober hat Avis Bohlen, eine der ranghöchsten Abrüstungsdiplomaten der USA, in einer Rede vor der UNO in New York die Kernpunkte der Biowaffenkonvention in Frage gestellt. Sie machte deutlich, dass die USA ihren Kampf gegen Biowaffen ausdrücklich auf den Einsatz tödlicher Erreger beschränken wird. Zitat: "...und mit Waffen meine ich hier biologische Erreger, die mit Tötungsabsicht eingesetzt werden". Die US-Regierung werde sich nunmehr auf die Anwendung biologischer Waffen konzentrieren: "...die Ereignisse des 11.September haben uns in der Ansicht bestärkt, dass der Schwerpunkt [der Konvention] auf dem Einsatz liegen muss".
Damit hat sie den Kern der Biowaffenkonvention in zwei Punkten in Frage gestellt.
1. Die Prävention: Die Beschränkung auf den Gebrauch biologischer Waffen ist ein Rückfall auf das Genfer Protokoll von 1925. Die große Errungenschaft der Biowaffenkonvention von 1972 war gerade, auch die Entwicklung, Produktion oder Lagerung von biologischen Waffen zu verbieten und damit ein biologisches Wettrüsten bereits in den Anfängen zu ersticken.
2. Das allumfassende Verbot: Die Biowaffenkonvention verbietet ohne Einschränkung jegliche Entwicklung bzw. Produktion von lebenden Organismen zu feindseligen Zwecken. Nicht nur Pocken, Pest und Cholera sind verboten, auch Tier- oder Pflanzenkrankheiten und selbst materialzerstörende Organismen fallen unter dieses Verbot. Das Verbot auf tödliche Krankheitserreger zu beschränken bedeutet, große Teile der Konvention vom Tisch zu wischen. Dahinter steht das öffentlich geäußerte Interesse der USA an nichttödlichen biologischen Waffen, z.B. ölfressende Bakterien oder Pilze zur Vernichtung von Drogenpflanzen.
Zurzeit reisen US-Diplomaten durch Europa, um die neue Biowaffenpolitik den Verbündeten schmackhaft zu machen. Bislang hat das Ministerium Fischer jeden Dissens mit den Amerikanern in der Frage der Biowaffen vermieden. Selbst als die Bush-Administration im Sommer internationale Laborkontrollen und Offenlegungspflichten verhinderten, stellte sich die rot-grüne Regierung loyal hinter die USA.
Zu eindeutigen Verletzungen der Biowaffenkonvention durch die USA ließ das Außenministerium im September lapidar mitteilen, es habe keinen Zweifel an den Erklärungen des US-Verteidigungsministeriums, wonach alle Forschungsprojekte in den USA rein defensiven Zwecken dienten. Zu diesen Projekten gehören u.a. der Nachbau einer sowjetischen Biobombe, der Bau ein Biowaffenproduktionsanlage in Nevada oder Pläne zur gentechnischen Veränderung von Milzbrand.

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