Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 22.11.2001, Seite 1

Die Mordallianz

Auf dem Bundespresseball, der im Anschluss an die Abstimmung im Bundestag über die Entsendung deutscher Soldaten in den Krieg gegen Afghanistan stattfand, feierte die deutsche Oberschicht die Abstimmung und sich selbst: Endlich ist in Deutschland wieder "Normalität" eingekehrt, endlich dürfen sie wieder, was sie 56 Jahre nicht durften: sich am militärischen Konzert der Großmächte beteiligen. Endlich nicht mehr nur Zahlmeister sein, endlich das eigene wirtschaftliche Gewicht auch militärisch in die Waagschale werfen, endlich wirtschaftliche Interessen auch wieder militärisch durchsetzen können.
Die "Normalität", zu der hier zurückgefunden wurde, hat für die meisten Länder der Welt nichts Normales. Was ist "normal" daran, dass eine Großmacht sich das Recht anmaßt, anderen Völkern den eigenen Willen aufzuzwingen und auf ihre Kosten zu leben? Was ist "normal" an der Verteidigung einer "westlichen Zivilisation", die mit 20% der Weltbevölkerung 80% der Weltressourcen verbraucht — eines Lebensstils, den sich die große Mehrheit nie leisten können wird und der nur mit Waffengewalt verteidigt werden kann? Was ist daran normal, außer der Tatsache, dass diese Form der Ausbeutung uns zwangsläufig immer wieder in Kriege führt?
"Normal" ist die Wiedererlangung der Kriegsfähigkeit nur im Verhältnis zur deutschen Geschichte — besser gesagt zu dem Abschnitt der deutschen Geschichte, der vor 130 Jahren mit der deutschen Einheit und mit Bismarck begann. Diese Geschichte mündete in zwei Weltkriege, die die deutschen Industriellen und ihre Feldherren beide verloren haben. Es liegt in dieser Wiederholung etwas Zwanghaftes, im Zwanghaften etwas Unersättliches: Jetzt schicken wir Soldaten, aber wann werden wir auch am Kommando beteiligt? Und wann werden wir über die Atomwaffen verfügen, die heutzutage der ultimative Ausweis einer Großmacht sind?
Sie scharren mit den Hufen und reden wieder davon, es gehe nicht an, dass Deutschland "zurückgesetzt" werde — auch das eine Konstante deutscher Großmachtpolitik. Vor 100 Jahren war es "der Platz an der Sonne", der uns fehlte, die gleichberechtigte Teilhabe an der Ausplünderung der Kolonien. 40 Jahre später waren wir ein "Volk ohne Raum", uns fehlte der "Lebensraum im Osten". Was uns morgen fehlen wird, steht heute schon in der neuen NATO-Doktrin: der gleichberechtigte Anteil an der Plünderung von Ressourcen, die uns nicht gehören.

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