Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 22.11.2001, Seite 2

Die Bewegung auf der Straße

Sie sind keine Massen, aber sie sind beharrlich, die Menschen, die seit Wochen immer wieder gegen den Krieg in Afghanistan demonstrieren und jene, die sich vor einer Woche aus Anlaß der WTO-Tagung in Qatar auf die Straßen begaben.
In über 40 Ländern der Welt folgten die Menschen dem Aufruf zu dezentralen Aktionen in der Woche vom 5. bis 13.November. Seit dem letzten WTO-Gipfel in Seattle 1999, auf dem die breite bürgerliche Bewegung gegen die neoliberale Globalisierungspolitik der führenden Industrienationen erstmals medienwirksam in Erscheinung trat, haben weltweit viele Gruppierungen ihre Kampagnenarbeit für ein nachhaltiges, gerechtes und demokratisches Handelssystem verstärkt und ausgeweitet.
Die Tatsache, daß immer mehr Menschen überall auf der Welt die negativen Konsequenzen der von der Wirtschaft diktierten Globalisierung und der Politik der WTO erkennen, zeigte sich deutlich in den vielfältigen Aktivitäten, die die globalisierungskritische Bewegung zu Qatar entfaltete.
In Bulgarien waren es 10.000 die am 1.November auf die Straße gingen, an einer Trade Justice-Parade in London beteiligten sich über 5000 und am 5. und 9.November demonstrierten in der Türkei 20.000. Über 100.000 beteiligten sich am 6.November an verschiedenen Demonstrationen in Indien.
Die Liste lässt sich weiterführen mit 1000 im Baskenland und 600 in Barcelona, 10.000 in Malaysia, 7000 in Paris sowie Aktionen und Demos in mehr als 60 anderen französischen Städten, Tausenden auch in Genua, auf den Philippinen und in Thailand.
In Deutschland gingen an den Tagen vom 9. bis 10.November in vielen verschiedenen Städten 5000 auf die Straßen. Aber neben Demos standen auch fantasievolle Aktionen von Straßentheater bis hin zu Teach-ins auf dem Programm. So konnte man am Samstag in der Kölner Innenstadt das bei weitergehenden WTO-Verhandlungen blühende privatisierte Gesundheitssystem an einem riesigen Hau-den-Lukas austesten.
Je nach Kraft, respektive finanziellen Möglichkeiten, musste man sich da mit einer empfindlich eingeschränkten Grundversorgung zufriedengeben oder konnte mit einer selbstfinanzierten Zusatzversicherung absichern. Sogar im beinahe hermetisch abgeschotteten Doha trugen Aktivisten der "Our World is Not for Sale"—Koalition den Protest auf die Straße.
Vielerorts verband sich der Widerstand gegen die Politik der WTO und die in Katar angestrebte neue Welthandelsrunde mit Demonstrationen gegen den Krieg in Afghanistan. So auch am 10.November in Rom, wo mit 100.000 Menschen die weltweit größte Friedensdemonstration seit dem 11.September stattfand.
Trotz der von Politikern und den Medien verbreiteten Propaganda, die den Krieg zum heiligen Mittel der Verteidigung unserer sog. Zivilisation erklären und Friedensaktivisten als konzeptionslose Antiamerikanisten verunglimpfen, gehen seit dem Beginn der Bombardierung von Afghanistan überall auf der Welt Menschen gegen den Krieg auf die Straße.
Waren es Anfang Oktober noch 30.000 oder mehr in Berlin, Tausende in Stuttgart und in anderen deutschen Städten, in London, Wien, in Italien, Frankreich und zahlreichen US-amerikanischen Städten sowie New York, wo junge US-Amerikaner Stars & Stripes in Flammen aufgehen ließen, so sind die Zahlen jetzt geringer geworden.
Massendemonstrationen wie die von 50.000 am 18.November in London, die mit ihrer starken Beteiligung von Teilnehmern aus der Arbeiterbewegung sowie der großen Anzahl von Schülern und Studenten hervorstach, sind seltener geworden.
Doch um so zäher und fantasievoller werden die Proteste derer, die sich auch vom nun beschlossenen Einsatz der Bundeswehr nicht in ihren Forderungen nach einer anderen Antwort auf den Terrorismus beirren lassen wollen. Und das eben nicht nur in den linken Brennpunkte der Republik.
Von Backnang bis Recklinghausen finden kleine Mahnwachen, Demonstrationen und andere fantasievolle Aktionen engagierter Friedensaktivisten statt. So demonstrierten am 17.November in Oldenburg 1000 gegen den Krieg, den Einsatz der Bundeswehr und blockierten symbolisch die dortige Kaserne.
In Göttingen besetzten am Tag der Abstimmung im Bundestag verschiedene Gruppierungen das Büro der Grünen, nebenbei auch Wahlkreisbüro von Jürgen Trittin, um gegen Vertrauensfrage von Kanzler Schröder und den Bundeswehreinsatz zu protestieren
In Kiel beschmierten Kriegsgegner die Parteibüros der Regierungskoalition mit blutroter Farbe und schrieben: "Kapitalismus bedeutet Krieg." Und die Antikriegsaktivitäten gehen weiter, man muss sich nur die lange Liste von Terminen auf den Internetseiten der Friedensbewegung anschauen.

Katharina Brecke

Weitere Infos unter: Netzwerk Friedenskooperative .

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