Sozialistische Zeitung |
1 Ein erstes Argument pro Bundeswehr-Kriegseinsatz lautet: Irgendetwas muss getan werden gegen den Terror.
Unsere Antwort: Entscheidend ist, dass das Richtige getan wird: Die Täter müssen ausgemacht werden; eine
unabhängige Seite muss die vorgebrachten Beweise prüfen und bewerten. Eine Verfolgung und Bestrafung der Täter muss sich strikt an das Völkerrecht halten. Dieser
Weg wurde von der US-Regierung nicht begangen. Die angeblich wasserdichten Beweise für eine Verantwortung von Osama Bin Laden und der Struktur Al Qaida wurden nie
öffentlich präsentiert. Ein Krieg gegen ein Land wäre in keinem Fall völkerrechtlich gestattet. Darüber hinaus hat solch ein Krieg die entgegengesetzte Wirkung:
Mit ihm kommt es zur Solidarisierung der islamischen Welt. Mit ihm wird Elend, Verzweiflung und Hunger und damit erst recht Hass erzeugt.
2 Ein zweites Argument heißt: Es geht um einen begrenzten Einsatz mit dem Ziel der Bestrafung von Terroristen.
Unsere Anwort: Zunächst stimmt gerade dies nicht mehr. Während es noch zu Beginn des Kriegs am 7.Oktober
hieß, Ziel sei die Ergreifung Bin Ladens und die Zerstörung der "terroristischen Strukturen", sagt die US-Regierung inzwischen offen, es gehe um den Sturz der Taliban-
Regierung und um die Einsetzung einer anderen Regierung. Rein militärisch gesehen droht der Krieg ohnehin sich auszuweiten siehe das nachfolgende "Argument".
Im übrigen gilt: So gut wie jeder große Krieg begann mit dem Argument, es handle sich um "begrenzte miliärische Aktionen". Im Ersten Weltkrieg sollten
zunächst nur die serbischen Terroristen, die den Kronprinz in Sarajevo ermordeten, "bestraft" werden. Im Zweiten Weltkrieg wurde zunächst nur "seit 5 Uhr 45
zurückgeschossen". Und am Beginn des Vietnamkriegs hieß es zunächst, die USA müssten "Vergeltung üben" für einen Überfall
nordvietnamesischer Kampfschiffe auf US-Kriegsschiffe im Golf von Tonking. Den letzten Vorfall betreffend kam übrigens Jahre später heraus, dass es einen solchen Überfall
nie gab. Er wurde vielmehr vom US-Geheimdienst CIA inszeniert.
3 Das dritte gängige Argument für den Bundeswehreinsatz lautet: Es geht nur um einen kleinen "deutschen Beitrag" mit Einheiten,
die nicht auf einen Bodenkampf abzielen und nicht eskalierend wirken.
Unsere Antwort: Jeder weitere Soldat, der in diesen Krieg zieht, wirkt selbstverständlich eskalierend. Wenn ein weiteres
Land den Angriffskrieg der US-amerikanischen und der britischen Regierung unterstützt, dann wirkt das bereits massiv eskalierend. Damit nimmt die Bundesregierung übrigens
bewusst in Kauf, dass es zu Terrorakten gegen deutsche Ziele und Städte kommen könnte. Im Übrigen sind die Zusammensetzung der deutschen Einheiten und ihre
Einsatzmöglichkeiten ausgesprochen expansiv. ABC-Einheiten und "Fuchs-Panzer" heißen: Ein Krieg mit Massenvernichtungswaffen wird für möglich
gehalten. Das große vorgesehene Sanitätskontingent bedeutet, man hält eine große Zahl eigener Opfer für vorstellbar. Da die Einsatzgebiete mehr als ein Drittel
des Globus umfassen, deutet auch dies auf Expansion.
4 Ein viertes Argument lautet: Deutschland kann sich nicht drücken. Als große Industrienation würden wir "Verantwortung
tragen".
Unsere Antwort: Zunächst sei festgehalten, dass die zweitgrößte Wirtschaftsnation, Japan, nicht dran denkt,
sich militärisch an diesem Konflikt zu beteiligen. Überhaupt sind es bisher nur zwei Staaten, die sich aktiv beteiligen die USA und Großbritannien. Die
französische und die italienische Regierung sagten ebenfalls Ja zu einem militärischen Engagement. Das heißt aber auch, dass weit mehr als 200 Staaten eine Beteiligung nicht
einmal erwägen. Vor allem aber gilt hier: Ein solches Argument für eine Militäraktion stellt die Wirklichkeit auf den Kopf. Es gibt nicht eine "Verantwortung" als
Triebkraft für diesen Krieg (und für vorausgegangene). Vielmehr sind es handfeste, materielle und strategische Interessen, weswegen dieser Krieg geführt wird und weswegen
so gut wie alle Kriege bisher geführt wurden.
5 Schließlich hat Kanzler Schröder als ein fünftes Argument vorgebracht: Die USA waren 50 Jahre solidarisch mit Deutschland; jetzt
müssen wir "Solidarität zeigen".
Unsere Antwort: Das Wort "solidarisch" ist hier völlig fehl am Platz. Die USA hatten nach dem Zweiten
Weltkrieg sehr handfeste materielle und strategische Interessen, weswegen sie die Bonner Regierung bzw. die Bundesrepublik Deutschland unterstützten. Dass es nicht um die Menschen
ging, sieht man allein daran, dass die USA (und die NATO) im Kalten Krieg viele Jahrzehnte lang von Kriegsszenarios ausgingen, bei denen von der deutschen Bevölkerung wenig oder
auch nichts mehr übrig geblieben wäre. Im Grunde ging es aus Sicht der USA darum, einen möglichen Atomkrieg auf Europa oder sogar "nur" auf
Westdeutschland und Osteuropa zu begrenzen und diesen von den USA fernzuhalten. Darüber hinaus waren die Bundesrepublik Deutschland und ganz Westeuropa für die USA als
Absatzgebiet und für die US-Konzerne (z.B. GM-Opel oder Ford) als Teil ihrer weltweiten Operationen wichtig. Übrigens ist bei dem Begriff "die USA waren solidarisch mit
Deutschland" interessant, dass damit von vornherein davon ausgegangen wird, dass es nur ein Westdeutschland und nur die Bonner Sicht gab.
Nehmen wir aber einmal an, all das mit diesem fünften Argument Behauptete würde zutreffen und die USA
wären in den Jahren 19491990 nur uneigennützig "solidarisch mit Deutschland" gewesen weswegen soll dieses "Deutschland" dann jetzt in
diesen Krieg ziehen? Es besteht doch überhaupt kein zwingender Zusammenhang zwischen einer solchen "Solidarität" und diesem Akt des Krieges. In diesem Sinne
solidarisch wäre doch nur, wenn die Deutschen nun, nachdem es nach dem Zweiten Weltkrieg Care-Pakete und einen Marshall-Plan für die Westdeutschen gab, ihrerseits
Lebensmittelpakete an die Obdachlosen von New York oder eine Wiederaufbauhilfe für das World Trade Center leisteten. Fuchs-Panzer als Wiedergutmachung von Care-Paketen oder ein
Kriegskontingent als Begleichung des Marshall-Plans: das macht keinen Sinn.
Winfried Wolf
Aus: Zeitung gegen den Krieg, Nr.9, Herbst/Winter 2001.
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