Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 22.11.2001, Seite 13

SoZ 2002

Ab Januar erscheint die SoZ als Monatszeitung

Anfang November ist der Beschluss gefallen: Die SoZ wird Monatszeitung. Die Entscheidung fiel der Redaktion nicht leicht; hinter den widerstreitende Meinungen über den Erscheinungsrhythmus verbargen sich auch unterschiedliche Vorstellungen über die derzeitige politische Lage und die Funktion, die eine sozialistische Zeitung heute erfüllen kann. Um ein Maximum an Leserinnen und Lesern in die Entscheidung einzubeziehen, hat die Redaktion mehrere Regionalkonferenzen durchgeführt: in Bochum, München, Hamburg, Berlin und Köln.
Die Diskussionen haben vor allem geholfen, die unfruchtbare Frontstellung: hie Monatszeitung = theorielastig, hie Zweiwochenzeitung = Kampagnenblatt aufzubrechen. Im Ergebnis haben wir uns für ein monatliches Erscheinen entschieden, weil die von uns angestrebte Ausweitung des Autorenkreises, der Themenvielfalt und der Leserschaft mit den derzeitigen personellen Kräften in der Redaktion nicht zu erreichen ist und die Finanzmittel fehlen, sie aufzustocken. Am derzeitigen Grundkonzept der SoZ — eine Mischung von kurzen, informierenden und längeren, analysierenden Artikeln — wollen wir festhalten; die SoZ bleibt eine Zeitung, die in die aktuellen politischen Auseinandersetzungen organisierend und orientierend eingreift; und sie will eine Zeitung werden, die sich verstärkt in die politisch-strategischen Debatten der Linken einmischt.
Die äußere Erscheinungsform unterstreicht die Kontinuität: das Format bleibt, die SoZ kehrt zur Schmuckfarbe auf der Titelseite zurück. Statt bisher 16 wird sie künftig 24 Seiten haben. Die steigende Debattierfreudigkeit und das Bedürfnis, Anschluss an die politisch- strategischen Diskussionen zu finden, die international geführt werden, wird sich u.a. in SoZ-Heften niederschlagen, die das bisherige SoZ-Magazin ablösen und zusätzlich zu den 12 monatlichen SoZzen zwischen 2- und 4mal pro Jahr herauskommen. Das Seitenvolumen bleibt vergleichbar, die Abopreise bleiben konstant.

Der Ausgangspunkt

Der Ausgangspunkt der Debatte vor einem Jahr war die Feststellung gewesen, dass wir den anhaltenden Rückgang der Abonnentenzahlen stoppen müssen, wenn die finanzielle Grundlage der Zeitung erhalten werden soll. Vor diesem Hintergrund gab es zwei Vorschläge: den zweiwöchigen Rhythmus beibehalten, aber die Seitenzahl auf 12 senken; oder den Erscheinungsrhythmus auf monatlich umstellen.
Von vornherein war klar, dass das seltenere Erscheinen die größere finanzielle Einsparung bringen würde, aber es war vielen unwohl beim Gedanken, eine solch gravierende Entscheidung allein auf der Basis finanzieller Erwägungen zu fällen. Hinzu kam bei vielen die Befürchtung, ein Monatsblatt würde den Druck zur Theorielastigkeit verstärken und damit einen wichtigen Teil unserer Leserschaft verprellen, die die SoZ "zwischen Tür und Angel" liest, für die sie dennoch ein wichtiges Informations- und Orientierungsmittel darstellt, auf das sie nicht verzichten wollen.
Die Kontroverse war in zwei SoZ-Artikeln je von Christoph Jünke und Angela Klein vorgestellt worden.
Christoph sah im Übergang zu einer Monatszeitung eine stärkere Übereinstimmung zwischen der politischen Lage und den Anforderungen, die an eine sozialistische Zeitung heute gestellt werden: In einer Zeit, die von der Niederlage von ‘89 und von der Frustration über die Politik von "Rot-Grün" geprägt sei, komme es vor allem auf die programmatische Reflexion an; daran änderten auch die neuen sozialen Bewegungen nichts, weil sie eine Bewegung ohne Programm seien. Mit einer theoretischer angelegten Monats-SoZ ließen sich neue Akzente setzen und eine journalistische Offensive starten. Diese müsste vor allem darauf zielen, durch verstärktes Eingreifen in die innerlinke Auseinandersetzung um die Zeitung herum ein Milieu, eine politische Strömung zu bilden.
Angela betonte demgegenüber, es gebe keinen politischen Grund dafür, dass eine Zeitung wie die SoZ nicht auch 500 AbonnentInnen mehr haben könne; wenn es uns derzeit nicht gelinge, unser Leserpotenzial auszuschöpfen, habe dies in erster Linie subjektive, nicht objektive Gründe. Sie sah die politische Situation nicht allein von der Niederlage von 1989 dominiert, sondern im wachsenden Maß auch von Versuchen, wieder eine breitere gesellschaftliche Opposition zu artikulieren, die sich außerhalb der bestehenden Parteienlandschaft formiert. Aus ihrer Sicht habe die SoZ die Funktion, vor allem die Aktiven zu erreichen, die aus der SoZ Informationen und Argumente für ihre politische Arbeit ziehen können. Die Zeitung müsse versuchen, neue Leserinnen und Leser vor allem in diesen Schichten zu gewinnen, und sie müsse so gestaltet sein, dass sie den Lesegewohnheiten dieser Zielgruppe entgegenkommt.

Zeitung und Organisation

Die Regionalkonferenzen waren nicht sehr stark besucht — die Redaktion wertete das als Ausdruck dafür, dass die SoZ-Leserschaft zu einem großen Teil passiv geworden ist und die Zeitung über geeignete Initiativen des herausgebenden Vereins für solidarische Perspektiven Anstrengungen unternehmen muss, dies zu verändern. Dafür ist auch die Neugründung der ISL (internationale sozialistische linke) hilfreich, die über ihr verstärktes politisches Engagement in Attac, in der Antikriegsbewegung, in der betrieblichen und gewerkschaftlichen Linken, in geringerem Umfang in der PDS, die SoZ stärker verbreiten und neue LeserInnen gewinnen will. Dass die SoZ von der ISL unabhängig bleiben muss, war dennoch Konsens auf den Konferenzen.
Die Bandbreite der Anwesenden dokumentierte jedoch, dass die SoZ über den Kreis der ZeitungsmacherInnen und der Vereinsmitglieder hinaus ein "Umfeld" hat, das an der Zeitung interessiert ist und sie unterstützen möchte. Ein Teil unserer Probleme ergibt sich ja gerade daraus, dass die SoZ entstanden ist als Zeitung einer aktiven politischen Organisation, der VSP, die nicht allein über Abos, sondern auch über den Direktverkauf Verbreitung gefunden hat. Die politische Organisation ist eingebrochen, damit auch der Direktverkauf und viele Abos. Die Gründung der ISL ist ein Versuch, diese Scharte wieder auszuwetzen, aber es kam in den Diskussionen auch klar heraus, dass eine Kausalkette, die besagt: die Zeitung kann nur so gut sein wie die Organisation, die hinter ihr steht, die SoZ zu einem Vereinsblättchen degradieren würde. Die VSP-Mitgliedschaft ist viel stärker zurückgegangen als die AbonnentInnen-Zahlen — ein Ausdruck dafür, dass politisches Interesse, selbst praktisches politisches Engagement und die Bereitschaft sich zu organisieren heute auseinanderfallen — ein Ergebnis der schubweisen Desillusionierung über die politischen Antworten, die die Linke und die Arbeiterbewegung bisher hervorgebracht haben; wir teilen die Folgen davon mit den anderen Kräften der Linken.
In der Debatte über das Spannungsfeld zwischen Zeitung und Organisation kam auch immer wieder der Vorschlag zur Sprache, die zersplitterte linke Presselandschaft zu vereinheitlichen, vor allem über eine Zusammenarbeit mit ak. Eigentlich wäre die Zeit reif für eine antagonistische sozialistische Wochenzeitung, wurde häufig geäußert — ein SoZ-Leser hat dafür vor wenigen Ausgaben einen Markt von etwa 5000 Lesenden ausgemacht. Eine konkrete Möglichkeit für ein gemeinsames Zeitungsprojekt ist aber nirgends in Sicht.

Reflexion oder Aktion

Die Debatte schwankte grob gesagt zwischen den Extremen: Reflexion/Theoriebildung und Kampagnenzeitung/gar Zentralorgan, wobei dies in der extremen Form Minderheitenmeinungen waren, die beide von den Referenten Christoph und Angela, die alle Redaktionskonferenzen gemeinsam besuchten, unisono zurückgewiesen wurden. Sie zogen sich damit manchmal den Vorwurf zu, sie wollten "die Quadratur des Kreises", es müssten in der einen oder anderen Richtung "klare Prioritäten" gesetzt werden.
Am deutlichsten trat die Polarisierung in Berlin zutage, wo die Anforderungen an die SoZ zwischen der Gewinnung "theoretischer Konsistenz" und dem Abarbeiten an zentralen theoretischen Problemstellungen der Linken einerseits, und der "Prioritätensetzung auf die Jungen" und "Kaderbildung" andererseits schwankten. Die Referenten haben gemeinsam die Quadratur des Kreises verteidigt, die richtige Mischung zwischen Aktivismus und Reflexion; sie fanden sich am ehesten in einer Charakterisierung von Manfred Behrend wider, der für ein monatliches Erscheinen plädiert hatte: "Die Zeitung muss Kenntnis und Erkenntnis vermitteln. Sie soll nicht zweitrangigen Ereignissen hinterherjagen, sondern sich mit den Fragen beschäftigen, die die Linke am meisten bewegen. Mut zur Lücke."
Im Klartext heißt das, die Mischung muss bei jeder SoZ-Ausgabe neu austariert werden; dafür ist es von Vorteil, dass die beiden WortführerInnen der Debatte künftig beide hauptamtlich in der Redaktion arbeiten werden; es verspricht, ein gutes Team zu werden.
Wichtig ist dafür auch, dass in vielen Beiträgen die Identifizierung der Monatszeitung mit einem Theorieorgan und der Zweiwochenzeitung mit einem Kampagnenblatt in Frage gestellt wurde. Sehr vielen, die für monatliches Erscheinen plädierten, war der praktisch eingreifende Charakter der SoZ wichtig, und für eine Kampagnenzeitung à la Linksruck plädierte kaum jemand.
In Berlin trat allerdings noch ein weiteres Problem zutage: Junge Mitglieder, die neu zur ISL dazustoßen, stellen an die Zeitung andere Anforderungen als aktive Gewerkschafter, die sie unter KollegInnen verbreiten. Teilweise gipfelte das in der etwas rüden Forderung, man solle sich nicht so viel um die Probleme der 40- und 50-Jährigen scheren, sondern sich auf die neuen, jungen Leserschichten konzentrieren. Dem wurde entgegengehalten, ein kollektives Gedächtnis könne nicht aufgebaut werden, wenn die nachwachsenden Generationen immer nur die alten Zöpfe abschnitten. Der Widerspruch aber bleibt und ist nicht ausgestanden…

Eine breitere Trägerschaft

Die SoZ muss nach Lage der Dinge eigene Anstrengungen unternehmen, um als Ausdruck einer politischen Strömung wahrgenommen zu werden. Sie verfolgt ein politisches Projekt, darüber bestand Einverständnis, nämlich das, die Neuformierung einer sozialistischen Linken voranzutreiben, die den heutigen Aufgaben gewachsen ist. Gefordert wurde ein "plurales Blatt der antagonistischen Linken" auf der Grundlage einiger zentraler programmatischer Eckpunkt wie z.B. Internationalismus, Bindung an die Arbeiterbewegung, Antikapitalismus und Antiimperialismus, Gegnerschaft gegen Patriarchat und Rassismus, Aufbrechen des Lagerdenkens auf der Linken, und dergleichen mehr. Die Redaktion hat sich vorgenommen, das politische Profil der Zeitung in eine kurze Plattform gießen und sie als ihre politische Grundlage zu veröffentlichen.
Das Bemühen um eine offene Debattenkultur, die auf die Fragen der Oppositionsbewegung eingeht, ist ein wichtiger Schritt, das "Milieu" um die SoZ herum zu stärken und auszuweiten. Die Debatten sind kein Selbstzweck; sie dienen letzten Endes der Erarbeitung neuer programmatischer Grundlagen für gesellschaftliche Veränderung.
Ob dieser Schritt gelingt, hängt wesentlich davon ab, ob die Redaktion es schafft, einen Vorschlag umzusetzen, den sie selbst unterbreitet und der viel Zuspruch geerntet hat: den Trägerkreis der SoZ über die Redaktion und den Herausgeberverein hinaus zu öffnen. Wenn dies gelänge, könnten viele von den Verbesserungen realisiert werden, die immer wieder vorgeschlagen wurden:
die SoZ muss wieder von mehr Leuten gemacht, die Autorenschaft breiter, die Autoren besser betreut werden;
sie muss mehr in die Breite wirken, durch stärkeren Wechsel der Stilmittel (Reportagen, Interviews, etc.) und stärkere Trennung zwischen Berichten und Kommentaren/Analysen ihre Lesbarkeit erhöhen;
sie muss sich stärker auf die Arbeitswelt und auf die Fragestellungen der neuen Generation orientieren; sie muss dafür von Leuten geschrieben oder mit der Hilfe von Leuten geschrieben werden, die aus diesen Verhältnissen kommen und die Perspektive der Betroffenen vermitteln;
sie muss gute Beispiele aus der Praxis vermitteln: wo konnte etwas warum und mit welchen Mitteln durchgesetzt werden? Das wirkt stärker als viele Analysen;
sie muss ihre Themenpalette erweitern: "die Breite der Themen bestimmt den angesprochenen Lesekreis", hieß es in Bochum;
sie muss ein kollektives Gedächtnis und historische Einordnung vermitteln — gerade für Jüngere; das Interesse am Marxismus scheint wieder zu wachsen.

Qualität vor Quantität

Den praktischen Nutzen für die verschiedenen Leserschichten steigern — das war eine durchgängige Forderung, die der Redaktion eine deutlich intensivere Auswahl, Akquise und Bearbeitung der Texte abverlangt als bisher. Stellt man weiter in Rechnung, dass auch die Ausweitung des Autoren-, Themen- und Trägerkreises einiger Anstrengung bedarf, muss man zum Schluss kommen, dass diese Aufgaben mit der bisherigen personellen Stärke der Redaktion nicht bewältigt werden können, wenn der Erscheinungsrhythmus bleibt. Wollen wir die angestrebten Verbesserungen durchführen, geht das realistisch nur, wenn wir im Erscheinen kürzer treten.
Mit ihrer Entscheidung, auf Monatszeitung umzustellen, haben sich die Redaktion und der herausgebende Verein zugleich vorgenommen, politisch mit dem Projekt SoZ einen Schritt nach vorn zu tun. Wir wissen um die Ängste und die Gefahren, die damit verbunden sind — sie wurden regelmäßig zur Sprache gebracht und sind auch nicht wegzudiskutieren. Ein 14-tägiges Erscheinen ist aber auch kein Wert an sich. Es war positiv, dass der Großteil der Debatten wieder um die politische Herausforderungen und die politische Funktion der SoZ kreisten. Diese zu erfüllen ist die oberste Aufgabe — mit den Mitteln, die uns heute zur Verfügung stehen.

Angela Klein/Christoph Jünke

Die nächste SoZ wird die letzte sein, die als 14-tägige erscheint, und auch die letzte in diesem Jahr. Wir werden darin genauere Angaben machen, wie die neue SoZ 2002 aussieht.


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