Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 22.11.2001, Seite 14

Wider die Glaubenden

Zu den schönsten "wissenschaftlichen" Forschungsergebnissen der letzten Monate gehören unseren bescheidenen Kenntnissen nach eine verdienstvolle Arbeit britischer Traumforscher und eine Studie des New Yorker Reproduktionsmediziners Rogerio Lobo. Die Briten haben bei Feldforschungen unter 50 mehr oder weniger bekannten Politikern von ganz rechts (z.B. dem britischen Faschistenführer Nick Griffin) bis ganz links (so der gute "Je-älter-desto-linker" Tony Benn) festgestellt, dass bei den "Rechten" die Hälfte aller Träume in die Kategorie Albträume eingeordnet werden muss, während bei den "Linken" nur 18% der Träume horrorartig seien. Die Faschisten träumen schlecht und rechts ist nur ein Albtraum — so gefällt uns die Welt.
Der New Yorker Arzt hat ebenso überzeugend noch viel gradlinigere Verbindungen zwischen Geist und Materie ermittelt: bei 200 Patientinnen einer Klinik für künstliche Befruchtung im koreanischen Seoul wurde die Hälfte einer normalen Labor-Befruchtung unterzogen. Von den anderen wurden obendrein Fotos an Christen in den USA und Australien geschickt, die für die Frauen beten sollten, damit es mit der Schwangerschaft klappe. Und siehe da: die durch Gebete geförderten Frauen wurden doppelt so häufig schwanger wie die nur biochemisch Behandelten. Wir haben jetzt zwar noch viele Fragen — z.B., ob es unbedingt nordamerikanische und australische Gebete sein müssen? Oder ob der Traum der SPD-Ziege Hertha Däubler-Gmelin, den sie der Zeit gebeichtet hat, nach dem sie früher einmal eine schwarze Sklavin im Besitz von Abraham Lincoln war, nur deshalb so abgedreht ist, weil sie sich nicht entscheiden kann, ob sie rechts oder links ist?
Doch wir haben diese Dinge aus einem anderen Grund berichtet. Es wimmelt zurzeit so gnadenlos von erfolglosen Anläufen, die dialektische Ereignisanalyse durch gradlinig, eindimensional und mechanistisch zusammen gezimmerte Erklärungsversuche abzulösen, dass es uns ein echtes Bedürfnis war, einmal erfolgreiche Auftritte diese Art aufzuzeigen, im Sinne jenes namenlosen Gesellen, von dem bereits Marx und Engels voll Anerkennung in der Deutschen Ideologie sprechen, dem es gelungen wäre, ohne einzusinken über das Wasser zu laufen, weil er ganz fest daran geglaubt hat.

Wir widmen diese Erfolge all den Losern,
die Antiamerikanismus schreien, nur weil die Regierungspolitik und der Armeeeinsatz der USA kritisiert wird;
die Antisemitismus geißeln, nur weil die Politik von Regierung und Armee des israelischen Staates nicht gutgeheißen wird;
die zum Taliban erklären, wer weder Bush noch Schröder sein will;
die zum Selbsmordattentäter machen, wer nicht Sharon sein mag;
die zum Hizbollah erklären, wer die Rechte der Palästinenser einfordert;
die mit der Kündigung von Zeitungsabonnements, die falsche Linie in irgendwelchen Artikeln beseitigen wollen;
die durch Zurückhaltung zurück halten wollen;
die Antinationalismus mit Internationalismus und Antiglobalisierung mit Antikapitalismus verwechseln;
die von Befreiung fantasieren, wo nur verjagt wurde; die Kompliziertheit durch Vereinfachung bewältigen wollen;
die zum Keller hinab steigen, und laut "Ich habe keine Angst" rufen;
die aus Angst vor dem Tod Selbstmord begehen;
die nur noch eine Welt von Verschwörungen, finsteren Plänen und Sonderwegen sehen;
die an kleinere Übel, die besser wären als größere, glauben.
Die glauben.

Thies Gleiss

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