Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 22.11.2001, Seite 15

The (International) Noise Conspiracy

‘A new morning changing weather‘

Zu Beginn des Golfkrieges 1991 brachten Bad Religion eine Single heraus, bei der auf der Rückseite ein gesprochener Text von Noam Chomsky war. Ich habe mir das angehört und ca. eine Woche später mein erstes Noam-Chomsky-Buch gekauft, Ich konnte nicht glauben, was ich las. Das ist der Inspirationseffekt, den wir auf Leute machen möchten, das ist der Grund, warum wir Musik machen." So Dennis Lyxzén der Sänger von The (International) Noise Conspiracy (T(I)NC). "Buy books, they can be more punkrock than music will ever be! Read! Get educated!", ruft er dann logischerweise seinem Publikum von der Bühne zu.
Die Booklets der T(I)INC-CDs strotzen dementsprechend vor literarischen Verweisen, Zitaten und kurzenPamphleten. Schwerpunkte sind die Schriften der Situationisten und Autonomisten, aber auch des Dekonstruktivismus und der Gender-Theorie. Im Booklet von A new morning changing weather zu treffen wir u.a. Guy Debord, Toni Negri, Harry Cleaver, Mario Tronti, Judith Butler, Raoul Vaneigem, Gayatri Chakravorty Spivak und natürlich Karl Marx.
Die Idee, eine Band ins Leben zu rufen, die eine Liebe zum schmutzigen 60s Punkrock, einen Hang zu Soul im wahrsten Sinne des Wortes und zum linksradikalem politischen Denken hat, wurde 1998 in Umeå (Schweden) verwirklicht. Schon lange Zeit hatten Dennis Lyxzén (Sänger, ehemals der Hadcore- Legende "Refused") und Lars Strömberg (Gitarre, immer noch bei Separation) diese "Mission" im Kopf, doch erst nachdem Refused sich aufgelöst haben und Dennis wirklich Zeit hatte, konnte man damit beginnen.
Die anderen Mitglieder kamen allmählich zum "Kollektiv". Auf der Suche nach einem Bassisten traf man auf Inge Johannson, die bis dahin bei The Femal Anchor of Sade gespielt hat, in ihren Worten ein "Antikunstkollektiv". Später kamen noch Sara Almgren (Gitarre, Tamburin und Orgel) und Ludwig Dahlberg (Schlagzeug) dazu, die man von den auch sehr politischen Saidwas abgeworben hatte.
Man nahm zwölf Songs auf, die in Europa immer wieder als Vinyl-7 veröffentlicht wurden. In Asien und Canada kamen sie als Album mit dem Titel The First Conspiracy raus. Aber bereits bevor diese 7 veröffentlicht wurde klopften die Major Labels bei T(I)NC an um ihnen Verträge anzubieten. Das lag vor allem weil der Frontmann der Ex-Sänger von Refused war. Es passierte also das, was die hochpolitische Band sich nicht gewünscht hatte: Erfolgsversprechen statt Verständnis.
Doch die veganen Punk Rocker blieben sich treu sie veröffentlichen bei "burning heart Records". Erst einmal veröffentlichten sie 2000 das Album Survival Sickness Heart. Auf den folgenden Touren versuchten sie, das Publikum dazu zu bringen, sich aus eigener Kraft mit politischen Messages vertraut zu machen.
2001 wurde nicht nur der Erstling The First Conspiracy in Europa re-released sondern mit A new morning changing weather legten sie im November ihr zweites offizielles Album vor. Ihre Musik bezeichnen sie als Soul-Punk. Die Musik besitzt eine melodische Vielfalt die der Punk seit The Clash nicht mehr erreicht hat und der treibende Beat lässt die Musik sehr frisch wirken. Auf jeden Fall besteht kein Grund zur Annahme, dass sie wie andere politische Bands "als Bourgoise-Avantgarde- Bullshit" enden.
Der Titelsong hat allemal das Zeug zu einem HiT und sicherlich habe T(I)NC durchaus das Zeug die Manu Chaos der Punk- Rock-Szene zu werden. Beachtung verdient haben sie allerdings weit darüber hinaus. Doch zumindest Dennis Lyxzén weiss aus seiner Erfahrung mit den Refused, dass dies immer auch eine Vereinnahmung bedeutet. Als Refused auf USA-Tournee waren mussten sie miterleben wie auf MTV "Burger King"-Werbespot gesendet wurde, der mit ihrem Hit "New Noise" unterlegt war. Sie wollten dagegen klagen, doch der finanzielle Aufwand, den eine solche Klage bereitet hätte lies sie davor zurückschrecken. Es wird also auch für T(I)NC eine schwierig Ambivalenz bleiben, zwischen politisch linksradikaler Musik und kommerziellen Erfolg. Noch einmal Dennis Lyxzén dazu: "Du musst erkennen, dass du, wenn du kämpfst, innerhalb des Spektakels kämpfen musst. Du musst, wie die autonomistischen Marxisten sagen, ‚Fluchtlinien‘ finden, die den Kapitalismus transzendieren. Ich meine: wir sind bloß eine Band, wir sind Teil einer der abgefucktesten Industrien der Welt, der Musikindustrie. Wir wissen das, aber gleichzeitig ist es der beste Weg für uns, wenigstens etwas zu tun. Ich bin nicht besonders gut darin, Steine auf Polizisten zu werfen; ich bin nicht so gut darin, politische Bücher zu schreiben. Aber ich kann tanzen ... Wir versuchen, die Mittel zu benutzen, die wir haben, und etwas Reibung zu verursachen."

Thomas Schroedter

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