Sozialistische Zeitung |
Einigermaßen spät beginnen die Auseinandersetzungen zur kommenden Tarifrunde. Während für die meisten Tarifbereiche der letzte
Vertrag zwei Jahre lief und erneut weder ein Ausgleich der Preissteigerung noch der Produktivitätssteigerungen noch eine Wende in der Umverteilung zugunsten der Gewinne erreicht
werden konnte, begann es in vielen Branchen und Betrieben zu gären. Die satten Gewinne und Börsenprofite des letzten Jahres zeigten, was bei einer einjährigen Laufzeit der
Tarifverträge in der Metallindustrie in diesem Frühjahr auf der Tagesordnung gestanden hätte. aber das Bündnis für Arbeit wirkte sich obgleich
dementiert von allen Beteiligten im Sinne der Unternehmer und Regierung auf die Tarifverträge aus. Nur dass auf diese Art weder neue Einstellungen vorgenommen wurden noch
die Gewerkschaften im Augenblick die Möglichkeit haben, den drohenden massenhaften Entlassungen und Arbeitsplatzvernichtungen zu begegnen.
Und natürlich nehmen die Unternehmer die absinkenden Konjunkturdaten zum Anlass, eine niedrige
Lohnerhöhung wenn überhaupt und Abstriche bei den Löhnen zu fordern, angeblich erneut, um Arbeitsplätze zu sichern.
Das Verhalten der Gewerkschaftsvorstände in dieser Zeit ist skandalös. Vage Absetzversuche gegenüber
dem Bündnis für Arbeit bleiben stecken, Zusagen beim Bundeskanzler werden hinter vorgehaltenen Händen gemacht, und die Basis wird im Regen stehen lassen.
IG-Metall-Chef Zwickel und der IGM-Bezirksleiter aus Stuttgart fordern offen die Begrenzung der
Flächentarifverträge auf eine niedrige Erhöhung, dabei will Zwickel kurze Laufzeiten, um ein Wiederanlaufen der Konjunktur nächstes Jahr dann in einer erneuten
Tarifrunde auffangen zu können. In gut verdienenden Unternehmen sollen dann weitere Lohnerhöhungen betrieblich vereinbart werden eine Abkehr von entscheidenden
Prinzipien der solidarischen Tarifgestaltung in einer Branche, damit aber auch der Kampffähigkeit und -bereitschaft einer Region.
Demgegenüber gab es schon vor Wochen Forderungen aus Betrieben in Südwestdeutschland mit zweistelligen
Lohnerhöhungen. Das ist kein Wunder: der Nachholbedarf allein aus den letzten beiden Jahren kann auf rund 5 Prozent geschätzt werden, wenn die
Produktivitätssteigerungen und Preiserhöhungen berücksichtigt werden. Weitere Forderungen müssen hierauf aufbauen. Entsprechend gab es jetzt schon Proteste gegen
die Vorgaben von Zwickel und seinen Bezirksleitern. Insbesondere die Aufspaltung von Tairfabschlüssen stieß auf heftigen Protest bisher wohl nicht genug, um diese
für die Arbeitgeber sehr sinnvolle Aufspaltung der Belegschaften zu vermeiden.
Bevor Bundeskanzler Schröder nach Asien flog, um dort Geschäfte für Siemens (Staudamm in Indien) und
Thyssen-Krupp (Magnetschwebebahn in China) zu tätigen, traf er sich mit Gewerkschaftsvorsitzenden auf dem Flughafen in Düsseldorf, wo nach Angaben des "Spiegel"
die politischen Vorgaben für die Tarifrunde des nächsten Jahres festgelegt wurden. So war es Schröder besonders darum zu tun, alles aus dem Wahlkampf heraus zu halten,
und insbesondere hohe Lohnerhöhungen und Arbeitskämpfe zu vermeiden. Dazu sollten sich die Gewerkschaften verpflichten, im Bündnis für Arbeit weitere
Zugeständnisse zu machen, um unter anderem den Militäreinsatz der Bundeswehr finanziell zu gewährleisten Steuererhöhungen nicht zu bekämpfen
und der Regierung den Rücken freizuhalten bei dem absehbaren Desaster auf dem Arbeitsmarkt.
Letzte Woche nun trafen die Gewerkschaftsvorstände im DGB zusammen, um die Lohnrunde einzuläuten. Sie
einigten sich darauf, Lohnforderungen in den Mittelpunkt zu rücken und Jahresverträge anzustreben. Die Dissonanzen lieferte wieder einmal der Vorsitzende der IG BCE Schmoldt,
der sich nicht dazu verstehen mochte, in diese Forderungen einzustimmen. Er machte das weitere Vorgehen von der Entwicklung der Konjunktur abhängig. Was das heißen
könnte, zeigte sich einige Tage später, als die vierte Verhandlungsrunde für den Steinkohlenbergbau (seit August ohne Tarifvertrag) ergebnislos beendet wurde
niemand in der IGBCE mag die Basis darauf hin ansprechen, was sie denn dazu meint.
Aus diesen Vorbereitungen kann nur die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die kommende Tarifrunde eine wichtige Sache
für die Beschäftigten dieses Landes wird, deren Bedeutung über die bloße Frage einer "angemessenen" Lohnerhöhung hinausgeht. Ob nun das
Bündnis für Arbeit tagt und Beschlüsse fasst oder nicht: bisher haben sich die Vorstände an die Vorgaben dieser Runde gehalten, zum Schaden der Beschäftigten.
Die zweijährige Laufzeit hat dazu geführt, dass in der guten Konjunktur erneut die Lohnquote gesunken ist.
Jetzt haben bei steigenden Arbeitslosenzahlen und sinkender Konjunktur Regierung und Unternehmer erneut Argumente auf
ihrer Seite, die offensichtlich schon bei den Gewerkschaftsvorständen verfangen. Und der politische Druck wird bei fortschreitendem Staatsdefizit und heran nahenden Wahlen
noch größer werden als jetzt schon. Insofern muss eine von den Vorgaben der Vorstände sich unabhängig machende Bewegung der Beschäftigten
gefördert werden. Das ist nicht nur eine Frage der Umverteilung, sondern vor allem eine der Kampfkraft der Arbeiterbewegung.
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