Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 06.12.2001, Seite 15

Charlie van Gelderen

(1913—2001)

Am 26.Oktober starb nach kurzer Krankheit Charlie van Gelderen im Alter von 88 Jahren. Charlie war der letzte Überlebende unter den Teilnehmern der Pariser Gründungskonferenz der IV.Internationale im September 1938 und bis zuletzt ein aktives Mitglied der International Socialist Group, der britischen Sektion der IV.Internationale.
Charlie van Gelderen wurde im August 1913 nahe Kapstadt in Südafrika geboren. Bereits als Jugendlicher war Charlie politisch aktiv und Mitglied der sozialreformerischen Fabian Society, aber 1931 wurde er ein begeisterter Anhänger der Ideen Leo Trotzkis. Zusammen mit seinem Bruder Herman war er einer der Initiatoren der Gründung der ersten trotzkistischen Organisation in Südafrika, der International Marxist League.
Charlie verließ 1935 Südafrika und ging nach London. Dort gehörte er zur Revolutionary Socialist League, einer marxistischen Organisation, die innerhalb der Labour Party arbeitete. Charlie war aktiv in der stark von Trotzkisten beeinflussten Jugendorganisation der Partei im Londoner Stadtteil Islington. Nach Hitlers Machtergreifung, der Niederlage der spanischen Republik, den Moskauer Schauprozessen und mit den Anzeichen für einen neuen Weltkrieg war Charlie von der Notwendigkeit einer neuen Internationale als Alternative zum Verrat von Sozialdemokratie und Stalinismus überzeugt.
Während des Krieges kam Charlie als Angehöriger des British Army Medical Corps nach Italien, unmittelbar nach dem Sturz Mussolinis. Er beteiligte sich an riesigen Demonstrationen, auf denen Transparente dominierten, die für die Eroberung der Macht durch die Arbeiterklasse eintraten. Togliatti, der Führer der italienischen KP, kehrte aus seinem Moskauer Exil zurück und rief die Arbeiter auf — getreu der Linie Stalins für die westeuropäischen KPs — ihre Waffen niederzulegen und die Regierung von Marschall Badoglio zu unterstützen, den der König zum Nachfolger Mussolinis ernannt hatte.
Zusammen mit ebenfalls dort stationierten amerikanischen Genossen half Charlie bei der Organisierung der ersten trotzkistischen Organisation in Italien. Die Bedeutung seiner Rolle in Italien zeigt sich darin, dass die Leitung der IV.Internationale versuchte ihn zu überzeugen, dort zu bleiben und seine Arbeit fortzusetzen. Aus familiären Gründen kehrte Charlie jedoch nach dem Krieg nach England zurück.
Im Zentrum seiner politischen Tätigkeit stand die Solidarität mit den politischen Kämpfen in Südafrika. Er war an führender Stelle in der britischen Anti-Apartheid-Bewegung aktiv, und als sich die Situation in Südafrika Anfang der 80er Jahre zu ändern begann, war er in der Lage die traditionellen Positionen des südafrikanischen Trotzkismus neu zu bewerten und die Aufmerksamkeit auf die unabhängige Gewerkschaftslinke und die neuen Netzwerke revolutionärer Sozialisten zu lenken.
Seit der ersten politischen Spaltung, die er in Südafrika erlebt hatte, war Charlie stets der Auffassung, dass in der revolutionären Bewegung zu viele zu schnell bereit waren, Organisationen wegen lediglich taktischer Differenzen zu spalten. Er benutzte jede Gelegenheit die Linke zum Kampf gegen das Sektierertum aufzufordern: "Sektiererische Spaltungen waren ein chronisches Leiden unserer Bewegung. Minderheiten spalteten sich wegen kleinster Vorwände, um winzige Sekten zu bilden, die keine Zukunft haben. Wie anders dagegen Trotzki, der bis 1933, bis zur vollständigen Niederlage der deutschen Arbeiterklasse, an der Zugehörigkeit zur III.Internationale festhielt."
Charlie war Mitglied der Labour Party von September 1936 bis März 2001. In vielen heftigen Debatten in der trotzkistischen Bewegung vertrat er die Auffassung, dass dies der Platz sei, in der Revolutionäre aktiv sein sollten, um Menschen für ihre politischen Ideen zu gewinnen. Doch durch die Verwandlung der Partei unter Tony Blair schien ihm, wie vielen anderen, dass diese Phase zuende war. Er begrüßte die Bildung der Socialist Alliance und wurde ihr aktives Mitglied.
Charlie bemerkte mehrmals, dass wir, wenn wir zur Vereinigung der Proletarier aller Länder aufrufen, dabei auch uns selbst einbeziehen sollten. Deshalb inspirierte ihn die Entwicklung der Socialist Alliance: sie war für ihn nicht nur eine Alternative zu New Labour, sondern die wichtigste Initiative für die Einheit der Linken seit vielen Jahren.

Nach: Socialist Outlook, Nr.50, November 2001.

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