SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar, Seite 4

Wer hat Argentinien ausgeplündert?

Kolumne von Jakob Moneta

Dass Verzweifelte, von Hunger und Elend Bedrohte in Argentinien Supermärkte und Geschäfte plünderten, einige von der Polizei ermordet und viele verwundet wurden, ist in unseren Medien berichtet worden. Doch über die Ausplünderung des Landes Argentinien, das sich dem Diktat des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterwarf, wurde der Mantel des Schweigens ausgebreitet.
Dabei ist es doch nicht so lange her, dass Argentinien als der gelehrigste Schüler des IWF gerühmt worden ist. Alle argentinischen Wirtschaftspolitiker studierten auf Universitäten, die von den USA inspiriert waren und den Neoliberalismus der freien Märkte sowie die Privatisierung aller gesellschaftlichen Einrichtungen — bis zu Krankenhäusern, Schulen und Gefängnissen — als den Weg zum Wohlstand für alle empfehlen.
Die USA haben übrigens — Republikaner ebenso wie Demokraten — jeden Staatsstreich in Argentinien politisch und finanziell unterstützt, der in ihrem Interesse lag.
Sicherlich ist die jetzige Krise Argentiniens auch auf Jahrzehnte von Fehlverhalten eigener Regierungen zurück zu führen. Aber die Ausplünderung eines Landes, dessen Bevölkerung zur dynamischsten der Welt gehörte, ist das Ergebnis einer zynischen Wirtschaftspolitik, die sich um Menschlichkeit überhaupt nicht mehr kümmerte.
Seitdem das Land den Rat des IWF befolgte, seinen Peso an den Dollar zu binden, konnte es seine industriellen Waren, die hierdurch verteuert wurden, schlecht exportieren. Die Konkurrenz aus lateinamerikanischen Staaten nutzte den freien Markt aus, um ihre billigeren Waren in Argentinien abzusetzen, dessen Industrie fast zum Erliegen kam.
Den landwirtschaflichen Produkten, die einst zu den begehrtesten der Welt gehörten, wurde durch den Protektionismus der Absatz in die USA ebenso verwehrt wie in die Länder der EU.
Daniel Barillo, Mitglied des argentinischen Rats für wissenschaftliche Forschung, ist erbost darüber, dass nach dem Terrorangriff vom 11.September die USA ohne weiteres die eigene Industrie mit staatlichen Finanzen subventionieren durften und auch andere Kontrollmaßnahmen durchführten, die neoliberale Grundsätze über den Haufen warfen, was für Argentinien als Tabu galt.
Dass US-Präsident Bush Argentinien immer noch einen benachbarten Freund nennt und der Wirtschaftsberater des IWF, Kenneth Rogoff, die Verantwortung für die tiefe Krise den Argentiniern in die Schuhe schiebt, ist für Daniel Barillo schlicht zynisch.
"Der Wirtschaftshorror in Argentinien", schreibt er, "erreicht Ausmaße, die sogar die pessimistischsten Analytiker schwerlich vorauszusagen vermochten. Sogar die friedlichsten Menschen weden heute gewalttätig in einem Land, in dem der Zerfall der Gesellschaft erst begonnen hat."
Auch wenn die neue Regierung die Bindung des Peso an den Dollar jetzt wieder aufhebt, ist ein durchgreifender Erfolg kaum zu erwarten. Dass jedoch die sklavische Befolgung der neoliberalen Rezepte zur Ausplünderung eines reichen Landes führen kann, darf nicht länger verheimlicht werden.

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