SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Januar, Seite 9

Gefesselter Prometheus

Bundesweite Initiative gegen das "Bündnis für Arbeit"

Die Ergebnisse der beschönigend "Bündnis für Arbeit" genannten Veranstaltung von Regierung, Arbeitgebern und Gewerkschaftsvorständen sind niederschmetternd. Insbesondere die Festlegung der Gewerkschaften und ihrer Mitglieder durch die zweijährigen Tariflaufzeiten, die Zustimmung und positive Würdigung der Rentenreform und die Einbeziehung in die kommende Krankenversicherungsreform sind Punkte, die den Protest herausfordern. Während die Unternehmen sich in den letzten Jahren im Rahmen der Bündnisgespräche geweigert haben, irgendwelche Zusagen zu machen, wurden die Gewerkschaften immer mehr geknebelt. Die SoZ dokumentiert den (leicht gekürzten) Aufruf einer Initiative, die in Berlin gegen die neuen Bündnis-Gespräche mobilisieren will.

Aufruf: "Raus aus dem Bündnis für Arbeit". Schluss mit der kapitalistischen Globalisierung in der BRD

Wieder einmal werden Tausende entlassen. Die offizielle Arbeitslosigkeit steigt über 4 Millionen. Der Druck auf die abhängig Beschäftigten wird weiter enorm gesteigert. Auch in den kommenden Tarifrunden sollen wir Lohnverzicht üben und weitere "Flexibilisierungen" unserer Arbeitsbedingungen hinnehmen, um die Krise zu bewältigen.
Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Lohnzurückhaltung und "Flexibilisierung" haben für den "Erhalt der Arbeitsplätze" nichts gebracht, wohl aber für die weitere Bereicherung der wenigen Reichen dieser Gesellschaft!
Die Netto-Löhne und -Gehälter sind seit 1993 schon um 6,9% gefallen, gleichzeitig erhöhte sich der Anteil der Gewinn- und Vermögenseinkünfte am Volkseinkommen um 10%.
Immer mehr Erwerbstätige leiden unter unwürdigen und unzumutbaren Arbeitsverhältnissen. Weit über ein Viertel derjenigen, die noch einen Job haben, gelten inzwischen nach offizieller Statistik als "arm".
In ganzen Branchen und Regionen, gehören eine Anstellung mit Tarifvertrag und unbefristetem Arbeitsvertrag zur Ausnahme. Immer häufiger werden Arbeitszeitverlängerungen und unbezahlte Mehrarbeit durchgesetzt.
Mit dem "JobAqtiv"-Gesetz werden Arbeitslose noch mehr gezwungen, jeden Scheißjob um jeden Preis anzunehmen.
Trotz immer wieder neuer Lehrstellenversprechen fehlen weiterhin über 150000 Ausbildungsplätze. Viele Jugendliche sollen nur noch eine zweijährige Schmalspurausbildung erhalten. Eine halbe Million Jugendliche sind arbeitslos.
Durch "Zuwanderungsgesetz" und "Greencard" werden Ausländer aufgeteilt in "nützlich" und "weniger nützlich", d.h., alle werden zu Freiwild für Ausbeutung, staatliche Repression und rechte Schläger.
Mit der "Rentenreform" werden die Sozialkassen ihrer besseren Beitragszahler beraubt, wodurch die Renten der sozial Schwächsten kaum noch zum Leben reichen werden.
Die Umverteilung nach oben ist das einzig sichtbare Ergebnis der unerträglichen Maßnahmen gegen Lohnabhängige, Arbeitslose, Flüchtlinge, Auszubildende und sozial Schwache. Eine zentrale Rolle im Rahmen dieser Politik zur Anpassung der BRD an die globalen Konkurrenzbedingungen spielt das "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit".

Was tun?

Diese unsoziale Entwicklung braucht eine breite und wirksame Bewegung zur sozialen Gegenwehr der Betroffenen. Gerade die Gewerkschaften sollten die Interessen der lohnabhängig Beschäftigten vertreten. Sie müssten ihr noch vorhandenes gesellschaftliches Gewicht in eine solche Bewegung einbringen. Stattdessen hat sich die Spitze der Gewerkschaften durch das "Bündnis für Arbeit" selbst gefesselt.
Mit dieser Veranstaltung wird die Illusion verbreitet, über die "Spitzengespräche" zwischen Regierung, Unternehmerverbandsbossen und Gewerkschaftsvorsitzenden gäbe es noch etwas zugunsten von Lohnabhängigen und sozial Schwachen zu verhandeln.
Tatsächlich war es aber nie ein Ansinnen von "Kabinett und Kapital", hier irgendeine Alternative zur neoliberalen Messerwetzerei zur Diskussion zu stellen: Während Sozialabbau, Lohndrückerei und Abbau von Gewerkschaftsrechten früher in Konfrontation mit den Gewerkschaften gemacht wurden, wird durch das "Bündnis" versucht, dies nun unter ihrer gütigen Mithilfe zu organisieren.
In den USA, Frankreich und Italien sind die Gewerkschaften zu einer wichtigen, großen Kraft innerhalb der globalisierungskritischen Bewegungen von Seattle, Nizza und Genua geworden. Das ist auch dringender Auftrag an unsere Gewerkschaften.
Es gibt eine Alternative zum neoliberalen Pakt der Grausamkeiten! Viele Gruppen von Globalisierungskritikern, Erwerbsloseninitiativen, Schüler- und Studenteninitiativen, Flüchtlingsgruppen und auch gewerkschaftlichen Basisinitiativen suchen wieder neue Wege der Opposition und Auswege aus dem immer brutaler werdenden kapitalistischen Verwertungszwang.
Durch den Bruch mit dem "Bündnis für Arbeit" könnten die Gewerkschaften zu einem wichtigen Teil einer europa- und weltweiten Bewegung werden, die konsequent für die Interessen von Lohnabhängigen und sozial Schwachen eintritt, ganz gleich was dies für "Standort" und Kapital bedeutet. Wenn bestimmte soziale Mindestforderungen innerhalb des bestehenden Systems nicht erfüllt werden können, dann brauchen wir eben ein anderes internationales Wirtschaftssystem.
Das "Bündnis für Arbeit" ist ein zentrales strategisches Projekt zur Aufrechterhaltung des sozialen (Burg-)Friedens im Zeitalter des neoliberalen Umbaus. Ein Ausstieg der Gewerkschaften aus dem Bündnis kann die Kräfteverhältnisse entscheidend verschieben, wenn er im Verbund mit dem Entstehen eines breiten Bündnisses von Gewerkschaften und sozialen Bewegungen gegen die kapitalistische Globalisierung in der BRD vor sich geht.
Das unmittelbare Ziel der Initiative "Raus aus dem Bündnis für Arbeit" ist es, ein Bündnis zu bilden von gewerkschaftlichen Aktivistinnen und Aktivisten mit einer Vielzahl von betroffenen Gruppen (Erwerbsloseninitiativen, Schüler- und Studentengruppen, Flüchtlingsinitiativen, globalisierungskritischen Zusammenhängen etc.), um die Mobilisierung gegen die nächsten konkreten Zumutungen aus dem "Bündnis für Arbeit" mit der Forderung nach dem Austritt aus diesem "Bündnis" zu verbinden.

Unsere zentralen Forderungen

— Gegen jede Lohnleitlinie des Bündnis für Arbeit, für eine konsequente Tarifrunde mit Trendumkehr zugunsten der unteren Einkommensgruppen und zugunsten der Rückholung der Aufweichung des Flächentarifvertrags!
Gegen jede weitere Politik der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, für die Rücknahme des JobAqtiv- Gesetzes und ähnlicher Workfare-Programme!
Für die Durchsetzung des Rechts auf Ausbildung mit der gesetzlichen Umlagefinanzierung und für die Übernahme im erlernten Beruf nach der Ausbildung!
Gegen die weitere Unterhöhlung des Solidarprinzips mit der Gesundheitsreform und für die Rücknahme der privatisierenden Rentenreform!
Gegen eine rechtliche und soziale Unterteilung der AusländerInnen gemäß ihrer Verwertbarkeit und jedwede andere Form der Ausgrenzung!
Für einen freien und sozial abgesicherten Zugang zum Bildungssystem und gegen dessen Privatisierung und immer stärkere Unterwerfung unter Kapitalverwertungsinteressen!
Für diese Forderungen und den Ausstieg der Gewerkschaften aus dem "Bündnis für Arbeit" demonstrieren wir beim kommenden Treffen des "Bündnis für Arbeit", jetzt voraussichtlich im Januar 2002 in Berlin.
Mit weiteren Aktionen, Veranstaltungen und Resolutionen, müssen wir Öffentlichkeit und Druck erzeugen und weitere Gruppen zur Aktivität ermutigen. Wir müssen längerfristige Positionen zum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, z.B. zum Thema Arbeitszeit und soziale Grundsicherung entwickeln. Mit einem Wort — wir brauchen euch zum weiteren Aufbau der Initiative — schließt euch unseren Aktionen und Diskussionszusammenhängen an! Es liegt in unserer Hand, auf zum Widerstand!

Die Initiative "Raus aus dem Bündnis für Arbeit" unterstützen bisher:

Bündnis gegen Ausbildungsplatzmangel und Jugendarbeitslosigkeit; Heinz-Günter Lang (Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken); Mag Wompel (LabourNet Germany); Arbeitermacht; Arbeitskreis Internationalismus in DIDF-Jugend Zentral; Linksruck; Was tun! — Sozialistische Initiative/Sozialistische Liga; Gewerkschaftsforum Hannover; SDAJ-Thüringen; SDAJ-Berlin; Sascha Kimpel (Attac Berlin); BGL — Berliner Gewerkschaftslinke; Netzwerk für eine demokratische und kämpferische ver.di.



Informationen, Flugblätter und Kontakte über: www.gegen-buendnis-fuer-arbeit.de (in Kürze);
www.labournet.de;
globalisierung-brd@web.de.

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