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Am 3.Dezember war der 20.Jahrestag der Festnahme des US-Bürgerrechtlers und Journalisten Mumia Abu-Jamal. Das Urteil lautete damals Todesstrafe
wegen "Mordes ersten Grades" an dem Polizisten Daniel Faulkner. Neue Beweise für Abu-Jamals Unschuld wurden von den Gerichten bislang abgelehnt.
Seit dem 18.Dezember liegt nun zwei Jahre nach den Anträgen von Abu-Jamals Anwälten eine Entscheidung des
Bundesbezirksrichters William H. Yohn vor. Sie bedeutet eine mögliche Umwandlung der Todesstrafe in eine lebenslange Haftstrafe. Innerhalb einer Frist von 180 Tagen muss das
Staatsgericht Philadelphia das Strafmaß neu verhandeln, ansonsten würde die Strafe auf lebenslange Haft anerkannt. Yohns Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, da die
Staatsanwaltschaft bereits Revision angemeldet hat.
Auch ansonsten besteht kein Grund zu voreiligem Jubel. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wie von der Verteidigung 1995
ursprünglich gefordert, wurde abgeschmettert. Eine Überprüfung der verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit von Abu-Jamals Inhaftierung wurde
abgelehnt. Yohns Entscheidung basiert nämlich nicht auf dem von Abu-Jamals Anwälten ausgearbeiteten detaillierten Katalog von 39 Punkten juristischer Anfechtungen und
Beweisführung. Es erfolgte auch keine Anhörung der Parteien und Zeugen.
Yohn berief sich dabei auf das 1996 verabschiedete "Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus und zur
Effektuierung der Todesstrafe" (AEDPA). Demzufolge sei grundsätzlich "von einer Richtigkeit der faktischen Beurteilungen durch die Staatsgerichte auszugehen".
Aufgabe der Bundesgerichte ist dann alleine die Beschleunigung der Vollstreckung dieser Urteile. Die in Jamals erstem Antrag aufgestellte Forderung, die rassistische Haltung des Richters Sabo
zu untersuchen, wird denn auch mit der Erklärung abgelehnt, sie komme zu spät.
Mit dem gleichen absurden Argument wird der entscheidende Unschuldsbeweis durch das Geständnis des wirklichen
Täters Beverly abgetan. Eine Ausweitung der Zeitbegrenzungen innerhalb des Gesetzes zur Effektuierung der Todesstrafe sei nicht gestattet. Es sei denn "der Antragsteller
könne beweisen, dass die Präsentation des Zeugen Beverly im ursprünglichen Prozess es mehr als wahrscheinlich gemacht habe, dass kein vernünftiger Geschworener
ihn verurteilt hätte."
Die vorgelegten Unschuldsbeweismittel sollen also gerichtlich gar keine Rolle spielen und werden somit auch nicht in Abu-
Jamals Prozessakten aufgenommen. Auf dieser Grundlage kann gegen die Entscheidung des Richters Yohn vor dem nächsthöheren Gericht in Pennsylvania keine Berufung eingelegt
werden, denn dort wird nur nach Aktenlage entschieden. Das heißt, alle entlastenden Zeugenaussagen und auch das Tatgeständnis von Arnold Beverly haben auch in Zukunft kein
Gewicht.
Aus dem von Mumias Anwälten vorgelegten Habeas-Corpus-Antrag von 1999 und einer erweiterten Version von 2001
wurde nur ein formaljuristischer Grund anerkannt: Die Anweisungen des 1981 das Todesurteil fällenden Richters Sabo an die Geschworenen und das an diese ausgegebene Urteilsformular
bei der Strafzumessungs habe nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen.
Diese noch bis 1989 in einigen Bundesstaaten gültigen Richtlinien hätten die irrtümliche Konsequenz
gehabt, dass mildernde Umstände bei der Strafzumessung nur dann eine Rolle spielen durften, wenn die Geschworenen darüber einstimmig einer Meinung waren. Dies
könnte immerhin noch Folgen haben für die Anfechtung einer Reihe von weiteren Urteilen, die auf diesem Formular beruhen.
Die Reaktionen auf Yorks Entscheidung reichen von Protesten von Rechts, insbesondere der Polizeigewerkschaft Fraternal
Order of Police, bis zum Jubel über den "Erfolg" bei vielen Mitstreiterinnen und Mitstreitern der Solidaritätsbewegung in den USA und Europa. Sie betrachten den
Richterspruch als ein Eingeständnis der amerikanischen Justiz, dass das Todesurteil von 1982 ein Rechtsbruch und rassistisch war.
Bei nüchterner Betrachtung läßt sich leider konstatieren, dass die Entscheidung vom 18.Dezember eine
Farce ist. Vorderstes Ziel war es, ein neues Verfahren zu verhindern. Zudem ist es der Versuch, den weltweit populärsten Kritiker der Todesstrafe mundtot zu machen, aber ohne ihn frei
zu lassen. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Bewegung gespalten wird, d.h. dass sich diejenigen aus der Kampagne für Mumia zurück ziehen werden, die nur für die
Aufhebung der Todesstrafe kämpften. Mumia selbst, so heißt es, will nicht aus dem Todestrakt verlegt werden, da er weiter für seine Freiheit kämpfen und die
Entscheidung von Yohn nicht anerkennen will. Juristisch gilt Mumia Abu-Jamal danach weiterhin als Mörder.
Monika Piendl-Naji
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