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Von der Teilnehmerzahl wie von der öffentlichen Aufmerksamkeit her, die dem 2.Weltsozialforum im südbrasilianischen Porto Alegre zuteil zu
werden verspricht, ist ihm der Erfolg jetzt schon sicher: Die Organisatoren gehen von 50.000 Teilnehmenden aus; ihr Spektrum ist nochmals breiter gestreut als im vergangenen Jahr
insbesondere die im Internationalen Bund Freier Gewerkschaften vertretenen Organisationen haben sich mit zahlreichen Delegationen angekündigt; Parallelveranstaltungen in der Schweiz
(der Gegengipfel "Das andere Davos" bleibt bestehen, obwohl das Weltwirtschaftsforum gar nicht mehr in Davos, sondern jetzt in New York stattfindet), in Deutschland
("Porto Alegre im Westerwald"), in Afrika (Erstes Afrikanisches Sozialforum in Bamako, Mali) und an vielen anderen Orten der Welt garantieren eine weltweite Aufmerksamkeit,
die nicht mehr allein über die Massenmedien hergestellt wird.
Aber auch in den bürgerlichen Medien riskiert das Weltsozialforum das Forum der Reichen (1000 Teilnehmende)
auszustechen, das im vergangenen Jahr in den Blockaden und Straßenschlachten von Landquart und Zürich untergegangen ist.
Das nach dem 11.September patriotisch aufgerüstete Amerika mag ein Refugium für die Mächtigen dieser
Welt sein, das Problem ihres anhaltenden Legitimationsdefizits löst es nicht. Vor New York und Washington gab es Genua, und jetzt gibt es Argentinien.
In dieser Situation wird das Weltsozialforum mehr denn je als Sammelpunkt der Opposition gegen den Neoliberalismus
wahrgenommen und mehr als im vorigen Jahr sind diesmal die Erwartungen darauf gerichtet, welche Alternativen vorgeschlagen werden. Bereits im Vorfeld hat eine Debatte
darüber begonnen, dass eine der größten Herausforderungen des 2.Treffens darin bestehe, diesem Kampf klarere praktische und theoretische Konturen zu geben.
François Houtart vom Centre Tricontinental in Belgien stellte auf einem Vorbereitungstreffen im Juni in São Paulo die
provozierende Frage, ob das Forum ein "Supermarkt der Alternativen" oder Ausgangspunkt für die Erarbeitung politischer Strategien sein wolle, die der Losung "Eine
andere Welt ist möglich" eine Chance auf Verwirklichung geben. Houtart schlug vor, sich dem auf drei Ebenen zu nähern: durch die Festlegung mobilisierender Ziele, durch
eine Annäherung an die Frage, wie die "andere Welt" aussehen soll, und durch die Fixierung eines organisatorischen Ortes der Erarbeitung von Alternativen.
Im Kern wird damit die Bildung einer neuen Internationale vorgeschlagen aber dies trifft längst nicht auf die
Zustimmung aller Organisatoren des Weltsozialforums, ist allerdings auch nicht nur eine randständige Meinung. Zumal auch diejenigen, die einer solchen Perspektive eher aufgeschlossen
gegenüberstehen, eine Verengung des Forums auf eine neue politische "Zentrale" ablehnen.
Der Internationale Rat, die weltweite Koordination des Forums, die zwischen den Konferenzen tagt, hat auf ihrem Treffen in
Dakar Ende Oktober noch einmal einhellig bekräftigt: "Das Forum ist ein Ort des Dialogs und der Vorschläge, an dem die Verschiedenheit aller beteiligten Kräfte
respektiert wird." Es sieht sich als "Bezugspunkt und Stütze für soziale Kämpfe".
Der Internationale Rat appelliert an "alle Kräfte der sozialen Bewegungen, an alle Gewerkschaften und an die
Politiker der verschiedenen Nationen wie auch an die Vertreter der Wissenschaften, aus Porto Alegre einen Moment der Konvergenz von Vorschlägen für Alternativen zum
Neoliberalismus [zu machen], ein Sprungbrett für die sozialen Kämpfe und einen Ausdruck der Hoffnung für alle Völker".
Die Konferenz wird sich um vier große Themen herum strukturieren: Produktion von Reichtum, Zugang zu Ressourcen
und Nachhaltigkeit, Zivilgesellschaft und öffentlicher Raum, Politische Macht und Ethik. Diese in Konferenzen, Seminaren, Arbeitsgruppen und freie Tribünen organisierten parallel
behandelten Themen untergliedern sich noch einmal in jeweils sechs oder sieben Unterthemen, für die Inputreferate vorbereitet werden. Gesonderte Veranstaltungen sind u.a. ein
Weltsozialforum für Kinder, ein Internationales Jugendlager, eine Friedenskonferenz, ein Tribunal für die Schuldenstreichung. Der Aufstand in Argentinien unterstreicht noch
einmal die Brisanz des letzteren Thema.
Es ist zu früh, einen Überblick über die Vielfalt der zu erwartenden Kontroversen zu geben. Sicher scheint,
dass die Gewerkschaftsfrage nebst der Behandlung der internationalen Finanzinstitutionen dazugehört.
Schließlich deutet alles daraufhin, dass es auch im Jahr 2003 wieder ein Weltsozialforum geben wird als
Gastgeberland ist Indien im Gespräch. Der Internationale Rat wird dem Forum darüberhinaus einen Vorschlag machen, in welchen zeitlichen Abständen das Forum
künftig zusammentreten und wie das organisiert werden soll.
Angela Klein
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