SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 11

Krieg erzeugt Krieg

Während den großen Kampagnen gegen die sog. "NATO-Nachrüstung" im Westdeutschland der 80er Jahre wurde der Satz geprägt: "Nach Rüstung kommt Krieg". Die Bilanz des Afghanistan-Kriegs lautet: "Nach Krieg kommt Hochrüstung".
Selten zuvor in der Geschichte des Kapitalismus wurden als Folge eines Terrorakts und mit einem Krieg derart große neue Rüstungsprojekte ausgelöst und derart weitreichende Erhöhungen der allgemeinen Rüstungsausgaben beschlossen, wie dies derzeit erfolgt. Drei Beispiele:
Erstes Beispiel: Ende des Jahres 2000, anlässlich der Amtseinsetzung des neuen Präsidenten der USA, wurde der US-amerikanische Historiker Paul Kennedy gefragt, was aus dem Renommierprojekt National Missile Defense (NMD) werden würde. Er antwortete, seiner Ansicht nach würde demnächst "der Generalstab dem Präsidenten hinter verschlossenen Türen beibringen, dass die Streitkräfte Hightechwaffen brauchen, nicht aber eine Rüstung im All". Ein Jahr später, kurz nach Beginn des Afghanistan-Kriegs, hat der US-Präsident die Realisierung von NMD — nunmehr als MD verkauft — beschlossen; der ABM-Vertrag ist bereits gekündigt. Hightechwaffen werden zusätzlich angeschafft.
Beispiel 2: Im März 2001 ließ US-Verteidungsminister Donald Rumsfeld die wichtigsten Rüstungsprogramme auf ihre Finanzierbarkeit überprüfen. Unter anderem war zu diesem Zeitpunkt völlig unsicher, ob das Kampfflugzeug "Joint Strike Fighter" gebaut werden würde. Dieses Projekt sei, so damals die Financial Times, "shrouded in uncertainity", eingehüllt in Unsicherheit.
Sechs Wochen nach Beginn des Afghanistan-Kriegs waren die Beschlüsse zum Bau dieses neuen Kampflugzeugs unterzeichnet. Das heißt ein Ja zum bis dahin größten geplanten Rüstungsprojekt in der Menschheitsgeschichte: Für eine Waffe, die "nur" 3150 mal gebaut werden soll, sollen mehr als 200 Milliarden US-Dollar ausgegeben werden.
Beispiel 3: Im Februar 2001 präsentierte der neue US-Präsident den Haushaltsentwurf für das Haushaltsjahr 2002 (das im Oktober 2001 begann). Der Ansatz für die Verteidigungsausgaben hatte sich gegenüber 2001, als 296 Milliarden US-Dollar ausgegeben wurden, auf 310,5 Mrd. Dollar deutlich erhöht. Der neue Entwurf des US-Rüstungsetats, der Ende Januar 2002 vorgestellt wurde, sieht Ausgaben in Höhe von 380 Milliarden Dollar oder 432,8 Milliarden Euro vor.
Es handelt sich prozentual um die größte Steigerung des Verteidigungsetats in den letzten 20 Jahren, also seit Präsident Reagan sein Programm zum Totrüsten der Sowjetunion zu realisieren begonnen hatte.
Die drei Beispiele zeigen: Der Afghanistan-Krieg hat die Verhältnisse dramatisch verändert. Tatsächlich scheint gerade für den Kapitalismus die Erkenntnis zuzutreffen, die vor mehr als 2000 Jahren der altgriechische Philosoph Heraklit geäußert hatte: "Der Krieg ist der Vater aller Dinge."
Eine Vaterschaft ist in der Regel nachweisbar. Tatsächlich gibt es für den Krieg als Vater aller Dinge höchst materielle Ursachen. Unmittelbar nach dem Anschlag auf das World Trade Center in New York brachte ein Sprecher des größten europäischen Rüstungskonzerns, der EADS — also dem Rüstungsriesen, in den im Jahr 2000 fast alle DaimlerChrysler-Rüstungssparten integriert wurden — die "Philosophie" der internationalen Rüstungsindustrie mit den folgenden Worten auf den Punkt: "Wir sind in der Lage, uns schnell an Marktveränderungen anzupassen." Der Anschlag vom 11.September und der Krieg ab dem 7.10.2001 hatten schlicht "den Markt" verändert.
National Missile Defense, Joint Strike Fighter und die allgemeine Anhebung der Rüstungsausgaben stellen zusammengenommen ein Hochrüstungsprogramm dar, wie wir es nur in Zeiten der Weltkriege und — im Fall der USA — während des zehnjährigen Vietnamkriegs erlebt hatten. Kaum gab es das US-Ja zu diesen Projekten, folgte auch in Europa das Ja zu größeren Rüstungsausgaben. Unter anderem sollen nun beschleunigt die Militärtransportmaschinen vom Typ A400M beschafft werden.
Die EU will endlich die Militärmittel dafür haben, um Kriege im eigenen Interesse, auf eigene Rechnung, mit eigenen Hightech-Tötungsprodukten führen zu können. Als im Januar 2002 "entdeckt" wurde, dass für die Beschaffung dieser Militärtransporter im Bundeshaushalt mehr als 7 Milliarden Euro "fehlten", da wurde kurzerhand das Parlament erpresst. Eine Mehrheit von SPD und Grünen entschied am 24.1.2002, dass der Bundestag irgendwann in irgendeiner Form die fehlenden Gelder nachschießen werde.
Der Golfkrieg 1990/91, der "Kosovo-Krieg" 1999 und der "Afghanistan-Krieg" 2001 waren Übungen und Waffen-Shows, die auf noch größere Kriege vorbereiten. Im Afghanistan-Krieg wurden erstmals unbemannte und zugleich bewaffnete Flugzeuge vom Typ RQ-1 "Predator" eingesetzt. Die Washington Post meinte, damit sei die "Zukunft des Krieges" getestet worden: die Durchführung eines "Kriegs ohne Menschen". Gemeint ist ein Krieg, in dem die "einzige Weltmacht" den Krieg auf der eigenen Seite wie einen Nintendo-Krieg führt und so gut wie keine eigenen Menschenleben riskiert, während die vielen Opfer der Gegenseite weitgehend ausgeblendet werden.
Bertolt Brechts Friedensappell aus dem Jahr 1952 bleibt beunruhigend aktuell: "Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind! Denn der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie in aller Öffentlichkeit vorbereiten, nicht die Hände zerschlagen werden."

Winfried Wolf

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