SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Februar, Seite 21

Esoterischer Antifaschismus

Invincible, BRD/GB 2001, Buch und Regie: Werner Herzog, Musik: Klaus Badelt, Mit Jouko Ahola, Tim Roth, Anna Gourari, Udo Kier, Hark Bohm u.a.

Ein Film nach einer wahren Begebenheit. Die Geschichte von zwei historischen Figuren — Jan Erik Hanussen und Zishe Breitbart — auf kreative Art neu verbunden. Zwei von drei HauptdarstellerInnen sind Laien. Das sind die Ausgangspunkte des neuen Films des exzentrischen Regisseurs Werner Herzog, einer Ikone des "Neuen Deutschen Films" der 70er Jahre. Berühmt geworden ist Herzog durch die Filme, die er zusammen mit Klaus Kinski realisierte und von denen Nosferatu — Phantom der Nacht ohne Zweifel zu den Meisterwerken der Filmkunst zählt.
In seinem neuesten Film führt Herzog uns in das Berlin des Jahres 1932. In eine Zeit, als die alte/neue Hauptstadt wirklich eine Weltmetropole war, sich jedoch die Machtübertragung an die Nazis schon deutlich abzeichnete. Der Schmied Zishe Breitbart tritt in der Version Herzogs in Hanussens "Theater des Okkulten" als "stärkster Mann der Welt" auf, im Germanenkostüm unter dem Namen Siegfried. Hanussens Publikum, das überwiegend aus Nazis besteht, ist begeistert. Es ahnt nicht, das sowohl "Siegfried" als auch der "dänische Adlige" Hanussen Juden sind. Während Hanussen — in Herzogs Film — mächtiger "Minister des Okkulten" in einer von ihm erhofften Regierung Hitler werden will, versucht Breitbart, dem aggressiven Antisemitismus der Nazis auf seine schlichte Art und Weise etwas entgegen zu setzen: Er tritt nicht mehr als germanischer Recke Siegfried, sondern als jüdischer Held Samson auf. Daraufhin strömen die Mitglieder der jüdischen Gemeinde Berlins massenhaft in Hanussens Theater. Trotz des Erfolges kommt es zum Streit zwischen Breitbart und Hanussen, der vor Gericht endet. Dort wird Hanussen als Jude "enttarnt", was seine Ermordung durch sein bisherigen Nazi-Freunde zur Folge hat. Breitbart begibt sich daraufhin wieder nach Polen, um dort die Juden vor der drohenden Vernichtung durch die Nazis zu warnen, die er in einem Traum vorhergesehen hat. Niemand glaubt ihm und schließlich stirbt er an einer Blutvergiftung. Soweit die Biografie dieser beiden historischen Personen in der Version von Werner Herzog.
Interessant ist die Besetzung des Films: die Rolle des Zishe Breitbart wurde mit dem Finnen Jouko Ahola besetzt, der 1997 und 1999 den Titel "stärkster Mann der Welt" gewann. In der Rolle von Hanussens Freundin Marta Farra ist die Pianistin Anna Gourari zu sehen. Für beide ist es ihr Filmdebüt. Lediglich die Rolle des Hanussen ist in Gestalt von Tim Roth mit einem Vollprofi besetzt. Bei Herzog, der für sein Bemühen um Authentizität bekannt ist, müssen Kraftmenschen von Kraftmenschen und Pianistinnen eben von Pianistinnen gespielt werden. Der Film wird dadurch nicht glaubwürdiger. Zishe Breitbart ist im Film eine Art Simplicissimus, der einfältig und reinherzig durch die Welt stolpert, ohne sie recht zu begreifen. Hanussen ist ein skrupelloser Machtmensch und Marta Farra ist die leidende und hilflose Schöne. Bei so eindimensionaler Charakterzeichnung braucht es keine professionellen SchauspielerInnen.
Herzogs esoterischer Antifaschismus ist so hilflos und so offensichtlich von vorneherein zum Scheitern verurteilt, dass der historische Hintergrund eigentlich sowieso unwichtig wird. Er wird zur reinen Kulisse, in der die tragische Geschichte des Propheten und Sehers — der reinen Herzens ist, auf den aber niemand hört — in Szene gesetzt wird. Wir haben es also mit einem Kostümfilm zu tun, in dem die Komparsen quasi zufällig Nazi-Kostüme tragen und in dem mit sehr viel Pathos eine letztlich unglaubwürdige melodramatische Geschichte erzählt wird. Allenfalls die Musik ist beeindruckend.

Andreas Bodden

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