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Israels Polizeiminister nannte Sharons erstes Regierungsjahr in Sachen Terror das rekordträchtigste in der Geschichte Israels. Über 200 Israelis und
fast 1000 Palästinenser sind umgebracht worden. Es mehren sich jedoch die Zeichen von wachsendem Unmut in Israel selbst. So gibt es die bedeutende Gruppe Yesh Gvul in der
doppelten Bedeutung von "Schluss damit" und "Es gibt eine Grenze". "Das ist keine moralische, sondern eine politische Position", erklärt einer ihrer
Führer, Perez Kidron, "weil wir Menschen unterstützen, die bereits in der Armee sind." Für Kidron sind die "Grenzen" klar bestimmt. "Unser
Ausgangspunkt ist der Soldateneid, in dem es heißt: 'Wir schwören, den Staat Israel zu verteidigen. Das aber schließt weder die Besetzung des Libanon ein, und auch
nicht die Unterdrückung der palästinensischen Bevölkerung."
Die Kampagne von Yesh Gvul ist politisch und hat die Beendigung der Besetzung zum Ziel. "Ohne dies", so
Kidron, "kann es keinen Frieden geben." Darum sollen die Soldaten aufstehen und erklären, sie würden sich "an ihrem Krieg nicht beteiligen", darum
wollten sie keiner Besatzungsarmee angehören. In diesem Sinne sind ihre Flugblätter abgefasst, die sie in Ausbildungslagern der Soldaten verbreiten und in denen sie auch daran
erinnern, dass Kriegsverbrechen strafbar sind.
Im Libanonkrieg gingen 168 Verweigerer ins Gefängnis, während der ersten Intifada waren es 200. Wenn es
diesmal nur 20 sind, dann vor allem, weil die Armee es vorzieht, Verweigerer "umzubesetzen", um durch Verhinderung der Bekanntgabe der Verurteilung zu Gefängnisstrafen
keine Nachahmer hervorzurufen.
Wenn aber Kidron noch im Dezember 2001 erklärte: "Die Mehrheit glaubt immer noch, es gehe in diesem Krieg
um Israels Überleben. Bis die Menschen entdecken, dass sie belogen werden und es eine Alternative gibt, und solange sie denken, es gebe auf der anderen Seite keinen Partner für
Frieden, wird sich nichts ändern. Darum bin ich kurzfristig gesehen nicht optimistisch", trat im Februar 2002 eine überraschende Wende ein.
In einer selbstfinanzierten Anzeige kündigten 52 Offiziere und Soldaten der Reserve an, sie würden ab sofort jeden
Einsatz in den besetzten palästinensischen Gebieten verweigern. Obwohl sie als "Verräter" und "Feiglinge" beschimpft wurden, hat sich ihre Zahl
mittlerweile verdreifacht.
"Wir, die immer an der Frontlinie gedient haben und stets die ersten waren, jede Mission, ob leicht oder schwer zu
erfüllen, um den Staat Israel zu stärken", heißt es in ihrem Manifest, "werden nicht jenseits der Grenzen von 1967 kämpfen." Weder seien sie bereit,
"den Krieg um Siedlungen zu führen", die irgendwann sowieso geräumt werden müssten, noch seien sie willens, die gesamte palästinensische
Bevölkerung "zu beherrschen, zu vertreiben, auszuhungern und zu demütigen".
Kurz darauf riefen 28 Friedensgruppen zu einer Kundgebung in Tel Aviv unter dem Motto "Die Besetzung bringt uns alle
um" auf. Zur allgemeinen Überraschung beteiligten sich über 15000 Israelis und Palästinenser an dieser Demonstration. Uri Avneri von Gush Shalom, der die Reihe der
Redner eröffnete, verlas eine Grußbotschaft des palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat, die begrüßt wurde. Der Friedensblock habe früher
erklärt, so Avneri, die Besetzung der palästinensischen Gebiete erzeuge Verbrechen. "Heute, nach einem Jahr der Sharon-Regierung betonen wir, dass die Besetzung selbst
zum Kriegsverbrechen geworden ist, die den Willen des israelischen Volkes, Frieden mit den Palästinensern zu erreichen, mit allen Mitteln hintertreibt." Alle, die mit in dieser
Regierung sitzen, insbesondere Außenminister Peres und Kriegsminister Ben-Elieser von der Arbeitspartei, müssten als Mitschuldige angesehen werden.
Wenn sich auch diesmal noch nicht Hunderttausende an der Friedensdemonstration beteiligen, die seinerzeit den Abzug der
israelischen Armee aus dem Libanon sowie die Absetzung von Kriegsminister Sharon erzwangen, so gewinnt doch die Friedensbewegung in Israel wenn auch langsam an
Stärke.
Wenn Außenminister Fischer den Palästinensern nichts anderes anzubieten hat als den Vorschlag, allgemeine
Wahlen durchzuführen, bleibt sie weit hinter der Friedensbewegung zurück, die nicht nur die Beendigung der Besetzung und des Krieges um Siedlungen fordert, sondern auch der
Vertreibung, Aushungerung und Demütigung des palästinensischen Volkes.
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