SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2002, Seite 18

Anleihen bei der Neuen Rechten

Wann kündigt die SoZ dem albanischen Nationalismus die Solidarität?

"Deutschland im Krieg" titelte die Januarausgabe der SoZ zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Fettgedruckt ist die Rede von "der ersten deutschen Kriegsmission seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges". Reißerischer Text, aber Afghanistan ist eben nicht die erste (!) Kriegsmission der Bundeswehr! Oder war der Einsatz 1999 über Jugoslawien eine Friedensmission?
Nein, nein", hieß es in der Redaktion, "ein Versehen!" Die Berichtigung folgt "In eigener Sache" auf Seite 2 der Februarausgabe. Zitat: "Mehrfach wurden wir angesprochen, dass unsere Formulierung ... erste deutsche Kriegsmission ... missverständlich sei. (Stichwort: Kosovo Einsatz). Das stimmt, wir meinten dabei natürlich die Tatsache des bewaffneten Kampfeinsatzes." Hoppla! Die korrigierte Falschbehauptung kommt in verschärfter Form zurück. Der Jugoslawienkrieg "kein bewaffneter Kampfeinsatz"? Sind Bomben, Minen und Bundeswehr-Tornados keine Waffen? Sind Angriffe auf Städte, auf militärische, öffentliche und zivile Einrichtungen, auf Menschen "keine Kampfeinsätze"?
Auch dies wäre als redaktionelle Fahrlässigkeit noch entschuldbar, gäbe es in der SoZ nicht seit Jahren eine Tradition, die schrittweise Zerstörung Jugoslawiens als Staat zu befürworten und im Kosovo-Krieg eine gerechte Seite auszumachen: die albanischen Nationalisten. Max Brym gilt in der SoZ-Redaktion (Gott sei Dank, nur dort) als ausgewiesener Kosovo-Kenner. Auf einer ganzen Seite der letzten Nummer (Februar) legte er wieder einmal dar, warum die Nachfolgeparteien der UCK als "demokratisch" und "sozialliberal" zu gelten haben.
In dem als "Wahlanalyse" bezeichneten Artikel behauptet Brym, Ibrahim Rugovas LDK habe die politische Schlüsselstellung unter den Kosovo-Albanern verloren. Aber genau diese vergleichsweise zivile Partei, die mit der serbischen Minderheit kooperiert, erzielte immerhin 46% der Stimmen. Die von Brym bevorzugten Nationalisten blieben in der Minderheit. Der Autor bekämpft namentlich die UN-Resolution 1244, wonach Kosovo formal ein Teil Jugoslawiens bleibt und er kritisiert die NATO ausschließlich deshalb, weil militärische Macht und staatliche Hoheitsrechte nicht vollständig an Albaner übertragen sind. Damit das für eine sozialistische Strömung verdaubar bleibt, konstruiert Brym eine besondere Klassenlage der "albanischen" Bergarbeiter im Kosovo, macht die Albanisierung des Kombinats Trepca zum zentralen Kettenglied des Klassenkampfes, lastet die Arbeitsplatzvernichtung den Serben an und fordert im Gegenzug die Zerstörung serbischer Einrichtungen durch die UNMIK-Verwaltung. Der im Kosovo lebende Serbe an sich wird bei Brym zur "Parallelstruktur" mit "schnöden wirtschaftlichen Interessen". Brym verschweigt, dass seit Kriegsende schon über 300.000 Menschen nichtalbanischer Herkunft aus dem Kosovo vertrieben wurden. Über Jahre sympathisierten Beiträge in der SoZ mit einer vom Westen hochgerüsteten Terrortruppe, deren programmatisches Ziel "Großalbanien" nur mit ethnischen Säuberungen und Krieg zu machen ist. In meiner unmittelbaren Nachbarschaft erlebte ich 1999 den Krieg der UCK mit - wie Flüchtlingsfamilien ihre minderjährigen Söhne vor den Drückerbanden der UCK verstecken mussten und deshalb als "Verräter am albanischen Blut" bedroht wurden.
Hier nur vier Beispiele zur redaktionellen Erinnerung:
SoZ 25/98: Gérard Billy fordert die revolutionäre Linke zu grundsätzlicher Solidarität mit der Befreiungsarmee UCK auf.
SoZ 3/99 (Übernahme aus Rouge): Sechs Wochen vor Kriegsbeginn verharmlost Catherine Samary die hochgerüstete UCK als "politische Kraft unter anderen". Sie fordert die Ersetzung der jugoslawischen Republik durch einen Staatenbund.
SoZ 5/99: Drei Wochen vor Beginn der Bombardierungen Jugoslawiens stellt der damalige verantwortliche Redakteur (hgm) die UCK auf eine Stufe mit den klassischen Befreiungsbewegungen Vietkong, PLO, ANC. Linke UCK-Kritiker werden als "Moskau-Peking-Tirana-geschädigte Linke" mit "Irrungen und Wirrungen" abgetan. Die UCK dürfe keinesfalls als ethnoterroristisch eingestuft werden.
SoZ 10/99: Zwei Seiten über die "albanische nationale Bewegung in Kosova" von Geoff Ryan (Übersetzung: A. Klein), gespickt mit Geschichtsrevisionismus. Mussolinis Besatzung wird aus der Sicht "Kosovas" gelobt. Organisationen der albanischen Kollaboration mit der deutschen Besatzung werden als "nicht pronazistisch" eingestuft, obwohl diese als Hilfsorganisationen der SS-Freiwilligendivision "Skanderbeg" wüteten. Der Begriff "albanischer Widerstand" wird nicht für antifaschistische Kräfte, sondern für kollaborierende Gruppen verwendet, die nach dem Abzug der deutschen Truppen 1944 aufgelöst wurden. Bedient werden neurechte Geschichtslügen, wonach die Hitlertruppen im zweiten Weltkrieg die Emanzipationsbestrebungen der Balkanvölker gestützt hätten. Die Unterschiede zwischen profaschistischen Nationalisten und dem antifaschistischen albanischen Widerstand verwischen völlig. Auch offener Antislawismus wird sichtbar: Der Analphabetismus im Kosovo des Jahres 1945 (!) wird von Ryan nicht der Besatzung, nicht den feudalen Strukturen zugeordnet, sondern der Tatsache, "dass die meisten Beamten Slawen waren".
Vergesslichkeiten in Sachen dritter Jahrestag des Kosovo-Einsatzes der Bundeswehr könnten für manche Anlass sein, ein rein nationales Verständnis des Selbstbestimmungsrechtes endlich durch ein soziales, demokratisches und multinationales Menschenrechtsverständnis zu ersetzen und die Solidarität mit der UCK zu beenden.

Bernhard Strasdeit

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