SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, März 2002, Seite 22

München

Kesseltreiben während der Sicherheitskonferenz

Die Münchener Sicherheitskonferenz Anfang Februar war keine NATO-Konferenz, auch wenn vergleichbare Personen zum NATO-Gipfel kamen und in München NATO-Entscheidungen getroffen wurden. Beispielsweise wurde hier beschlossen, dass die Türkei die Führungsfunktion der Friedenssicherungstruppen in Afghanistan übernimmt, wenn die Briten diese Aufgabe im Frühjahr abgeben.
Die Sicherheitsheitskonferenz, früher Wehrkundetagung, wird seit 1962 von der BMW-nahen Herbert-Quandt-Stiftung organisiert. Hier soll mit US-Militärstrategen, Vertretern von US-Kongressen, Verteidigungs-, bzw. Sicherheitsexperten und Ministern aus Europa ein vertiefter Meinungsaustausch über die Entwicklung des transatlantischen Verhältnisses sowie der europäischen/globalen Sicherheit geführt werden.
Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, soll die Münchner Sicherheitskonferenz für Spitzenvertreter der Verteidigung sein. Europa und die USA beanspruchen für sich das Recht auf ungehinderten Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt. Wie dieser ungehinderte Zugang möglichst unter dem Vorwand der Verteidigung von Menschenrechten und im Namen der Zivilisation, organisiert wird, wurde in München beratschlagt. Nach dem Treffen in München hatte es deshalb der NATO-Generalsekretär Robertson eilig, nach New York zu reisen, wo das "Davoser" Weltwirtschaftsforum in diesem Jahr ausnahmsweise stattfand.
Obwohl die Konferenz der Freiheit und Sicherheit dienen sollte, zeigten die Ereignisse in der Münchener Innenstadt einen anderen Geist. Fast alle Aktivitäten der Konferenzgegnerinnen und -gegner wurden verboten. Trotz des Verbotes sind während der drei Tage bis zu 10000 Demonstrierende nach München gereist, aufgerufen durch das Münchner "Bündnis gegen Rassismus" und den Arbeitskreis Internationalismus des AStA der Geschwister-Scholl- Universität München. Ein martialisches Polizeiaufgebot, das bayrische Sondereinsatzkommando USK und Zivilbeamte begleiteten die unorganisierten und verstreuten Demonstrationen. Die Blockaden der Demonstranten endeten meist mit einer Gegenblockade durch die Polizei, die die Innenstadt teilweise absperrte. Überraschend war es am Samstagnachmittag gegen 15 Uhr rund 1000 Demonstrierenden gelungen, den zweireihigen Polizeikessel aufzubrechen.
Durch das ganze Vorgehen hat sich München international zum konservativen Maulkorb gekürt. Peinlich ist nun auch, dass die angekündigten gewaltbereiten Demonstrierenden ausgeblieben sind. Auch wenn sich die Münchener Regierungselite noch so sehr ein paar eingeschlagenen Fensterscheiben gewünscht hätten, den Gefallen haben ihnen die Aktiven aber nicht getan. Zweifelhafter Höhepunkt des Ganzen, als die Polizei das DGB-Haus, in dem die einzig genehmigte Veranstaltung stattfand, für einige Stunden blockiert wurde und niemand mehr raus und herein konnte.
Die Bilanz von München: eine schwer verletzte Demonstrantin, die durch einen USK-Einsatz überrannt wurde, und fast 900 Inhaftierte. 60 Personen u.a. auch aus dem Kreis der Organisatoren, wurden für den gesamten Verlauf der Veranstaltungen gefangen gehalten. Mehrere Busse wurden nach stundenlangen Observationen und Schikanen nicht nach München hereingelassen.
Friedenstiftende Worte und Appelle waren auf der Sicherheitskonferenz nicht zu hören. Der Grundtenor bei den Reden von Scharping, Stoiber und dem NATO-Generalsekretär Robertson war, die NATO auszubauen und gemeinsam auf den internationalen Terrorismus zu reagieren. Die UN, der Weltsicherheitsrat oder das internationale Völkerrecht hatte in den Reden der Teilnehmer der Sicherheitskonferenz keine relevante Bedeutung. Im Gegenteil: Vizeverteidigungsminister Wolfowitz war sich sicher, dass die USA nicht einmal ein UN-Mandat für weitere "Verteidigungs"maßnahmen bräuchten.

Christiane Niesel

Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04


LeserInnenbrief@soz-plus.de
zum Anfang