SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2002, Seite 2

Leserbriefe & Debatte

Januar-März 2002



Echt gut!

Betr.: SoZ-Neustart

Gratulation zum Neustart der SoZ, finde ich echt gut! Noch stärkere Berücksichtigung neuerer theoretischer Ansätze als Beitrag zur Neuformierung der Linken fände ich noch besser! [Helmut] Dahmer [Nr.2/02] war Klasse! Schlecht finde ich, dass Ihr die üble Praxis des Weglassens von Urheberverweisen bei Fotos wieder angefangen habt. Schöne Grüße
Peter Empl, Karlsruhe

Sachlich fundiert

Betr.: SoZ-Neustart

Mit Interesse habe ich die beiden Probeexemplare Ihrer SoZ gelesen, die Sie mir anlässlich der Neuorganisation Ihrer Zeitschrift als ehemaligem Abonnenten zusandten. Viele Ansätze finde ich lobenswert, z.B. dass Sie nicht im Strom mitschwimmen und auch den allgemeinen Konsens in vielen Punkten kritisch und oft sachlich fundiert hinterfragen.
Ich war selbst einige Jahre in der SPD und bei den Jusos politisch engagiert, aus dieser Zeit stammt auch noch mein früheres Abo. Ich schreibe Ihnen aber nicht, um Ihre Zeitschrift zu abonnieren, da ich mich aus der politischen Aktivität und auch Diskussion zurückgezogen habe. Dies liegt darin begründet, dass ich Frieden in der Unterwerfung unter Gott und in der Erkenntnis des Herrn Jesus Christus als seinem Sohn erlangen durfte.
Manuel Peters, Köln

Befreiungstheologie

Betr.: Theo Pirker, SoZ 3/02

Christoph Jünkes "Nachruf" auf Theo Pirker erinnert an einen Nonkonformisten, wie ihn die deutsche Nachkriegsrepublik nur allzu selten vorzuweisen hatte. Der Leserschaft der SoZ sollte allerdings ein weiterer Aspekt des Lebenswerkes Pirkers nicht vorenthalten werden. In den ersten Jahren der Nachkriegszeit war Pirker einer der herausragenden Protagonisten einer katholischen Theologie der Befreiung. Er war damit einer der damals zahlreichen westeuropäischen Vorläufer der später in Lateinamerika zu Berühmtheit gelangten Befreiungstheologie. Noch heute mag seine, 1949 in den Frankfurter Heften erstmals veröffentliche "Kleine Arbeitstheologie" Denkanstöße vermitteln. Der vorletzte Abschnitt seiner arbeitstheologischen Thesen endet mit dem folgenden, unmissverständlichen Satz: "Die Revolution in christlicher Sicht muss die permanente Revolution sein gegen die Systeme der Ausbeutung und Unterdrückung, gegen die Vergötzung des menschlichen Geistes."
P.S. Ich genieße zur Zeit die Sozialistischen Hefte. Ich wünsche euch hoffentlich viel Erfolg damit!
Gerd-Rainer Horn,Coventry/GB

Recht auf nationale Befreiung

Betr.: Beiträge von K.Reitter und B.Strasdeit in SoZ 3/2002

K.R. und B.S. schütten beide das Kind mit Bad aus. Ihre im Einzelnen möglicherweise zutreffenden Kritiken nutzen sie für ein Plädoyer für die Leugnung des Rechtes der muslimischen Kashmiri bzw. Albaner in Kosova auf nationale Selbstbestimmung. K.Reitter leugnet eine nationale Unterdrückung in Kashmir. Er übersieht dabei einige historische Fakten. Nachdem die indische Armee auf Bitten des hinduistischen Dogra-Königs in Kashmir einmarschiert war, um einem pakistanischen Vorstoß zu begegnen, versprach Nehru, dass die Entscheidung des Königs, in die indische Union einzutreten, später der Bevölkerung zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Das jedoch geschah wohlweislich nie. 1953 unterdrückte die indische Regierung den 20 Tage andauernden Generalstreik gegen die Absetzung des 1951 gewählten linksnationalistischen Regierungschefs der Region Sheikh Abdullah blutig und tötete dabei an die 1000 Kaschmiri. Von den in der Folgezeit von New Delhi nach Kashmir geschickten Gouverneure ging einer sogar so weit zu erklären: "Jeder Muslim in Kashmir ist heute ein Kämpfer … Die Kugel ist die einzige Lösung für Kashmir." Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, wenn eine Umfrage des Economist 1995 ergab, dass 75% der Bevölkerung Kashmirs den Kampf für die Unabhängigkeit unterstützen. Die von K.Reitter aufgeworfenen Frage, worin denn konkret die Unterdrückung der Kashmiris bestehe, ist so sekundär.
Das Gleiche gilt im Kern für die Ausführungen von B.Strasdeit. Unabhängig von der Frage, ob die Unabhängigkeit Kosovas irgend einen proletarischen Charakter hat wie Max Brym angeblich andeutete, hat der positive Bezug B.Strasdeits auf irgendwelche Resolutionen der Höhle imperialistischer Räuber — der UNO — ganz sicher keinen. Selbstredend ist die UÇK wie alle nationalen Befreiungsbewegungen eine bürgerliche Kraft und verhält sich, was ethnische Säuberungen anbelangt, entsprechend z.B. ihren ungenannten Vorbildern in Polen, der Tschechoslowakei und Jugoslawiens nach dem Zweiten Weltkrieg. Dass die UÇK anders als die von B.S. aufgeführten "klassischen Befreiungsbewegungen" mit Hilfe des westlichen Imperialismus hoch kam und siegte, liegt nicht an ihrem grundsätzlich von diesen unterschiedenen Klassencharakter (man beachte die Politik von PLO, ANC etc. nach Machtantritt), sondern in erster Linie daran, dass der stalinistische Ostblock nicht mehr als Unterstützer in Frage kam. Weiterhin: im Hinblick auf Strasdeits empörten Hinweis auf den Unterschied zwischen "profaschistischen Nationalisten" und dem "antifaschistischen albanischen Widerstand" sei daran erinnert, dass unmittelbar nach der Vertreibung der deutschen Besatzer ein von albanischen Nationalisten — auch solchen, die gegen die Wehrmacht gekämpft hatten — und einem Teil der KP-Anhänger getragener Aufstand gegen den Verbleib von Kosova bei Serbien Ende 1944 unterdrückt und die kosovarische Sektion der KPJ auf bürokratische Weise "entalbanisiert" wurde.
In den folgenden Jahren hatten insbesondere die albanischen Kosovaren, denen während des Krieges von Tito die Selbstbestimmung versprochen worden war, unter dem Polizeiregime von Innenminister Rankovi´c, eines ausgewiesenen serbisch-chauvinistischen Stalinisten, zu leiden. Ein bürgerlicher Nationalstaat Kosova unter Führung von wem auch immer hat ebenso wenig einen fortschrittlichen Inhalt wie der jugoslawische Staat es hat. Beide sind nur als Anhängsel des Imperialismus möglich. Daraus aber mit einem nebulosen Hinweis auf andere wünschenswerte und notwendige Freiheiten das Recht auf Beendigung der so von der Mehrzahl der Bevölkerung empfundenen nationalen Unterdrückung zu leugnen, geht doch etwas weit.
Eine eventuelle Solidarität mit der UÇK (oder der PLO oder der FSLN etc.) darf sich natürlich nicht auf deren bürgerliches und deshalb letztlich notwendigerweise proimperialistisches Programm beziehen, sondern lediglich taktisch auf ihren Kampf gegen die unmittelbare Unterdrückung. Im Fall der UÇK hatte sie in dem Augenblick ihr Ende zu finden, wo diese Teil des imperialistischen Krieges gegen Serbien wurde. Das Recht der albanischen Kosovaren aus dem jugoslawischen Staatsverband auszutreten und dafür notfalls Krieg zu führen, bleibt davon unbetroffen. Auch hier können sich Sozialisten nicht gegen die arbeitenden Massen der — auch national — Unterdrückten stellen. Ihre notwendige Kritik an den bürgerlichen Irreführern dieser Massen wird nur gehört werden können, wenn die Massen die Sozialisten nicht im Lager ihrer — nicht minder bürgerlichen — Unterdrücker orten.

Anton Holberg, Bonn

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