SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2002, Seite 4

Tod fürs Vaterland

Soldat sag nein

von Bernd C. Hesslein

Dass innerhalb eines Tages zwei Matrosen der Bundeswehr in der Ostsee ertranken und in Afghanistan zwei Feuerwerker bei einer Explosion ums Leben kamen, wäre in Zeiten des Kalten Krieges als bedauerliche Abfolge von zwei Betriebsunfällen herunter gespielt worden. Jetzt, da sich die Bundesrepublik an der Seite die kriegführenden USA gedrängt hat, bekommt das Unglück vom Hindukusch sofort eine tragische Note. "Tod in Kabul" titelten die Medien stilgerecht und die Bundeswehr gab den sterblichen Überresten der getöteten Sprengexperten ein militärisches Geleit der Klasse Tod fürs Vaterland.
Wenn in Zeiten des Krieges Soldaten sterben, wird das gleich zu einer nationalen Angelegenheit. Dann bekommen Minister trauergedämpfte Stimmen. Dann wird Ehrensalut geschossen und die Fahne auf Halbmast gesetzt. Dann übertönt das Lied vom guten Kameraden unpassende Fragen, etwa nach dem Abenteuer Afghanistan. Dass dort unbewaffnete Helfer der Vereinten Nationen und anderer Hilfsorganisationen unter dem "freundlichen Feuer" der US-Bomben ihr Leben buchstäblich verloren haben, ist noch nie ein Thema gewesen.
Die Unversehrheit des Soldaten, seine Sicherheit vor allem anderen, ist den Politikern und Militärs der Zivilgesellschaft wichtig geworden. Bloß keine bodybags und keine Zinksärge. So liefern jetzt die Zivilisten das Kanonenfutter. Diese absurde Umkehrung — die weitgehende Unverwundbarkeit des Soldaten in seiner marsmenschenähnlichen Montur und die absolute Verletzlichkeit der Zivilisten — machen aus dem einst tapferen Krieger, der die Hilflosen und gebrechlichen schützt, einen tötenden Feigling — a killing whimp, wie die US-Amerikaner sagen, die selber diesen Typus hervorgebracht haben.
Die Kriegsindustrie half den Machtpolitikern im Weißen Haus aus dem Dilemma heraus, weiterhin nach eigenem Gusto zu führen, doch die Verluste an Soldaten gegen Null zu halten. Distanzwaffen wie Cruise Missiles und Smart Bombs haben es möglich gemacht. Sie bestimmen seitdem Art und Ausmaß der von den USA geführten Interventionskriege. Die Soldaten der zurzeit kriegerischsten Macht sehen nur noch selten das Weiße im Auge ihrer gewählten Feinde. Sie töten aus weiter Ferne. Der Krieg ist für sie nicht mehr als das Moorhuhnschießen am häuslichen Computer. Eine Frage von Ehrgeiz und Geschicklichkeit. Kein Blut, keine Toten, keine Hilfeschreie, kein Risiko mehr auf der eigenen Seite. Sterben tun nur noch die anderen.
"Süß und ehrenvoll ist es, für das Vaterland zu sterben". Das war schon immer ein Etikettenschwindel. Und auch die weniger lyrische Formulierung "humanitäre Intervention" kaschiert nur, dass es bestenfalls um Pannenhilfe für gescheiterte Politik geht.
Die Allmachtsfantasien der Politiker, die Vernichtungsstrategien der Militärs und das unterschiedslose Töten mit Distanzwaffen — Gründe genug für Soldaten, nicht immer wieder zu Diensten zu sein.

Erschien zuerst in der Zweiwochenschrift "Ossietzky", Nr.6, 2002


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