SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2002, Seite 5

Die Berliner Bankgesellschaft

Ein Lehrstück zur politischen Ökonomie der Hauptstadt

Berlin liegt in Argentinien und im Kreditgewerbe herrschen japanische Verhältnisse. So ließe sich durchaus treffend die Pleite der Stadt Berlin und ihrer Bank umschreiben. Pleiten, Flops und Vetternwirtschaft haben in (West-)
Berlin eine lange Tradition. Der Bankrott der Bankgesellschaft stellt aber alles Bisherige locker in den Schatten. Dagegen sind die Verluste der Herstatt-Bank nicht mehr als die berüchtigten "Peanuts". Allein die Enron-Pleite in den USA kann beanspruchen, in der gleichen Liga zu spielen — sowohl hinsichtlich der Kapitalvernichtung als auch bezüglich der kriminellen Verfilzung zwischen Geld und Politik.
Begonnen hatte alles 1994 mit der Gründung der Bankgesellschaft Berlin AG (BGB), unter deren Holding-Dach die einzelnen im Landesbesitz befindlichen Banken zusammengefasst wurden. Darunter befand sich auch die öffentlich-rechtliche Landesbank Berlin (LBB), für die das Land als Gewährträger haftet. Eine bundesweit einmalige Konstruktion, die der Finanzsenator Sarrazin (SPD) parteiintern heute als Werk geistig Gestörter bezeichnet.
"Mit der Gründung einer eigenen Berliner Großbank wird ausschließlich ein Nährboden für krumme Geschäfte geschaffen, bei der es keine Trennung von Politik und privaten Geschäften geben wird." Als Michaele Schreyer, seinerzeit finanzpolitische Sprecherin der Grünen, diese Vermutung im Sommer 1994 äußerte, konnte sie kaum ahnen, dass es noch schlimmer kommen könnte. Maßgeblicher Strippenzieher bei der Gründung war der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky, der sich auch gleich einen Direktionsposten bei der Bankgesellschaft und die Verantwortung über das gesamte Immobiliengeschäft der Holding sicherte. Es kommt hinzu, dass durch die Holding-Konstruktion die gesunde Sparkasse die äußerst marode Berliner Bank und ihre Tochter Berlin Hyp vor dem Konkurs rettete.
Obwohl 1994 die Träume blühender Landschaften in Berlin und Ostdeutschland längst zerstoben waren, setzte die Berliner Politik bekanntermaßen weiter auf Boom und "Global City". Die Bankgesellschaft war gleichfalls ambitioniert und wollte im Konzert der Großbanken mitspielen. Strategischer Hebel war das lukrative Immobiliengeschäft, in dem die Immobilientöchter der Bankgesellschaft (IBG, IBAG) aggressiv versuchten, im Marktsegment Immobilienfonds die Marktführerschaft zu erringen.
Auf dem Höhepunkt der Berliner Immobilienblase wurde im großen Stile überteuert eingekauft. Als die Blase platzte waren die eingekauften Grundstücke oftmals nicht einmal mehr die Hälfte wert. Die Bankmanager schrieben die Verluste nicht ab, sondern traten die Flucht nach vorne an und gaben richtig Gas, indem sie immer neue Fonds auflegten und mit dem frischen Kapital die alten Schulden deckten. Ein gigantisches Schneeballsystem, dass nur Verluste machen konnten.
Erstens lag der durchschnittliche Preis der Immobilien, die oftmals von CDU-Unternehmern gekauft wurden, um das Zwei- bis Dreifache über dem Marktüblichen. Die Bank haftete aber für die Mieteinnahmen in vollem Umfang bis zu 30 Jahren. Zweitens wurden nur 38% des Fondsvolumens von den Fondszeichnern erbracht. 62% wurden durch Bankkredite — und hier vorrangig der Bankgesellschaft — finanziert. Die Kredite wurden wiederum zu überhöhten Zinssätzen vergeben. Ein blendendes Geschäft. Allerdings ein Scheingeschäft. Denn die Bankgesellschaft bürgte nicht nur für die Verzinsung, sondern auch für die Rücknahme eines maximal halbwertigen Projekts. Diese Fondskonstruktion wurde auch bei wichtigen Stadtentwicklungsprojekten des Landes angewandt. Im Fall der Wasserstadt Spandau ergibt sich ein jährlicher Verlust nur aus der Finanzierung von 16,4 Mio. Euro.
Für die Fondszeichner war es immer ein lohnendes Geschäft. Wer beim LBB Fonds 9 100000 Mark einzahlte, erhielt sofort 46000 Mark vom Finanzamt als Verlustabschreibung zurück. Die Bankgesellschaft garantierte auf 29 Jahre 6% (ansteigend auf 8%) Zinsen. Werden die Zinsen auf die tatsächlich eingezahlten 54000 Mark berechnet, sind das bis zu 15%. Und nach 29 Jahren bekommt der Zeichner noch 115000 Mark ausgezahlt. Wohlgemerkt: Das ist einer der "öffentlichen Fonds". Aber "öffentlich" gilt natürlich nur eingeschränkt: Nur wer über die nötige Steuerprogression verfügte (z.B. 200000 Mark brutto im Jahr) profitierte richtig. Bei den internen Fonds, die nur von Bankern und Promis gezeichnet werden konnten, war die Verzinsung noch deutlich höher. Allein die steuerliche Verlustzuweisung betrug beim sog. Gardelegen-Fonds, der auch von Heidemarie Wieczorek-Zeul gezeichnet wurde, 208%. Nach nur drei Jahren erhielten die Zeichner ihre angelegte Summe vom Finanzamt voll und ganz zurück.
Neben diesen kriminellen Fonds waren Gefälligkeitskredite an Parteifreunde, die mit Parteispenden honoriert wurden (z.B. der AUBIS Parteispendenskandal, mit dem alles ins Rollen kam), gang und gäbe. Die Schäden des Landes summieren sich allein im Fall AUBIS konservativ geschätzt auf mindesten 800 Millionen Euro.
Intern geben Ex-Manager der Bankgesellschaft inzwischen unumwunden zu, dass die Bankgesellschaft als ganzes kaum noch sanierbar sei. Und das, obwohl bereits im Jahr 2001 das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BAKred) eine Kapitalerhöhung von zwei Milliarden Euro erzwang. Zusätzlich beschloss der Senat im Dezember 2001, alle Immobilienrisiken zu übernehmen.
Im Februar diesen Jahres wurde deutlich, um welche Dimensionen es sich dabei handelt. Auf einer Pressekonferenz bezifferte der Finanzsenator die Risiken bis zum Jahr 2030 im "worst case" auf bis zu 35,34 Mrd. Euro — mehr als die derzeitige Gesamtverschuldung Berlins. Dagegen plant der Senat mit einem Mittelwert von 3,73 Mrd. Euro, ohne auch nur ansatzweise erklären zu können, wie dieser Wert ermittelt wird.
Einziges Problem des Senats: Damit frisches Kapital fließen kann, wird ein Beschluss des Abgeordnetenhauses zur Risikoübernahme benötigt. Das ganze hat nur einen Haken: Es geht nicht um die Absicherung von Krediten, für die das Land tatsächlich haften müsste, wenn die Bankgesellschaft in Konkurs ginge. Vielmehr geht es um die vorläufige, kurzfristige Sicherung des Betriebs der Bank durch Übernahme aller Verbindlichkeiten der Bankgesellschaft und ihrer Töchter und zwar auch dann, wenn das Land für deren Verbindlichkeiten nicht haftet.
Nach Ansicht des parteilinken SPD-Abgeordneten Lorenz müsste eine Risikoübernahme nur für die Verpflichtungen der LBB ernsthaft geprüft werden. Das hätte den Konkurs der Immobilientöchter der Bankgesellschaft zur Folge, ginge aber nur zusammen mit dem BAKred und den anderen Landesbanken. Einen solch kontrollierten Absturz müsste die Bundesregierung einleiten. Das ist eine politische Frage. Auch stehen dem die Ansprüche 70000 vermögender Fondszeichner gegenüber. Darunter, so wird im Abgeordnetenhaus gemunkelt, 200 Top-Banker der Republik. Insofern spricht alles dafür, dass die Berliner Politik am 9.April Milliarden Euro in die bankrotte Bankgesellschaft pumpt, um für Schulden zu haften, für die sie nicht haften müsste.

Birger Scholz

Der Autor ist Mitglied des Vorstands der SPD Friedrichshain-Kreuzberg



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