SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, April 2002, Seite 21

The Navigators

Ken Loach ist Großbritanniens bekanntester unabhängiger Filmemacher. Anlässlich des Kinostarts seines neuesten Films The Navigators sprach Alan Thornett mit ihm.

Ihr Film zeugt von einer genauen Kenntnis des Milieus der Eisenbahnarbeiter. Wie kamen Sie dazu?
Das Drehbuch wurde von Rob Dawber verfasst, der Eisenbahner war, siebzehn Jahre lang Streckenarbeiter. Ich hoffe der Film reflektiert sein Wissen und seine Erfahrung. Also, viele Teile stammen von Leuten, die Eisenbahnarbeiter sind oder waren. Es waren immer Experten zur Stelle, die mich korrigierten und in Kenntnis setzten.

Wie gerieten die Eisenbahnen in Großbritannien in diesen Zustand??
Die Eisenbahn war die letzte Großindustrie, die durch die Regierungen von Margaret Thatcher und John Major zur Privatisierung anstand. Sie glaubten, dass einzig privates Kapital und die Gesetze des Marktes für Effizienz und hohe Produktivität sorgen würden. Die Konsequenz war, wie bei allen Privatisierungen, verheerend. In einer vernünftigen Gesellschaft gäbe es ein Gleichgewicht zwischen den sozialen Belangen und der Möglichkeit, sie zu befriedigen. Es gäbe einen durchdachten und geordneten Gebrauch der Ressourcen. Es gäbe eine richtige Ausbildung und Arbeitsbedingungen mit einer fairen Bezahlung und Jobsicherheit. Die Belange des Privatkapitals sind mit solchen Forderungen ziemlich unvereinbar.
Die Eisenbahnen wurden, während sie sich noch in öffentlicher Hand befanden, in getrennte Einheiten zerlegt. Es wurden verschiedene Käufer für die Strecken- und die Zugangelegenheiten gesucht. Die Arbeitsbedingungen wurden angegriffen. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden verändert. Tausende erfahrener Arbeiter verließen die Industrie. Die Eisenbahnkultur der sicheren Praxis, die über Generationen aufgebaut worden war, wurde bewusst angegriffen. Das daraus folgende Desaster, das von Eisenbahnern vorhergesagt worden war, scheint für die Labour-Regierung eine Überraschung zu sein. Sie hat sich, wie ihre Vorgänger, der Privatisierung verschrieben. Trotz eines ungewöhnlichen Ausmaßes an Unterstützung aus der Bevölkerung weigert sich die Regierung, die Eisenbahnen wieder in öffentlichen Besitz zu geben und ein gut finanziertes Transportsystem mit fortschrittlichster Technologie zu entwickeln. Stattdessen hat die Subventionierung der privaten Eigner zugenommen und das Chaos hält an.

Die neue Ausbreitung des globalen Kapitalismus zerstört sogar die Idee der Arbeitersolidarität, das verspricht nichts Gutes.
Sie haben Recht, die Möglichkeit Kapital in kürzester Zeit rund um den Globus zu schicken und nach dem schnellsten Profit zu suchen ist eine Herausforderung für die Arbeiterbewegung. Die bürokratische Führung der meisten Gewerkschaften in Großbritannien scheint unfähig zu sein, dem etwas entgegenzusetzen. Aber der Kampf gegen Prekarisierung, sog. Flexibilisierung, Privatisierung und Rationalisierung ruft nach einem neuen Internationalismus. Sollten wir irgendeine Chance auf ein paar Siege haben, insbesondere in einem vereinten Europa, müssen wir an der Basis Kontakte schließen und entwickeln. Wann immer ich die Möglichkeit hatte, zu sehen, wie diese Kontakte gemacht wurden, war ich erstaunt über den immensen guten Willen und den Sinn für Solidarität, der darauf wartet sich zu entfalten.
Das Ende des Films ist ein schreckliches und düsteres Ende für die Arbeiter… Weil Sie glauben, dass es heute keine anderen Perspektiven gibt?? Der Schluss des Films ist düster, da wir nicht zu falschen Hoffnungen ermutigen wollten. Unsichere Arbeitspraktiken und schlechte Arbeitsbedingungen sind eine zwangsläufige Folge der Privatisierung, keineswegs individuelles Unglück. Es gibt daraus letztendlich nur einen Ausweg: eine öffentliche und zuverlässige Eisenbahn, die von denen geführt wird, die dort arbeiten, in Partnerschaft mit der Gemeinde, für die sie da ist.

Was wäre der Film Ihrer Träume, wenn Sie völlig freie Hand hätten?
Der Film meiner Träume ist der nächste. Das Kino meiner Träume ist etwas anderes. Vielleicht von denselben Prinzipien geleitet, wie wir sie gerne bei den Eisenbahnen sehen würden!

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