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Der 1.Mai in Berlin ist seit 1987 ein wichtiger Kristallisationspunkt der radikalen Linken. Neben den zahlreichen kleinen und größeren Gruppen
nutzen auch sehr viele unorganisierte Menschen diese Gelegenheit, ihre grundsätzliche Oppositionshaltung zu den bestehenden Gesellschaftsverhältnissen auszudrücken. Die
Linke hat es in den vergangenen Jahren aber meistens nur begrenzt geschafft, diese allgemeine und oft sehr diffuse Aussage des 1.Mai aus eigener Kraft politisch zu konkretisieren. […]
Der Versuch einiger Linker ("Personenbündnis"), im Jahr 2002 den 1.Mai zu "repolitisieren",
muss differenziert betrachtet werden. Es sind verschiedene Interessen zu unterscheiden:
1. das Bemühen, tatsächlich linken Diskursen in der Gesellschaft wieder mehr Öffentlichkeit und Wirksamkeit zu verschaffen;
2. die Hoffnung, von einer solchen Stärkung werde eine linke reformistische Strömung am Rande des Parlamentarismus profitieren, also linke PDS/Grüne, aber
auch Gruppen wie Attac;
3. die Sorge, es könne sich der 1.Mai 1989 wiederholen, als die Innenpolitik der neuen rot-grünen Landesregierung durch heftige Randale ins Trudeln geriet;
4. der Versuch, durch integrative Kräfte und praktische Einbindung radikaler Linker den 1.Mai zu befrieden und seiner fundamental-oppositionellen Rituale zu berauben.
Die Chance auf Verwirklichung des Konzepts "Personenbündnis" ist gering. Seine Initiatoren verfügen
selbst über keine starke Basis. Sie sind angewiesen auf die Mobilisierungskraft der radikalen Linken und auf die höchst unwahrscheinliche Kooperation der Innenbehörde.
Für die radikale Linke stellt sich daher die Frage, ob sie das Personenbündnis" auflaufen lässt, indem sie es aktiv oder passiv sabotiert, oder ob sie ein
taktisches Verhältnis dazu einnimmt.
Die bisherige linksradikale Kritik am "Personenbündnis" ist eindimensional und verkürzt. Sie
schätzt gesellschaftliche Kräfteverhältnisse, Interessen der Beteiligten und mögliche politische Optionen falsch ein. Die reale Bedeutung und Mächtigkeit von
"Befriedungsprojekten" wird dabei ebenso übertrieben wie die reale Stärke der radikalen Linken. Die Notwendigkeit zum taktischen Umgang mit
BündnispartnerInnen wird nicht wahrgenommen bzw. anderen Gruppen als der eigenen das Recht dazu abgesprochen. Die Konzentration auf die Entlarvung angeblicher
VerräterInnen innerhalb der "wahren" Linken wird zum politischen Hauptinhalt. Diese Reduzierung radikal linker Politik auf interne Machtkämpfe und isolationistisch-
autonome Besserwisserei führt nirgendwo hin.
Andererseits bedeutet die Einbindung in ein von liberalen bzw. reformistischen Linken dominiertes Projekt oft, dass radikale
Linke viel Arbeit leisten und später in der Aussenvertretung des Projektes politisch nicht mehr wahrgenommen werden. Statt dessen werden sie dann intern in Mithaftung für die
unerwünschten Folgen (etwa öffentliche Distanzierungen) genommen. […]
Eine Mitgestaltung des 1.Mai 2002 sollte mit der notwendigen auch formalen Distanz zum
"Personenbündnis" geschehen. […] Dreh- und Angelpunkt der 1.Mai-Debatte ist die Frage der Legitimität von Randale, also politischer Gewalt. […] Fazit: Das
"Personenbündnis Denk Mai neu" hat zumindest ein Ziel erreicht: Die Diskussion um den 1.Mai in der radikalen Linken neu zu beleben. Die notwendige
Positionierung, in Abgrenzung oder auch in Bündnisbereitschaft zu reformistischen Gruppen/Tendenzen, ist solange zu begrüssen, solange daraus handlungsfähige Initiativen
für einen revolutionären 1.Mai entstehen. Weder eine trotzige Konfrontation gegen angebliche "Befriedungsstrategen" noch ein Mitlaufen in dubiosen Reform-
Bündnissen kann dieses Ziel erreichen. Vielmehr sollte die radikale Linke versuchen, Lücken im gesellschaftlichen Konsens auszunutzen und sowohl inhaltlich wie auch praktisch
eigene Akzente dorthin zu setzen. Die Thematisierung des "friedlichen" 1.Mai bietet da einige Möglichkeiten, von der "Friedlichkeit" deutscher Aussenpolitik
über den "friedlichen" deutschen Rassismus bis zum "sozialen Frieden".
Für eine linke Strömung(März 2002)
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