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An den 3,9 Millionen Arbeitslosen in Deutschland im Jahr 2000 waren Frauen mit rund 47% gemessen an ihrem Anteil an den Erwerbstätigen
überproportional beteiligt. Der Frauenanteil an den registrierten Arbeitslosen sowie an der sog. "stillen Reserve" liegt höher als der Frauenanteil an den
Erwerbstätigen. In Ostdeutschland ist der Frauenanteil an der registrierten Arbeitslosigkeit mit fast 52% besonders hoch.
Frauen sind in der Regel länger arbeitslos als Männer und finden insgesamt seltener aus der Arbeitslosigkeit
in den Arbeitsmarkt zurück. Frauen in Ostdeutschland sind besonders betroffen: Sie sind durchschnittlich 4,2 Monate länger arbeitslos als Männer in Ostdeutschland.
Das bedeutet, dass das qualifizierte Arbeitskraftpotenzial von Frauen neben ihrem verbreiteten Einsatz unter ihren Qualifikationen auch bei der quantitativen
Erwerbsbeteiligung trotz wachsender Erwerbsquoten bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Das hat verschiedene Ursachen.
"Frauenarbeit" gilt nach wie vor als leichte Arbeit, als weniger qualifiziert auch dann, wenn sie
spezielle Kenntnisse erfordert und mit hohen physischen und psychischen Belastungen verbunden ist und als "Zuverdienst". Frauenerwerbstätigkeit soll nach
diesem Rollenschema nur einen vorübergehenden Charakter haben und muss nicht existenzsichernd sein, da immer noch dem Mann die Ernährerrolle zugewiesen wird.
Daraus folgt, dass Frauen eine geringere Leistungsbereitschaft unterstellt wird als Männern und ein geringerer Lohnbedarf selbst bei gleicher Leistung.
Dass diese unterschiedliche Bewertung von Frauen- und Männertätigkeiten nichts mit der realen Bedeutung
oder Wertigkeit der jeweiligen Arbeit zu tun hat, zeigt sich schon darin, dass oft die gleiche Tätigkeit in der Geschichte anders bewertet wurde, je nachdem, ob sie von Frauen oder
von Männern ausgeübt wird. Dementsprechend werden Arbeitsverhältnisse von Frauen mit genau dieser Argumentation immer noch leichter gekündigt als die
von Männern.
Nahezu unverändert leisten Frauen ob erwerbstätig oder nicht in dieser Gesellschaft, Ost wie West, den überwiegenden Teil der privaten Hausarbeit,
Kindererziehung und sonstigen Pflegearbeit. Mit der Ausdehnung der Erwerbstätigkeit von Frauen ist kaum eine Ausdehnung der Männerhausarbeit einhergegangen.
Abhängig Beschäftigte verbringen im Durchschnitt 63,4 Stunden pro Woche mit Erwerbs- und Hausarbeit.
Der größten Belastung sind dabei die vollzeitbeschäftigten Frauen mit 70,3 Stunden Gesamtarbeitsbelastung ausgesetzt. Die Umbrüche im System der
Gesundheitsversorgung und Altenpflege werden erschwerte Anforderungen an die "Familie" und damit an die Frauen stellen.
Damit wächst der Druck auf die Frauen, zur Erfüllung der ihnen zugeschriebenen familiären
Verpflichtungen anstelle einer Vollzeiterwerbstätigkeit eine Teilzeitbeschäftigung zu wählen, Arbeitsstunden zu reduzieren oder sich sogar beurlauben zu lassen.
Teilzeitarbeit kommt in der Biografie von Frauen eine widersprüchliche Bedeutung zu: Einerseits ermöglicht
sie Frauen, in Lebenssituationen eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, die vor noch gar nicht langer Zeit völlig unvereinbar mit Erwerbsarbeit erschienen, andererseits befestigt
Teilzeitarbeit die noch bestehende geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und macht die Abstimmung von Beruf und Hausarbeit zum reinen Frauenproblem. Teilzeitarbeit zeichnet sich
dadurch aus, dass häufig nicht nur die Dauer der Arbeitszeit variabel gestaltet ist, sondern zugleich die Lage und Verteilung der Arbeitszeit. Teilzeitarbeit ist ein Experimentier- und
Exerzierfeld für die umfassende Flexibilisierung der Arbeitszeit. Teilzeitarbeit bedeutet individuelle Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich!
Nur die kontinuierlich geleistete, tarifvertraglich festgelegte Normalarbeitszeit bietet eine individuelle
Existenzsicherungs- und soziale Schutzfunktion, sowohl in aktueller Perspektive als auch im Hinblick auf die längerfristige Absicherung bei Arbeitslosigkeit und im Alter. Das
heißt, dass ein Teilzeiteinkommen in aller Regel nicht zum eigenständigen Lebensunterhalt ausreicht und erst recht nicht geeignet ist, ausreichende
Sozialversicherungsansprüche aufzubauen.
Deswegen trägt Teilzeitarbeit zur Aufrechterhaltung der bisherigen Rollenverteilung bei, da Frauen in Teilzeit
wegen der geringen Verdienstmöglichkeiten weiterhin von Männern finanziell abhängig sind. Hinzu kommt, dass zwar Teilzeitarbeit weniger Arbeitsstunden in
Anspruch nimmt, gleichzeitig hat sich jedoch die Arbeitsintensität erhöht.
Teilzeitarbeit führt zu erheblichen Nachteilen bei Weiterqualifikation, Aufstieg und Entlohnung. Im Durchschnitt
werden bei Teilzeitbeschäftigungen trotz der höheren Arbeitsintensität deutlich niedrigere Stundenlöhne erzielt als bei Vollzeittätigkeiten. Die
vorhandenen Diskriminierungsverbote greifen lediglich partiell und sehr schleppend. Die Nichtakzeptanz von Teilzeitarbeit durch Männer ist ein weiterer Indikator dafür, dass
eine existenzsichernde Erwerbsarbeit weiterhin nur auf Grundlage einer Vollzeitbeschäftigung möglich ist.
Atypische Beschäftigungsverhältnisse haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Insbesondere
die sog. geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse sind mit 77% Frauenanteil eine Frauendomäne und finden sich zu 90% in Westdeutschland. Auch
Teilzeitarbeit ist beinahe ausschließlich eine Beschäftigungsform von Frauen. Dabei gibt es bei der Erwerbsbeteiligung bei Frauen je nachdem, ob sie Kinder haben oder nicht,
merkliche Unterschiede, während sich dies bei Männern so gut wie gar nicht auswirkt.
Auch Teilzeitarbeit nimmt vom Volumen her deutlich zu. Knapp 6 Millionen Menschen arbeiten Teilzeit, also unter 36
Stunden pro Woche, davon 5 Millionen Frauen. Der Anteil befristeter Teilzeitarbeitsverhältnisse steigt an allen Arbeitsverhältnissen.
Dazu kommt, dass es für Frauen attraktiv gemacht wird, ihre Erwerbsarbeit zumindest vorübergehend
aufzugeben, indem die Familientätigkeit durch Maßnahmen wie Erziehungsgeld, Erziehungsurlaub und Babyjahr finanziell aufgewertet wird, während
alleinerziehenden Frauen aufgrund der unzureichenden finanziellen Ausgestaltung dieser Maßnahmen diese Option nicht ohne weiteres offen steht. Sie müssen
erwerbstätig bleiben, können ihre Erwerbstätigkeit wegen unzureichender Kinderbetreuung und unflexibel gehaltener Arbeitszeiten jedoch in der Regel nicht ganztags
ausüben.
Der familienpolitisch begünstigte Rückzug in die Familie hat, wie auch die Teilzeitarbeit, seine Kosten: er
führt fast immer zu einem Abbau beruflicher Chancen und zu einer Fortsetzung der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern.
All diese leider gar nicht mehr so atypischen Arbeitsverhältnisse sind in der Regel sehr viel
leichter kündbar als ein "Normalarbeitsverhältnis", also ein weiterer wesentlicher Grund für die hohe Frauenarbeitslosigkeit.
Die Erwerbstätigkeit von Frauen konzentriert sich vorwiegend auf Wirtschaftszweige mit geringen
Verdienstmöglichkeiten. Allerdings lässt sich dies nicht einfach darauf zurückführen, dass Frauen Berufe mit geringerer Verdienstmöglichkeit
wählen oder dass ihnen Qualifikationen für andere Bereiche fehlen.
Tatsächlich ist es so, dass die Bewertung einer Tätigkeit u.a. davon abhängt, ob diese als typische Frauen- oder Männertätigkeit betrachtet wird.
Außerdem spielen Zulagen bei den Männerverdiensten eine größere Rolle als bei den Frauenverdiensten. Mehr Männer als Frauen erhalten Zulagen und
diese machen bei ihnen einen größeren Teil des Einkommens aus.
In den "klassischen Männerberufen" gelten Frauen immer noch als Exotinnen. Bemühungen zur
Öffnung dieser Berufsfelder durch Modellversuche zur Förderung der Ausbildung von Mädchen in gewerblich-technischen Berufen konnten nur geringe
Änderungen bewirken.
Ähnliches gilt für die Hochschulen: Während in technischen Fächern wie z.B. Maschinenbau
oder Elektrotechnik der Frauenanteil schon bei den Studierenden in der Regel unter 10% liegt, weisen "frauentypische" Studienrichtungen (mit meist wesentlich schlechterer
Berufsperspektive) einen Anteil von über 80% auf.
Zwar hat sich der Anteil von jungen Frauen in männerdominierten Berufen in den alten Bundesländern
während der letzten 15 Jahre mehr als verdreifacht, jedoch konzentrieren sich Frauen innerhalb dieses Feldes wiederum auf sehr wenige, frauentypische Aufgaben, während
ihnen gerade die modernen, entwicklungsfähigen Bereiche weiterhin verschlossen bleiben. In vielen der Bereiche, in denen vorwiegend Frauen tätig waren, sind zudem in den
letzten Jahren massiv Stellen abgebaut worden.
Während Männer häufig frei von Familienpflichten ihre volle Arbeitsfähigkeit in den Beruf
einbringen und gezielt ihre Karriere planen können, müssen Frauen ihre Erwerbstätigkeit mit den Familienpflichten in Einklang bringen.
Die familienbedingte Erwerbsunterbrechung ist nach wie vor fast ausschließlich eine Sache der Frauen. Dies
führt oft zu einer diskontinuierlichen Erwerbsbiografie mit Unterbrechungen bzw. zeitlichen Einschränkungen und erschwert längerfristige Planungen.
Dementsprechend beziehen Arbeitgeber den "Risikofaktor" familienbedingter Unterbrechungen in ihre Personalplanung zuungunsten der Frauen mit ein, Konsequenz ist oft
entweder die Nichtanstellung der Frau, vor allem in technischen Berufen (gerade im Hightechsektor ist aus diesem Grund die Einstellungsbarriere für Frauen besonders hoch), oder
die Nichtbeförderung auf einen verantwortungsvollen Posten.
Außerdem sind für Frauen die Übergänge von der Ausbildung in den Arbeitsmarkt und aus der
Arbeitslosigkeit zurück in die Beschäftigung immer noch problematischer als für Männer. Drei Jahre nach der Geburt eines Kindes sind trotz
Wiederbeschäftigungsgarantie nach dem Erziehungsurlaub in Westdeutschland 16% und in Ostdeutschland 21% der Frauen arbeitslos und auch überwiegend beim
Arbeitsamt gemeldet. Wenn der Wiedereinstieg nach einer "Familienpause" überhaupt gelingt, bedeutet dies sehr oft eine Tätigkeit unterhalb ihres formalen
Qualifikationsniveaus und/oder einen weniger attraktiven Arbeitsplatz im Hinblick auf Einkommens-, Weiterbildungs- und Karrierechancen sowie eine Einschränkung der
Entscheidungsspielräume.
Obwohl die Herausbildung neuer Berufe vor allem im Dienstleistungsbereich die Zugangschancen für Frauen im
mittleren Qualifikationsbereich des Erwerbssystems erhöht haben, bleiben Führungspositionen für Frauen in sämtlichen Arbeitsmarktsegmenten immer noch
schwer erreichbar. Frauen verbleiben in sehr viel höherem Maße als Männer in jenen Positionen, in denen sie ihre Erwerbstätigkeit begonnen haben. Umgekehrt
sind Frauen häufiger vom Risiko des beruflichen Abstiegs bedroht.
Frauen sind immer noch sehr viel seltener als gleich qualifizierte Männer in leitenden Positionen bzw.
höheren Hierarchieebenen in den Betrieben zu finden. Während für Männer die Karrierechancen mit zunehmenden Alter steigen, nehmen sie für Frauen
ab. Um den Arbeitsmarkteinstieg überhaupt zu bewältigen, sind Frauen häufiger als Männer auf Positionen verwiesen, die unterhalb ihrer Qualifikation liegen.
Im oberen Management findet sich ein Frauenanteil von gerade 6%. Auch bei den Bundesbehörden sieht die
Situation nicht wesentlich anders aus: Zwar sind 20,7% der Beschäftigten im höheren Dienst Frauen, bis den Abteilungsleitungen konnten jedoch nur noch 2,1% aufsteigen. In
den Gremien im Einflussbereich des Bundes beträgt der Frauenanteil nur 12,7%.
Eine längerfristige Unterbrechung der Berufstätigkeit oder Teilzeitarbeit bedeuten meist auch den Verzicht
auf eine berufliche Karriere. Vielfach ist die Mobilität und Zeitdisponibilität von Frauen aufgrund ihrer Familienpflichten deutlich eingeschränkt, was bei den
Arbeitgebern entsprechende Vorbehalte gegenüber Arbeitnehmerinnen auslöst.
Frauen erleiden dadurch, dass sie die Reproduktionstätigkeiten übernehmen, auf dem Arbeitsmarkt deutliche
Wettbewerbsnachteile. Dies wird dadurch noch verstärkt, dass ihnen von den Arbeitgebern ein typisch "weibliches" Erwerbsverhalten grundsätzlich unterstellt
wird, auch wenn sie individuell diesen Einschränkungen nicht unterliegen. Frauen wird somit oft nur wegen des Geschlechts der Zugang zu bestimmten Aufgabenfeldern,
höheren Positionen und Weiterbildungsmöglichkeiten unterstellt. Und dass Arbeitsverhältnisse, die in der Hierarchie tiefer angesiedelt sind, leichter kündbar
sind, ist bekannt.
Corinna Poll