SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2002, Seite 2

Neue Klassenpolitik

Betr.: Berichterstattung zu Rifondazione Comunista, SoZ 5/02
Großes Lob an die SoZ für die zwei Seiten über und von Rifondazione Comunista! Schön, dass Hugo Braun, der ebenso wie ich der DKP angehört, über den Parteitag geschrieben hat. Natürlich kann ein Kurzbericht die dort ausgetragenen Kontroversen nicht umfassend darstellen. Hierzu sei aber präzisiert: Gegen die von der Mehrheit betriebene Politik der Öffnung zu den neuen sozialen Bewegungen kommt Opposition von zwei Seiten: einerseits aus einer doktrinär-trotzkistischen ultralinken Richtung, andererseits auf dem rechten (!) Flügel von der ideologisch der DKP vergleichbaren, traditionalistischen "Ernesto"-Strömung.
Diese "orthodoxen" Kräfte möchten den Gegensatz von Lohnarbeit und Kapital in seiner "klassischen", betrieblichen Form gegenüber anderen sozialen Konflikten als privilegiert betrachten. Das hängt wohl mit der traditionellen Vorstellung zusammen, dass die Arbeiterklasse in der Fabrik "objektiv" zum kampffähigen Subjekt vereinigt wird, während andere Bewegungen "nur" auf "subjektiven" (und deshalb für Parteistrategen nicht kontrollierbaren!) Motiven beruhen. Nun geht aber die Haupttendenz der kapitalistischen Entwicklung heute in die entgegensetzte Richtung: sie zielt nicht auf Vereinigung, sondern Fragmentierung der Klasse. Antikapitalistisches Bewusstsein bildet sich gegenwärtig praktisch durchweg im reproduktiv-lebensweltlichen Bereich. Wenn die Rifondazione-Mehrheit sagt, dass der Antagonismus nicht "in den Dingen", sondern in der Subjektivität liegt, ist das zunächst einmal einfach eine realistische Haltung, im Gegensatz zu den Positionen von Organisationen, die sog. "Kernschichten der Arbeiterklasse" in der Theorie als ihre Hauptzielgruppe bestimmen, ohne dass die soziale Zusammensetzung der Mitglied- und Anhängerschaft dem irgendwie entspräche. Weil aber die LohnarbeiterInnenklasse im Sinne von Marx heute in Mitteleuropa etwa vier Fünftel der Bevölkerung umfasst und weil die abhängige Arbeit immer mehr alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt, ist es unsinnig, eine kategorische Trennung von "richtiger" Arbeiterbewegung und neuen sozialen Bewegungen zu konstruieren.
Wo eine solche Trennung behauptet wird, schlägt sie sich entweder in einem revolutionären Verbalradikalismus mit bloßem Verlautbarungscharakter nieder (so beim ultralinken Rifondazione-Flügel) oder eben in einer gewerkschaftlich-reformistischen Orientierung: deshalb ist es kein Wunder, dass die "realsozialistisch" geprägte Ernesto-Strömung mit ihrer ordnungspolitischen Vorstellungswelt rechts steht. Die Analyse der Rifondazione-Mehrheit eröffnet demgegenüber die Möglichkeit, zur Herausbildung einer neuen ArbeiterInnenbewegung beizutragen, deren Konturen sich in den neuen linksalternativen Basisgewerkschaftsbewegungen Italiens und Frankreichs abzeichnen: einer ArbeiterInnenbewegung, die die alte Trennung von ökonomischem und politischem Kampf durchbricht und das proletarische Interesse nicht mehr als betriebsborniertes bloßer Arbeitskraft-VerkäuferInnen bestimmt, sondern als Interesse an gesamtgesellschaftlich vernünftiger Organisation der Arbeit und des Verhältnisses von Arbeit und Leben.
Henning Böke, Frankfurt/M.

Unverblümt oder klandestin

Betr.: Viktoria Waltz‘ Gastkommentar zu Israel/Palästina, SoZ 4/02
Zum Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern hat der deutsche Faschismus erheblich beigetragen. Einschlägige Erörterungen hierzulande sollten insoweit ausreichende Sensibilität walten lassen. Hinzu kommt, dass die arabische Welt mit ihrer demografisch schier erdrückenden Überlegenheit großenteils die Existenzberechtigung des israelischen Staates unverblümt oder klandestin bestreitet. Dieser muss sich vor entsprechender Bedrohung nicht allein autonom schützen, sondern darüber hinaus den in vielen anderen Weltregionen nach wie vor von antijüdischem Ressentiment, das zugleich verbreiteten Tendenzen zur irrationalen Zuweisung von Sündenbocksrollen eine verhängnisvolle Zielrichtung geben kann, gefährdeten Personen eine Fluchtburg bieten. Die Erfüllung solcher Aufgaben erfordert leider auch ein militärisches Instrumentarium, dessen zweckmäßige Verwendung anscheinend nicht immer gelingen kann, ohne unbeabsichtigt moralisch anfechtbare Wirkungen hervorzurufen.
Dr.rer.pol. Erhard Moosmayer, Bonn

In keiner anderen Zeitschrift

Betr: Interview mit Peter von Oertzen, SoZ 5/02
Nach der Lektüre des Peter von Oertzen-Interviews habe ich mich gefragt, ob ich in einer anderen Zeitung/Zeitschrift in den letzten Monaten etwas so Interessantes zur Frage der Analyse/Zukunft der Linken gelesen habe, und nach kurzem Überlegen, kam ich zu der Antwort: Nein. Daher möchte ich hiermit die Sozialistische Zeitung ab der Ausgabe Juni im Abonnement beziehen.
M. Rieger, Hamburg


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