SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2002, Seite 4

Die Globalisierung durch Raubtierkapitalisten

Bundespräsident Johannes Rau gehörte 1949/50 mit Gustav Heinemann zu den Mitbegründern der Gesamtdeutsche Volkspartei. Diese entstand, nachdem Heinemann als erster Bundesinnenminister der Regierung von Bundeskanzler Adenauer zurücktrat, weil dieser ohne Wissen des Kabinetts angeboten hatte, die BRD aufzurüsten. Heute hat Johannes Rau ohne zu murren nicht nur Aufrüstung, sondern auch Beteiligung an Kriegen geschluckt.
In einer Rede, die er in Berlin zur Globalisierung hielt, zeigte er sich zwar über deren üble Folgen informiert, meinte jedoch, wir könnten sie in "gute Bahnen lenken". Wer aber sind heute die Globalisierer und ihre Förderer?
Die "Raubtierkapitalisten", die "Warlords" im Krieg der "weltbeherrschenden Mega- Konzerne" (Ignacio Ramonet) und die Interessen, denen sie mit Hilfe der Weltbank und der Welthandelsorganisation dienen, geraten nicht ins Blickfeld von Bundespräsident Rau, obwohl er erwähnt, dass die Globalisierung gar nicht so global ist wie sich das anhört.
Denn in den ärmsten Staaten der Welt leben heute 40% aller Menschen, ihr Anteil am Welthandel liegt jedoch bei unter 3%. "Heute haben 90% der Gelder, die täglich um die Welt zirkulieren, nichts mit dem Austausch von Gütern und Dienstleistungen zu tun. Über 2 Billionen Euro … wechseln täglich aus spekulativen Gründen immer wieder den Ort. Das kann ganze Länder sozial und politisch destabilisieren, ja das kann sie in den wirtschaftlichen Ruin treiben", wie der Bundespräsident zu Recht erkennt.
Rau unterschlägt nicht, dass es schon lange nicht mehr eine so breite internationale Protestbewegung gegeben hat wie die der Globalisierungskritiker. "Diese Bewegung hat viel angestoßen, sie stellt richtige Fragen. Das gilt auch dann, wenn es bei Demonstrationen immer zu Gewalt kommt", erklärte er.
Seine Schlussfolgerung lautete: "Die Globalisierung wird dann ein Erfolg, wenn die Dynamik der Marktkräfte politisch in gute Bahnen gelenkt wird. Die Menschen überall auf der Welt müssen erleben, dass sie im Mittelpunkt stehen. Die Politik und die Wirtschaft werden um der Menschen willen gemacht."
Wie es aber um die "Dynamik der Marktkräfte" und Politik sowie Wirtschaft, die angeblich um der Menschen willen gemacht wird, tatsächlich bestellt ist, erfahren wir von Jean-Marie Messier, Konzernchef von Vivendi Universal. Das ist der zweitgrößte Mischkonzern der Welt und der größte private Arbeitgeber Frankreichs, zu dessen Imperium 3000 Firmen gehören.
"Eine Firma wie Vivendi gehört den Aktionären und nur den Aktionären. Die Unternehmensleitung macht Vorschläge, der Verwaltungsrat trifft Entscheidungen, doch das letzte Wort hat der Markt, der die Börsenkurse fallen oder steigen lässt", so Messier. So haben die Vivendi-Aktien seit Jahresbeginn mehr als 40% ihres Werts eingebüßt, weil der Konzern sich "überhoben" hat. Er kaufte immer neue Medien- und Telefonfirmen auf und sitzt nun auf einem Schuldenberg von fast 30 Milliarden Euro.
Der "Reichtum, auf den es die neuen Raubtierkapitalisten abgesehen haben, sind die unaufhörlich wachsenden Datenströme", schreibt Ignacio Ramonet in Le Monde Diplomatique. "Sämtliche Netzbetreiber, vor allem die Anbieter von allem, das sich in irgendwelchen Leitungen transportieren lässt — Wasser, Gas, elektrischer Strom, Sprach- und Bildimpulse, Eisenbahn und Straßentransporte — wollen einen Teil der neuen Eldorados unter ihre Kontrolle bringen."
Und "die Öffnung der Grenzen möglichst vieler Länder für den ‚freien Fluss der Informationen‘ läuft darauf hinaus, diese Staaten den US-amerikanischen Raubtierkapitalisten zum Fraß vorzuwerfen". Es sind demnach keineswegs die Menschen, die bei der "Dynamik der Marktkräfte" im Mittelpunkt stehen.
Jakob Moneta


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