SoZ Sozialistische Zeitung |
Eine Verschärfung der Waffengesetze, eine Überwachung der Jugendlichen an den Schulen, einschränkender Gebrauch von
Gewaltvideos für junge Menschen als eilfertige Rezepte, von den verantwortlichen Politikern medienwirksam vorgetragen und in Szene gesetzt das wird wohl kaum reichen
als Antwort auf das schwer Fassbare.
Vielleicht wären die Antworten einfacher und schneller ausgefallen, wenn es eine Hauptschule gewesen
wäre, aber es war ein Gymnasium, dazu noch eines mit dem Ruf, eine Eliteschule zu sein. Es ist zwar richtig, dass Prügeleien an Haupt- und Sonderschulen häufiger
vorkommen als an Gymnasien, trotzdem ist auch das Gymnasium nicht gewaltfrei, wenn auch die Umgangsformen anders und subtiler sind.
Das Gymnasium als Schule mit dem höchsten Ansehen im dreigliedrigen Schulsystem übt einen enormen
Leistungsdruck auf die Schülerschaft aus, und ein Scheitern wird als sozialer Abstieg empfunden. Wenn Kinder den hohen Erwartungen ihrer Eltern nicht entsprechen können,
fragen sie nicht nach den Ursachen, sondern empfinden sich als Gescheiterte, die im Leben nicht mehr viel zu erwarten haben. Diese Spannung zwischen Leistungsdruck und Angst vor
Versagen schafft ein Klima, in dem Aggressionen schnell zum Ventil werden können.
Die wieder aufgeflammte Diskussion um Werteerziehung ist verlogen und geht da ins Leere, wo die Ellebogengesellschaft
Erfolg und Leistung höher bewertet als Menschlichkeit und Solidarität und die Schule selber eine Atmosphäre gegenseitiger Toleranz und Rücksichtsnahme
durch Konkurrenz und Leistungsdruck konterkariert. Diese doppelbödige Moral durchschauen auch die Jugendlichen und machen gleichzeitig die Erfahrung, dass Anerkennung nur
über Leistung und äußerliche Attraktivität zu haben ist.
Wer da nicht mithalten kann, ist verloren, und dem bleibt nur noch die Demonstration von Stärke. Wenn die Schule
als Antwort darauf einen autoritären Führungsstil praktiziert, den Leistungsdruck vor allem auf die Schwächeren verstärkt, setzt sich der Kreislauf von Versagen,
Angst und Gewalt fort. Was wir brauchen, ist eine Diskussion um diese Zusammenhänge und Schulen, bei denen die Förderung und Hilfe im Vordergrund steht und nicht die
Aussonderung von Kindern und Jugendlichen.