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Das Treffen diente in der Hauptsache der Festlegung des Programms, der Einbeziehung Osteuropas, sowie der Klärung der Haltung zu den
politischen Parteien. Neben den "klassischen" Fragen, die mit der neoliberalen Globalisierung zu tun haben, kommen aufgrund der Situation in Europa weitere dazu: der Krieg
hier mit einem besonderen Augenmerk auf den Balkan; der Aufstieg des Rechtsextremismus; die Europäische Union als ein Sonderfall der Globalisierung mit der konkreten
Herausforderung des europäischen Verfassungsprozesses (Stichwort "Konvent"); die Restauration des Kapitalismus in Osteuropa und die EU-Osterweiterung;
Globalisierung und Arbeitswelt, insbesondere die Zunahme prekärer Beschäftigung infolge der neoliberalen Globalisierung und die EU-Beschäftigungspolitik. Die
österreichische Vorbereitungsgruppe hatte viel Arbeit darin investiert, Initiativen aus Osteuropa die Teilnahme am Treffen zu ermöglichen. 40 Personen aus 12 Ländern
trafen sich am Freitag gesondert, um sich kennenzulernen und festzulegen, in welcher Art und Weise Osteuropa in das Programm des ESF integriert werden kann. Es bestehen gute
Möglichkeiten, dass dieser Kreis sich zu einem osteuropäischen Sozialforum festigt und ausweitet.
Die Haltung zu den Parteien war ein heikler Punkt. Der Grundkonsens des Weltsozialforums, von dem das
Europäische Sozialforum ein Teil ist, sieht vor, dass Parteien nicht Teil des WSF sind. In einigen europäischen Ländern sind Parteien aber Teil der Bewegung gegen
die neoliberale Globalisierung; z.T. sind es Parteien mit parlamentarischer Präsenz, z.T. ohne. Es gab dazu eine heftige Debatte, bei der naturgemäß vor allem Parteien
ihre gleichberechtigte Teilnahme am ESF vehement verteidigten. Sie argumentierten in der Hauptsache damit, sie wären ja Teil der Bewegung. Der Kern des Problems liegt aber
eher in dem Verhältnis zwischen Parteien und sozialen Bewegungen, der Tendenz, sie ineins zu setzen und damit die Autonomie der sozialen Bewegungen in Frage zu stellen. Die
Debatte berührt einen sehr grundsätzlichen und wunden Punkt im Vermächtnis aller politischen Strömungen der europäischen Arbeiterbewegung.
In Wien war es jedoch wichtig, einen tragbaren Kompromiss zu finden, der das Anliegen des WSF nicht verzerrt und
dennoch den Beitrag von Parteien würdigt. Es wurde folgendes Verfahren akzeptiert:
Parteien können ihre Teilnahme am ESF nicht als solche anmelden, sie nehmen als Mitglieder und
Einzelpersonen teil;
wenn Sozialforen auf nationaler Ebene etwas anderes beschließen, ist das ihre Sache und es wird respektiert
(Rifondazione Comunista z.B. ist Teil des Italienischen Sozialforums);
sofern Parteien auf dem ESF auftreten das gilt insbesondere für den "sichtbaren" Teil
der Konferenz (Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung, Rednertribünen der Konferenzen und Seminare) tun sie das als Individuen, d.h. sie können ihre
Parteimitgliedschaft bekanntgeben, aber nicht im Namen der Partei sprechen;
auf dem ESF wird ein Raum geschaffen, in dem Parteien als Dialogpartner für soziale Bewegungen zur
Verfügung stehen. Besondere Aufmerksamkeit wird auch dem Europäischen Gewerkschaftsbund gelten. Dieser hatte Interesse angemeldet, an den Vorbereitungen zum ESF
teilzunehmen.
Neben dem europäischen konstitutieren sich in diesem Jahr auch das lateinamerikanische, das asiatische und das
panamazonische Sozialforum. Der Ausdehnungsprozess erfordert eine Reorganisierung des Internationalen Rats. Denn dieser ist als Initiative für ein Weltsozialforum entstanden und
hat eine starke brasilianische Schlagseite bekommen, weil das Forum zweimal in Porto Alegre getagt hat. Wenn es jetzt überall Kontinentalforen gibt, muss die Zusammensetzung
des Rats korrigiert werden. Fürs erste wurde ganz pragmatisch beschlossen, dass das ESF beim nächsten Treffen des Internationalen Rats mit einem Vertreter der italienischen
und einem Vertreter entweder der belgischen oder der österreichischen Delegation vertreten sein wird (in Belgien und Österreich fanden bisher Vorbereitungstreffen für
das ESF statt). In Deutschland wird am 1.Juni in Hannover ein erstes bundesweites Vorbereitungstreffen für Florenz stattfinden. Kontaktadresse dafür ist die
Koordinierungsstelle Brasilien: KoBra-Mail@t-online.de.
Angela Klein