SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juni 2002, Seite 22

Später Sieg

Er hat es nicht geschafft. Und ist trotzdem überglücklich. Dr.Rudolf Heinrich (62) aus Wilnsdorf bei Siegen. Der Mann, der der erste Euro- Millionär bei Günther Jauch werden konnte. Besiegt von Revolutionsführer Che Guevara."
Es gibt Zeitungsnotizen, die wirklich Spaß machen. Die beim Fernsehvolk so beliebte Primatensendung "Wer wird Millionär?" blieb ohne Millionengewinner, weil ein deutscher Durchschnittsakademiker nicht wusste, welches Amt Ernesto "Che" Guevara 1959 nach dem Sieg der kubanischen Revolution übernommen hatte.
Die in mehreren Dutzend Ländern produzierte Ratesendung kokettiert grundsätzlich mit der Dialektik zwischen Aufgeklärtheit und Geldreichtum, um ein ums andere Mal den Sieg der Unwissenheit zu verkünden. Ist das für sich genommen schon beinahe subversive Gesellschaftsanalyse, so wird es doppelt illustrativ, wenn El Barbido, der in vielen altlinken Kreisen immer noch ehrfurchtsvoll "der Che" genannte Revolutionär, seinen späten Triumph einfährt.
War er nun Nationalbankchef, Familienminister, Regierungssprecher oder Botschafter in Mexiko? "Intuitiv hätte ich es gewusst, aber ich war nicht sicher", tönt unser Durchschnittsakademiker, um dann zu beweisen, dass Intuition für das Verständnis des Laufs der Dinge nicht ausreicht.
Am 26.November 1959 wurde Che Guevara in der Tat zum Präsidenten der kubanischen Staatsbank ernannt. Che und auch Fidel Castro erzählen später immer wieder das Bonmot, dass der Premierminister bei einer Versammlung der revolutionären kubanischen Leitung gefragt habe, ob es einen Freiwilligen für das Amt des Präsidenten der Zentralbank und ob es denn hier keinen "Ökonomisten" gebe. Che war eingedöst, hatte "einen Kommunisten" verstanden und die Hand gehoben.
Ämter hatte Che allerdings schon vorher: Leitung der überaus wichtigen Abteilung für Industrialisierung beim legendären INRA, dem Institut für Agrarreform, und Ausbildungsleiter für die revolutionäre Armee. Aber dass er fortan die Geldscheine mit seinem schwungvollen "Che" zeichnen durfte, war mehr als ein Symbol. Der US-Botschafter intervenierte und nannte gleich drei genehme Ersatzkandidaten.
Ches Vater war der weitsichtigste: "Mein Sohn Ernesto soll die Geldmittel der kubanischen Republik verwalten? Fidel ist verrückt. Jedes Mal, wenn ein Guevara ein Geschäft aufmacht, geht es pleite." Die vornehmen Bankbeamten beschwerten sich, denn: "Das Vorzimmer des Präsidenten ist voller bewaffneter Langhaariger."
Es waren die mittlerweile zu Oberleutnants ernannten Bauernkämpfer aus Ches Guerilla-Abteilung Hermes Peña, José Argudín, Alberto Castellanos, Harry Villegas und Leonardo Tamayo. Als Salvador Vilaseca die Verwaltung der Bank übernehmen sollte, sagte er: "Hören Sie Kommandant, ich weiß nichts über Banken." Darauf Che: "Ich auch nicht und dabei bin ich der Präsident, aber wenn die Revolution dich ruft…"
Den Duisenbergs von heute sei noch erzählt, dass Che Guevara sich weigerte, für all die Ämter gleichzeitig Gehälter zu beziehen. Er bekam nur seinen Kommandantensold von 440 Pesos. Davon gab er 100 Pesos an Hilda Gadea für die gemeinsame Tochter. 50 Pesos zahlte er Miete für seine Wohnung und 50 Pesos gehen durch Ratenzahlungen für seinen gebrauchten Wagen drauf. Vom Rest beglich er Essen, Trinken und Haushalt.
Als kurz nach seiner Amtsübernahme Che Guevaras Buch Der Guerillakrieg (auch: Der Partisanenkrieg) erschien, mussten alle interessierten Freunde und Mitarbeiter das Buch für 50 Centavos kaufen. Allein die Mitglieder des Verwaltungsrats der Zentralbank, gestandene Kapitalisten wie der Vertreter der US-amerikanischen Chase Manhattan Bank, Finley, bekamen es als pädagogisches Geschenk. Eines Tages werden wir es auch den Herren von Europäischer Zentralbank und Bundesbank überreichen, als Urkunde ihrer Entmachtung, und wenn er bis dahin lesen kann, auch Hans Eichel.
Thies Gleiss


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