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Wenn ich etwas sage, machen vielleicht die Arbeiter Ärger", begründet Edward Lowassa Anfang Februar 2002
seine Weigerung, Fragen zur Privatisierung der Wasserversorgung in der tansanischen Metropole Daressalam zu beantworten. Lowassa ist Minister für
Wasser und Viehhaltung und will eine Woche später nach Washington, um dort mit der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und
potenziellen Investoren über die Vergabe des zehnjährigen Leasingvertrags der Wasserversorgung Daressalams zu verhandeln. Damit erfüllt
er eine Auflage, die der IWF explizit an einen Teilschuldenerlass für die tansanische Regierung geknüpft hatte.
Die Regierungsstellen sind nicht gut koordiniert. Während Lowassa mehrere Anfragen
zur Wasserprivatisierung zurückweist, ist die Öffentlichkeitsabteilung der Reformkommission des Präsidenten (PSRC) wesentlich
auskunftsfreudiger. Die vom neoliberalen Adam Smith Institute aus Großbritannien intensiv betreute Abteilung gibt grünes Licht für ein
Interview mit dem zuständigen Sachbearbeiter, Nshoya Magotti.
Wie viele andere beklagt auch er zunächst den schlechten Zustand der Wasserversorgung
in Daressalam. Die zuständige Wasserbehörde Dawasa verwaltet ein Leitungsnetz von 824 Kilometern für die Wasserversorgung und 170
Kilometern für die Abwasserentsorgung in der Region. Die seit 1950 kaum gewarteten Systeme haben flutartige Regenfälle im Zuge von El Niņo
1998 zusätzlich stark beschädigt.
Magotti geht von fast 300 Millionen Litern täglicher Kapazität an Leitungswasser
aus, von denen allerdings 30% durch undichte Leitungen auf dem Weg zum Endverbraucher verloren gehen. Doch das ist keine afrikanische Spezialität.
Auch in deutschen Städten, die wie Düsseldorf oder Stuttgart über vergleichsweise alte Versorgungssysteme verfügen, gibt es bis zu
20% Wasserverlust.
Was allerdings letztendlich in Daressalam aus dem Wasserhahn läuft, ist kein
Trinkwasser, sondern muss vor dem Verzehr abgekocht werden.
Knapp 70% der geschätzten 45 Millionen Bewohner Daressalams haben laut
Angaben der Weltbank "irgendwie Zugang zu Leitungswasser". Völlig abhängig von Zulieferern und oftmals ohne Zugang zu
Standrohren, Brunnen oder Wasserlöchern sind die neuen Bewohner der Millionenstadt, die vom Land in die Außenbezirke der Stadt gezogen sind
und sich dort in Blech- und Holzhüttensiedlungen ohne jede Infrastruktur niedergelassen haben. Nach offiziellen Angaben wächst die
Bevölkerung von Daressalam jährlich um eine zweistellige Prozentzahl, 1995 sollen es sogar 24% gewesen sein.
In einigen dieser Siedlungen gibt es unter- oder oberirdische Wassertanks, die von einem der
16 zur Verfügung stehenden Lastkraftwagen täglich nachgefüllt werden. Aber auch Personenkraftwagen, die kleinere Wasserbehälter
transportieren, sind ein häufiger Anblick in der Metropole, ebenso wie das letzte Glied in der Verteilungskette: Straßenverkäufer, die mit
ihren zweirädrigen Handwagen mit jeweils sechs 20-Liter-Containern umherfahren und Wasser zum Verkauf anbieten.
Gründe für die schlechte Wasserversorgung sind nach Ansicht Magottis neben den zahlreichen ungenehmigten Zapfstellen die "viel zu
niedrigen" Konsumentenpreise, die nicht einmal die Kosten decken würden. Zudem gibt es kaum Zähler, um den Wasserverbrauch beziffern
zu können. Die Endverbraucher, die einen regulären Anschluss haben, bezahlen eine Pauschale an Dawasa, die sich nach einem Volumen von 28
Kubikmetern Wasserverbrauch pro Monat und Haushalt bemisst.
Zudem stellt Dawasa zahlreiche öffentlichen Zapfstellen zur Verfügung, an denen
die Stadtbevölkerung sich kostenlos bedienen kann. Neben diesen "Missständen" findet Magotti, dass bei Dawasa zu viele Arbeiter
beschäftigt sind und dies einer der Hauptgründe sei, warum die Wasserversorgung so unrentabel ist. Weder Magotti noch der Vertragsentwurf der
PSRC erwähnen, dass es erhebliche, zum Teil jahrelange Zahlungsrückstände staatlicher Institutionen und von Ministerien gibt, die
große Löcher in das Dawasa-Budget gerissen haben.
Ein privates Unternehmen soll nun dafür sorgen, dass sich die Situation verbessert. Doch
die Wasserversorgung für eine Metropole wie Daressalam ist kein Kinderspiel, es gibt viele Begehrlichkeiten und bei einigen Unternehmen die Hoffnung
auf schnellen Profit. "Wir sind uns der Fallen und Hintertüren bei internationalen Verträgen durchaus bewusst", erklärt Magotti.
Deshalb setzten Ministerium und Reformkommission auf den Sachverstand der Weltbank, deren Vertreter, ein Franzose, bei allen Verhandlungen mit am Tisch
sitzt und das letzte Wort hat. Drei Unternehmen sind in die engere Auswahl gekommen: General des Eaux und Saur International aus Frankreich sowie ein
britisch-deutsches Joint Venture, bestehend aus Gauff Ingenieure und Biwater.
Natürlich wollen die drei Bewerber mit ihren Investitionen in den
Grundversorgungsbereich Wasser Gewinne erzielen. "Viele Tansanier sind immer noch der Ansicht, weil der Regen vom Himmel falle, müsse das
Wasser umsonst sein", meint etwas herablassend eine Sprecherin von Dawasa. Doch damit wird es spätestens nach der Übernahme durch den
privaten Investor vorbei sein, die noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Die Hauptaufgabe sehen Weltbank, PSRC, Ministerium und die Dawasa-
Führung in der Erfassung des individuellen Endverbrauchs und einer eklatanten Verbesserung der Zahlungsmoral.
Bevor einer der neuen Bewerber übernimmt, muss Dawasa noch 120 Millionen Dollar in
die Verbesserung der Infrastruktur stecken. Das haben die Bewerber als Vorbedingung formuliert. Für die Rückzahlung der Schulden an die
Kreditgeber Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank, Europäische Investitionsbank und Französische Entwicklungsbank ist
allein Dawasa verantwortlich.
Die neue Partei im Geschäft mit dem Wasser, das private Unternehmen, wird in erster
Linie Zähler bei den Endverbrauchern anbringen, für das Rechnungswesen und eine bessere Zahlungsmoral zuständig sein. Weltbank und
tansanische Regierung verlangen lediglich 2,5 Millionen US-Dollar Einstiegskapital und eine monatliche Mietgebühr von 50000 Dollar. Dafür darf
das Unternehmen 70% der Endgebühren einstreichen.
Ein Millionengeschäft: Bei einem Verbrauch von etwa 300 Millionen Litern
täglich und der angekündigten Preiserhöhung beläuft sich der monatliche Umsatz, selbst bei Berücksichtigung der
Wasserverluste durch undichte Leitungen, auf weit mehr als eine Million US-Dollar. Knapp 800000 US-Dollar sind für den Bewerber. Davon gehen
Ausgaben für die Messtechnik, das Rechnungssystem, die Miete und die mageren Gehälter für einen Teil der Beschäftigten ab.
Für neue Leitungen, Instandhaltung und Verbesserung der bestehenden Systeme
müssen 30% ausreichen, die Dawasa vom Umsatz erhält und mit denen die Behörde außerdem noch die neuen Schulden abbezahlen
soll. Um den erhofften Reingewinn zu steigern, sind noch die bei Privatisierungen und Firmenübernahmen üblichen Einschnitte geplant:
Massenentlassungen. "Dawasa hat ungefähr 1400 Beschäftigte. Wir erwarten, dass Dawasa und der neue private Betreiber bis zu 700 von
ihnen übernehmen und vielleicht die Hälfte der Leute draußen bleiben muss", beschreibt der Regierungsmann Magotti die Situation.
Etwaige andere "Risikofaktoren" wie Zahlungsunfähigkeit von Verbrauchern, die von den Verhandlungsführern gerne als
"Zahlungsunwilligkeit" bezeichnet wird, sollen so niedrig wie möglich gehalten werden. Die deutschen Bewerber, Gauff Ingenieure, die schon
in mehreren afrikanischen Ländern Erfahrungen gesammelt haben, kündigen ein "konsequentes Vorgehen" an, sollten Endverbraucher
ihre Rechnungen nicht zahlen. Mittelfristig soll der Preis nach der Privatisierung fast auf das Doppelte steigen, auf umgerechnet 5 Cent je Eimer. Bei einem
durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von nicht einmal einem Dollar täglich ist das eine beträchtliche Summe.
Jürgen Berthold, der Leiter der tansanischen Niederlassung, will sich zwar bei sozialen
Härtefällen für eine Ratenzahlung stark machen. Doch sein Chef Wolfgang Chalet, Leiter der Afrika-Abteilung bei Gauff Ingenieure,
lässt keinen Zweifel daran, dass die Zahlungsmoral nur verbessert werden kann, wenn als letzter Schritt "rigoros das Wasser abgestellt" wird.
Bei der Wasserprivatisierung werde, so versichert Magotti, größter Wert auf
Bürgerbeteiligung und Transparenz gelegt. Doch selbst zur Woche des Wassers, die in ganz Tansania seit vielen Jahren mit öffentlichen
Veranstaltungen und Kundgebungen begangen wird, fand sich Mitte März nicht ein Nachrichtenbeitrag zu der anstehenden Privatisierung der
Wasserversorgung in Daressalam in den Zeitungen.
Julio Rutatina, Generalsekretär der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes,
beschwert sich, dass weder seine Gewerkschaft, noch die Belegschaft von Dawasa über die anstehende Übernahme informiert, geschweige denn an
den laufenden Verhandlungen beteiligt sei. Ähnlich reagiert Joseph Momila, Vater von sieben Kindern, der im Armenstadtteil Temeke lebt. Er fällt
aus allen Wolken, als er von der geplanten Preiserhöhung hört.
Momila weiß nicht, woher er das Geld nehmen soll. In Temeke hat niemand die
Bewohner nach ihrer Meinung gefragt, weder Dawasa oder die Reformkommission, noch das Ministerium oder die so nachdrücklich auf Transparenz
bedachte Weltbank. "Wenn die uns das Wasser abstellen, gibt es hier Ärger", sagt Joseph Momila. Wie in Bolivien, wo ein US-amerikanischer
Konzern vor zwei Jahren die Wasserpreise derart angehoben hatte, dass es anschließend zu Massenprotesten kam.
Gerhard Klas