SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2002, Seite 13

Geschäfte mit der Armut

In Daressalam wird die Wasserversorgung privatisiert

Wenn ich etwas sage, machen vielleicht die Arbeiter Ärger", begründet Edward Lowassa Anfang Februar 2002 seine Weigerung, Fragen zur Privatisierung der Wasserversorgung in der tansanischen Metropole Daressalam zu beantworten. Lowassa ist Minister für Wasser und Viehhaltung und will eine Woche später nach Washington, um dort mit der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und potenziellen Investoren über die Vergabe des zehnjährigen Leasingvertrags der Wasserversorgung Daressalams zu verhandeln. Damit erfüllt er eine Auflage, die der IWF explizit an einen Teilschuldenerlass für die tansanische Regierung geknüpft hatte.
Die Regierungsstellen sind nicht gut koordiniert. Während Lowassa mehrere Anfragen zur Wasserprivatisierung zurückweist, ist die Öffentlichkeitsabteilung der Reformkommission des Präsidenten (PSRC) wesentlich auskunftsfreudiger. Die vom neoliberalen Adam Smith Institute aus Großbritannien intensiv betreute Abteilung gibt grünes Licht für ein Interview mit dem zuständigen Sachbearbeiter, Nshoya Magotti.
Wie viele andere beklagt auch er zunächst den schlechten Zustand der Wasserversorgung in Daressalam. Die zuständige Wasserbehörde Dawasa verwaltet ein Leitungsnetz von 824 Kilometern für die Wasserversorgung und 170 Kilometern für die Abwasserentsorgung in der Region. Die seit 1950 kaum gewarteten Systeme haben flutartige Regenfälle im Zuge von El Niņo 1998 zusätzlich stark beschädigt.
Magotti geht von fast 300 Millionen Litern täglicher Kapazität an Leitungswasser aus, von denen allerdings 30% durch undichte Leitungen auf dem Weg zum Endverbraucher verloren gehen. Doch das ist keine afrikanische Spezialität. Auch in deutschen Städten, die wie Düsseldorf oder Stuttgart über vergleichsweise alte Versorgungssysteme verfügen, gibt es bis zu 20% Wasserverlust.
Was allerdings letztendlich in Daressalam aus dem Wasserhahn läuft, ist kein Trinkwasser, sondern muss vor dem Verzehr abgekocht werden.
Knapp 70% der geschätzten 4—5 Millionen Bewohner Daressalams haben laut Angaben der Weltbank "irgendwie Zugang zu Leitungswasser". Völlig abhängig von Zulieferern und oftmals ohne Zugang zu Standrohren, Brunnen oder Wasserlöchern sind die neuen Bewohner der Millionenstadt, die vom Land in die Außenbezirke der Stadt gezogen sind und sich dort in Blech- und Holzhüttensiedlungen ohne jede Infrastruktur niedergelassen haben. Nach offiziellen Angaben wächst die Bevölkerung von Daressalam jährlich um eine zweistellige Prozentzahl, 1995 sollen es sogar 24% gewesen sein.
In einigen dieser Siedlungen gibt es unter- oder oberirdische Wassertanks, die von einem der 16 zur Verfügung stehenden Lastkraftwagen täglich nachgefüllt werden. Aber auch Personenkraftwagen, die kleinere Wasserbehälter transportieren, sind ein häufiger Anblick in der Metropole, ebenso wie das letzte Glied in der Verteilungskette: Straßenverkäufer, die mit ihren zweirädrigen Handwagen mit jeweils sechs 20-Liter-Containern umherfahren und Wasser zum Verkauf anbieten.

Sanieren für den Investor

Gründe für die schlechte Wasserversorgung sind nach Ansicht Magottis neben den zahlreichen ungenehmigten Zapfstellen die "viel zu niedrigen" Konsumentenpreise, die nicht einmal die Kosten decken würden. Zudem gibt es kaum Zähler, um den Wasserverbrauch beziffern zu können. Die Endverbraucher, die einen regulären Anschluss haben, bezahlen eine Pauschale an Dawasa, die sich nach einem Volumen von 28 Kubikmetern Wasserverbrauch pro Monat und Haushalt bemisst.
Zudem stellt Dawasa zahlreiche öffentlichen Zapfstellen zur Verfügung, an denen die Stadtbevölkerung sich kostenlos bedienen kann. Neben diesen "Missständen" findet Magotti, dass bei Dawasa zu viele Arbeiter beschäftigt sind und dies einer der Hauptgründe sei, warum die Wasserversorgung so unrentabel ist. Weder Magotti noch der Vertragsentwurf der PSRC erwähnen, dass es erhebliche, zum Teil jahrelange Zahlungsrückstände staatlicher Institutionen und von Ministerien gibt, die große Löcher in das Dawasa-Budget gerissen haben.
Ein privates Unternehmen soll nun dafür sorgen, dass sich die Situation verbessert. Doch die Wasserversorgung für eine Metropole wie Daressalam ist kein Kinderspiel, es gibt viele Begehrlichkeiten und bei einigen Unternehmen die Hoffnung auf schnellen Profit. "Wir sind uns der Fallen und Hintertüren bei internationalen Verträgen durchaus bewusst", erklärt Magotti. Deshalb setzten Ministerium und Reformkommission auf den Sachverstand der Weltbank, deren Vertreter, ein Franzose, bei allen Verhandlungen mit am Tisch sitzt und das letzte Wort hat. Drei Unternehmen sind in die engere Auswahl gekommen: General des Eaux und Saur International aus Frankreich sowie ein britisch-deutsches Joint Venture, bestehend aus Gauff Ingenieure und Biwater.
Natürlich wollen die drei Bewerber mit ihren Investitionen in den Grundversorgungsbereich Wasser Gewinne erzielen. "Viele Tansanier sind immer noch der Ansicht, weil der Regen vom Himmel falle, müsse das Wasser umsonst sein", meint etwas herablassend eine Sprecherin von Dawasa. Doch damit wird es spätestens nach der Übernahme durch den privaten Investor vorbei sein, die noch in diesem Jahr entschieden werden soll. Die Hauptaufgabe sehen Weltbank, PSRC, Ministerium und die Dawasa- Führung in der Erfassung des individuellen Endverbrauchs und einer eklatanten Verbesserung der Zahlungsmoral.
Bevor einer der neuen Bewerber übernimmt, muss Dawasa noch 120 Millionen Dollar in die Verbesserung der Infrastruktur stecken. Das haben die Bewerber als Vorbedingung formuliert. Für die Rückzahlung der Schulden an die Kreditgeber — Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank, Europäische Investitionsbank und Französische Entwicklungsbank — ist allein Dawasa verantwortlich.
Die neue Partei im Geschäft mit dem Wasser, das private Unternehmen, wird in erster Linie Zähler bei den Endverbrauchern anbringen, für das Rechnungswesen und eine bessere Zahlungsmoral zuständig sein. Weltbank und tansanische Regierung verlangen lediglich 2,5 Millionen US-Dollar Einstiegskapital und eine monatliche Mietgebühr von 50000 Dollar. Dafür darf das Unternehmen 70% der Endgebühren einstreichen.
Ein Millionengeschäft: Bei einem Verbrauch von etwa 300 Millionen Litern täglich und der angekündigten Preiserhöhung beläuft sich der monatliche Umsatz, selbst bei Berücksichtigung der Wasserverluste durch undichte Leitungen, auf weit mehr als eine Million US-Dollar. Knapp 800000 US-Dollar sind für den Bewerber. Davon gehen Ausgaben für die Messtechnik, das Rechnungssystem, die Miete und die mageren Gehälter für einen Teil der Beschäftigten ab.
Für neue Leitungen, Instandhaltung und Verbesserung der bestehenden Systeme müssen 30% ausreichen, die Dawasa vom Umsatz erhält und mit denen die Behörde außerdem noch die neuen Schulden abbezahlen soll. Um den erhofften Reingewinn zu steigern, sind noch die bei Privatisierungen und Firmenübernahmen üblichen Einschnitte geplant: Massenentlassungen. "Dawasa hat ungefähr 1400 Beschäftigte. Wir erwarten, dass Dawasa und der neue private Betreiber bis zu 700 von ihnen übernehmen und vielleicht die Hälfte der Leute draußen bleiben muss", beschreibt der Regierungsmann Magotti die Situation.

"Dann gibt es Ärger"

Etwaige andere "Risikofaktoren" wie Zahlungsunfähigkeit von Verbrauchern, die von den Verhandlungsführern gerne als "Zahlungsunwilligkeit" bezeichnet wird, sollen so niedrig wie möglich gehalten werden. Die deutschen Bewerber, Gauff Ingenieure, die schon in mehreren afrikanischen Ländern Erfahrungen gesammelt haben, kündigen ein "konsequentes Vorgehen" an, sollten Endverbraucher ihre Rechnungen nicht zahlen. Mittelfristig soll der Preis nach der Privatisierung fast auf das Doppelte steigen, auf umgerechnet 5 Cent je Eimer. Bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen von nicht einmal einem Dollar täglich ist das eine beträchtliche Summe.
Jürgen Berthold, der Leiter der tansanischen Niederlassung, will sich zwar bei sozialen Härtefällen für eine Ratenzahlung stark machen. Doch sein Chef Wolfgang Chalet, Leiter der Afrika-Abteilung bei Gauff Ingenieure, lässt keinen Zweifel daran, dass die Zahlungsmoral nur verbessert werden kann, wenn als letzter Schritt "rigoros das Wasser abgestellt" wird.
Bei der Wasserprivatisierung werde, so versichert Magotti, größter Wert auf Bürgerbeteiligung und Transparenz gelegt. Doch selbst zur Woche des Wassers, die in ganz Tansania seit vielen Jahren mit öffentlichen Veranstaltungen und Kundgebungen begangen wird, fand sich Mitte März nicht ein Nachrichtenbeitrag zu der anstehenden Privatisierung der Wasserversorgung in Daressalam in den Zeitungen.
Julio Rutatina, Generalsekretär der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, beschwert sich, dass weder seine Gewerkschaft, noch die Belegschaft von Dawasa über die anstehende Übernahme informiert, geschweige denn an den laufenden Verhandlungen beteiligt sei. Ähnlich reagiert Joseph Momila, Vater von sieben Kindern, der im Armenstadtteil Temeke lebt. Er fällt aus allen Wolken, als er von der geplanten Preiserhöhung hört.
Momila weiß nicht, woher er das Geld nehmen soll. In Temeke hat niemand die Bewohner nach ihrer Meinung gefragt, weder Dawasa oder die Reformkommission, noch das Ministerium oder die so nachdrücklich auf Transparenz bedachte Weltbank. "Wenn die uns das Wasser abstellen, gibt es hier Ärger", sagt Joseph Momila. Wie in Bolivien, wo ein US-amerikanischer Konzern vor zwei Jahren die Wasserpreise derart angehoben hatte, dass es anschließend zu Massenprotesten kam.

Gerhard Klas


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