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Das Sujet ist brandaktuell: Das private Unternehmertum gilt heute vielen Entwicklungshilfeorganisationen und anderen NGOs,
sozialdemokratischen ebenso wie konservativen Parteien, ganz zu schweigen von den G7 und ihren internationalen Institutionen wie Weltbank, Internationaler
Währungsfonds (IWF) und Welthandelsorganisation (WTO) als Allheilmittel für die Probleme der Welt.
Insgesamt zwölf Autoren, unter ihnen einer, der nicht aus der Europäischen Union
oder den USA kommt, beschäftigen sich mit den unterschiedlichsten Aspekten der Privatisierung der Weltpolitik. Darunter sind lesenswerte
Beiträge, die einen guten Überblick bieten: Bernd Ludermann, Redakteur des Entwicklungsmagazins Der Überblick, beschreibt den
Funktionswandel der entwicklungspolitischen NGOs nach dem Kalten Krieg, und Peter Lock, Koordinator für russisch-deutsche
Forschungszusammenarbeit, erläutert, wie private Unternehmen die Aufgaben staatlicher Gewaltmonopole übernehmen. Etwas unkritisch
gegenüber Verhaltenskodizes als einem Instrument zur Verbesserung von Arbeitsbedingungen gibt sich ein Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in
New York. Ernst Hillebrand, der ebenfalls für die sozialdemokratische Stiftung arbeitet, glaubt sogar an eine Transformation der Rating-Agenturen, deren
Einfluss auf Investitionsflüsse er höher einschätzt als die des IWF oder der Weltbank.
Die interessantesten Kapitel sind die von James A. Paul und Phyllis Bennis, die sich kritisch
mit dem Wandel der UNO befassen. Ihre Resultate dürften ernüchternd auf diejenigen wirken, die nach wie vor auf die UNO als Garanten von
Menschenrechten setzen. Seit der Veröffentlichung des Buches, das ausführlich auf die Hintergründe des "Global Compact"
eingeht, mit dem Transnationalen Konzernen wie Shell, BP, Bayer, Aventis, Novartis und viele andere für einen finanziellen Beitrag an die Vereinten
Nationen eine soziale und umweltpolitische Unbedenklichkeitsbescheinigung erhalten, ist viel passiert.
Vor allem die Unterorganisation United Nations Development Programme (UNDP) hat im
vergangenen Jahr für die Life-Science-Konzerne einen außerordentlichen Gefälligkeitsbericht geschrieben. Der Human Development Report
2001 der UNDP mit dem Untertitel "Making new technologies work for human development" will den Hunger in der Welt mit "grüner
Gentechnologie", d.h. gentechnisch manipuliertem Saatgut, bekämpfen.
Damit übernimmt UNDP erstmals die Argumentation der Biotech-Unternehmen und
erklärt den Hunger als eine Folge der unzureichenden Produktion. Seriöse Wissenschaftler bestreiten dies nach wie vor. Sie sehen die Ursachen
für Hungersnöte in der ungerechten Verteilung der Lebensmittel auf dem Weltmarkt. Außerdem haben sich in vielen
Entwicklungsländern Monokulturen als Resultat einer einseitigen Exportwirtschaft etabliert, deren Produktion sich ausschließlich an den
Bedürfnissen der reichen Industriestaaten orientiert. Indes finden Wissenschaftler mit solchen Argumenten bei der UNDP kein Gehör mehr. Es sei
denn, sie bringen Geld mit.
Gerhard Klas