SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2002, Seite14

EU-Gipfel Sevilla

Festung Europa

Auf dem Juni-Gipfel der EU in Sevilla ist das europäische Projekt der Rechten — die in Italien, Irland, Holland, Dänemark und Frankreich bedeutende Wahlerfolge erzielt hat — zum erstenmal deutlich hervorgetreten. Gestützt auf die bewährte Allianz mit Blair und Berlusconi hat der spanische Ministerpräsident Aznar ein Konzept vorgelegt, das der EU ein neues, rechtsliberales Gesicht geben wird. Seine Eckpfeiler sind: die Osterweiterung wird auf Eis gelegt; die Außengrenzen der bestehenden EU mit einer europäischen Grenzpolizei geschützt; der "Kampf gegen den Terrorismus" zum Leitfaden der Politik der inneren Sicherheit.
500 MigrantInnen, in der Mehrzahl Afrikaner, verbarrikadierten sich in den Tagen des Gegengipfels und der Proteste von Sevilla in der dortigen Universität. Es handelt sich um Saisonarbeiter mit einer befristeten Aufenthaltsberechtigung, die auf den Erdbeerfeldern gearbeitet haben. Der Aufenthalt war ihnen ausschließlich auf dem Land, nicht in der Stadt erlaubt. Nach Ablauf der Aufenthaltsgenehmigung sollten sie das Land verlassen — sie wurden gegen osteuropäische Arbeiter ausgetauscht.
Dieser Krieg gegen die Armen, den die Regierung Aznar mit perfiden Mitteln schürt, bekam auf dem Gipfel der Ratsherren einen europäischen Segen: Der Kampf gegen "illegale" Einwanderung steht jetzt obenan — wahlwirksam, um die extreme Rechte mit ihren Themen zu schlagen. Die spanische Präsidentschaft hat einen Prozess in vier Etappen vorgesehen: die gemeinsame Sicherung der Außengrenzen (dafür wird eine europäische Grenzpolizei aufgestellt); die Abstimmung der Bekämpfung der "Illegalen", die in der gesamten EU auf drei Millionen geschätzt werden; die "Angleichung" der Asylgesetze und die Zusammenarbeit mit den Flucht- und den Transitländern. Der letzte Punkt war umstritten, weil Aznar (mit Unterstützung von Blair u.a., aber gegen den Willen des Konservativen Chirac), die Kooperationsbereitschaft dieser Länder an die Entwicklungshilfe binden wollte.
Die "Sicherung" nach außen wird eng mit der "inneren Sicherheit" verkoppelt; Parteien sollen per Gesetz überprüft werden, ob sie "Terroristen" Unterschlupf bieten.
Die Osterweiterung ist derzeit blockiert, weil sie sich kaum realisieren lässt, wenn die Kontrolle der Außengrenzen, der Arbeitsmärkte und die Beibehaltung der Agrarsubventionen oberste Priorität haben. Aus Entgegenkommen gegenüber wachsenden rechtspopulistischen Strömungen hört der Liberalismus an diesen Punkten auf, behindert damit aber die weitere Ausdehnung des EU-Projekts. Die Propaganda "Freier Markt ist was für freie Bürger" hat offensichtlich ausgedient; jetzt verbindet er sich zunehmend mit Law und Order und der Jagd auf improvisierte "Terroristen".
Es wird einen nicht wunder nehmen, dass diese Linie eine stärkere Anlehnung an die USA und ihre Kriegspolitik sucht. Europa soll in der Vision der Rechten eine Wirtschaftsmacht bleiben, die Vormachtstellung der USA aber nicht angetastet werden. Die erweiterte politische Integration leidet darunter, nicht aber der Ausbau der EU zu einer Militär- und Polizeimacht. Den sozial Schwächeren werden soziale Rechte genommen und es wird ihnen ein starker Staat gegenübergestellt, der sich verstärkt auf die Repression stützt.
Die Reform der EU-Institutionen wurde auch eher auf die lange Bank geschoben: Aznar hat Reformvorschläge unterbreitet, die sofort umgesetzt werden können, ohne die Verträge zu ändern: dazu gehört eine Effektivierung der Arbeit des Rats (bessere Vorbereitung, Beschränkung auf eintägige Sitzungen, kleinere Delegationen, weniger Minsterräte (von 16 auf 10 etwa). Frankreich ist bei seinem Nein zu einer weiteren Ausdehnung des Mehrheitsvotums geblieben. Über die Frage der Verteilung der Behörden auf die Mitgliedstaaten wurde nicht gesprochen.

Angela Klein


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