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Seinen amerikanischen Landsleuten war Ralph Reed Jr. bisher vor allem als christlich-fundamentalistischer Kämpfer
gegen Feminismus, Abtreibung und Homosexualität bekannt. Doch vor kurzem hat der ehemalige Direktor der kleinbürgerlich-konservativen
Christian Coalition und jetzige Vorsitzende der Republikanischen Partei im US-Bundesstaat Georgia ein neues Betätigungsfeld aufgetan. Anfang Juni
gründete Reed die Organisation Stand for Israel. Das neue Projekt soll vor allem im Internet präsent sein und E-Mail-Kampagnen zur
Unterstützung der israelischen Regierungspolitik unter evangelikalen Christen organisieren eine Gruppe, die mit geschätzten 40 Millionen
Anhängern und einer umfangreichen Infrastruktur aus Zeitschriften, Radio- und Fernsehstationen sowie eigenen Bildungseinrichtungen in den USA
durchaus von Bedeutung ist.
Die Argumentation der Fundamentalchristen ist dabei so bizarr wie mobilisierungswirksam:
Erst wenn alle Juden nach Israel zurückgekehrt seien (nach "Groß-Israel" dazu gehören auch Westbank und Gazastreifen),
werde der Messias erneut zur Erde herabsteigen und das Ende der Welt verkünden. Dass nach dieser Vorstellung allerdings zuvor auch alle Juden zum
Christentum bekehrt werden müssen, wird neuerdings jedoch weniger häufig erwähnt, ist jedoch nach wie vor integraler Bestandteil dieser
absurden Ideologie.
So erklärt etwa der evangelikale Fernsehprediger Jerry Falwell seinen Anhängern:
"Israel ist zurück im Gelobten Land. Doch die meisten dort befinden sich im Unglauben ... sie glauben an Gott, aber sie müssen noch Jesus
Christus als ihren Messias und Herrn annehmen. Israel wartet noch auf seine geistige Wiedergeburt."
Yechiel Eckstein, orthodoxer Rabbiner und Ko-Direktor von Stand for Israel sieht den Sinn des
Projekts denn auch etwas pragmatischer: "Immer dann ... wenn jemand in Washington Druck auf den israelischen Premierminister ausübt, sich im
Kampf gegen den Terrorismus zurückzuhalten, werden wir den Knopf drücken und die Truppen mobilisieren", zitiert ihn die International
Herald Tribune vom 10.Juni.
Reeds Initiative steht keinesfalls allein. Auch Gary Bauer, genau wie Reed ein alter Kämpfer für die Sache der Christlichen Rechten und vor drei
Jahren Konkurrent von George W. Bush bei der Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, unterstützt vehement die Politik
Ariel Sharons. Seine Position basiere "auf der Lektüre der Heiligen Schrift, wobei Evangelikale glauben, dass Gott dieses Land dem jüdischen
Volk versprochen hat", erklärte Bauer gegenüber der Washington Post vom 7.April.
In Fragen der amerikanischen Außenpolitik sind die Fundamentalchristen in den letzten
Jahren zunehmend Bündnisse mit wirtschaftsliberal-neokonservativen Gruppen, die den Nahen Osten vor allem unter militärstrategischen Aspekten
sehen, und anderen Strömungen der US-Rechten eingegangen. Und so findet sich auch der Name von Gary Bauer unter einem Offenen Brief an George W.
Bush, in dem eine Reihe prominenter Rechtsausleger Anfang April Forderungen und Konzepte zur Nahostpolitik der USA formulierte.
Die Besetzung des Westjordanlands durch israelische Truppen wird dabei umstandslos als Teil
des "Krieges gegen den Terror" gutgeheißen und Arafat mit Bin Laden gleichgestellt: "Es kann nicht länger die Politik der USA
sein, Israel zu einer Fortsetzung der Verhandlungen mit Arafat zu drängen, genau so wenig, wie wir bereit wären, uns zu Verhandlungen mit Osama
Bin Laden oder Mullah Omar drängen zu lassen."
Neben der Unterstützung der israelischen Regierung fordern die Briefschreiber aber vor
allem einen möglichst schnellen Kriegsbeginn gegen den Irak: "Jeder Tag, den Saddam Hussein an der Macht bleibt, bringt uns dem Tag
näher, an dem Terroristen nicht nur Flugzeuge haben werden, um uns anzugreifen, sondern ebenso chemische, biologische und Nuklearwaffen",
heißt es. Initiiert wurde der Hardliner-Brief vom Project for the New American Century (PNAC), einem jener neokonservativen think tanks, die seit dem
11.September eine permanente und tendenziell unbegrenzte Ausdehnung des sog. "Krieges gegen den Terror" propagieren.
Neben dem PNAC haben sich dabei besonders das 1943 gegründete American Enterprise
Institute (AEI), zu dessen Mitarbeitern u.a.die frühere amerikanische UNO-Botschafterin Jane Kirkpatrick und der ehemalige CIA-Nahostspezialist Reuel
Marc Gerecht gehören, sowie das an der Nahtstelle von Rüstungsindustrie und Politik operierende Center for Security Policy (CPS) hervorgetan.
Vorsitzender des CPS ist der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister unter Ronald
Reagan, Frank J. Gaffney. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Organisation Empower America, die sich stärker der
Öffentlichkeitsarbeit und einer Art Kampagnenpolitik verschrieben hat. Die rechten Denkfabriken sind dabei auf vielfältige Weise sowohl
untereinander wie auch mit der Bush-Regierung und besonders dem außenpolitischen Establishment personell und organisatorisch verbunden.
Das PNAC ist ein noch vergleichsweise junges Projekt. 1997 wurde es als Vereinigung von
Neokonservativen, Angehörigen der Christlichen Rechten und Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes gegründet. Vorsitzender ist
der konservative Publizist William Kristol, auch er ein ehemaliges Mitglied der Reagan-Regierung. Kristol ist zudem Herausgeber des Weekly Standard, einer
Zeitschrift, deren Artikel in neokonservativen Kreisen große Beachtung finden.
In einer "Prinzipienerklärung" beklagte das PNAC den damaligen Zustand
der Rechten: Konservative hätten nach dem Ende des Kalten Krieges weder eine strategische Vision für die Rolle der USA in der Welt noch
konkrete Leitlinien für die amerikanische Außenpolitik entworfen.
Das PNAC wolle dies ändern: "Wir werden diese Aufgabe angehen und die
Unterstützung für eine globale amerikanische Führungsrolle organisieren", heißt es in der Erklärung. Möglich sei
dies nur durch eine Rückkehr zu den Prinzipien der Reagan-Regierung: "Ein Militär, das stark ist und bereit, sowohl gegenwärtige als
auch zukünftige Herausforderungen anzunehmen, eine Außenpolitik, die klar und zielgerichtet amerikanische Prinzipien nach außen vertritt
und eine nationale Führung, die die globalen Verantwortlichkeiten der USA akzeptiert."
Mit dem Amtsantritt von George W. Bush konnte die Rechte nun endlich daran gehen, dieses
Programm praktisch umgesetzen und zur offiziellen Regierungspolitik zu machen. Die Liste der Unterstützer der PNAC- Prinzipienerklärung liest
sich wie ein "Whos who" des rechten Flügels der Republikanischen Partei aber auch der Außenpolitiker der jetzigen US-
Regierung. Jeb Buhs ist dabei, Senator von Florida und Bruder des Präsidenten, Vizepräsident Cheney, Verteidigungsminister Rumsfeld und sein
Stellvertreter Paul D. Wolfowitz, Francis Fukuyama Autor vom "Ende der Geschichte" sowie der Vorsitzende des American
Defense Policy Board (ADPB), Richard Perle.
Richard Perle dürfte auch deutschen Zeitungsleserinnen und -lesern bekannt sein. Die
Wochenzeitung Die Zeit etwa brachte Ende letzten Jahres einen Bericht über Perle, in dem sie ihm bescheinigte, er betreibe eine "Diplomatie mit
dem Revolver an der Schläfe". Obwohl Perles Defense Policy Board kein offizieller Teil des Regierungsapparats ist, hat es eine wichtige beratende
Funktion gegenüber dem Verteidigungsministerium und residiert entsprechend auch in unmittelbarer Nähe des Pentagon.
Eine der Hauptbeschäftigungen des ADPB, dem neben Perle auch andere Persönlichkeiten des aussenpolitischen Establishments wie der Ex-
Außenminister Hanry Kissinger angehören, scheint in der Entwicklung verschiedener Kriegsszenarien zu bestehen. So berichtete die Schweizer
Wochenzeitung am 1.November 2001 unter Berufung auf die New York Times und den britischen Observer von Plänen des ADPB, den südlichen
Irak zu besetzen und US-Truppen nach Syrien, in den Libanon, den Sudan oder nach Algerien zu schicken.
Perle selbst war einer der ersten, die nach den Ereignissen des 11.September einen
Kriegseinsatz gegen den Irak forderten. Bereits Mitte Oktober letzten Jahres erklärte Perle in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender
PBS: "Die Frage von Saddam Hussein liegt genau im Zentrum des Krieges gegen den Terrorismus. Es kann keinen Sieg im Krieg gegen den Terrorismus
geben, wenn Saddam Hussein am Ende immer noch an der Macht ist nicht nur, weil er Terroristen ausbildet ... und ihnen Unterschlupf gewährt
, sondern, weil er das Symbol für die Missachtung aller westlichen Werte ist."
Am 1.Juni hielt George W. Bush eine Rede vor den Absolventen der US-
Militärakademie in West Point, in der er erklärte, die USA würden sich zukünftig das Recht zu "vorwegnehmenden
Militärschlägen" und zum Aufspüren von "Terrorzellen" in 60 oder mehr Staaten vorbehalten. Die USA sollten aber auch
daran arbeiten, umfassende "moralische Klarheit" über Gut und Böse herzustellen.
Dieser Satz hätte geradewegs aus der Feder von William Bennent stammen
können, denn der ehemalige Erziehungsminister der Regierung Reagan, Chef einer Drogenkontrollbehörde unter George Bush Sr., Mitglied der
konservativen Heritage Foundation und des PNAC, ist der Spezialist der US-Rechten in Sachen "moralische Klarheit". Sogar ein Buch (Why We
Fight. Moral Clarity and the War on Terrorism) hat er dazu geschrieben.
Doch im Augenblick scheint Bennent sich Sorgen zu machen: "Unmittelbar nach den
Anschlägen des 11.September erreichte unsere Nation einen Moment der moralischen Klarheit, in dem gut von böse unterschieden wurde, richtig
von falsch. Die Herausforderung ist, diese Klarheit zu bewahren und sie auf die kommenden Monate und Jahre auszuweiten. Wir haben dies nicht getan",
schreibt er in einem Aufsatz mit dem Titel "Uncle Sam braucht dich noch. Amerikas Größe verliert sich in der moralichen Verwirrung".
Offenbar aus diesem Grund hat Bennent Mitte März als Ableger des bereits
erwähnten Thinktank Empower America das Projekt Americans For Victory Over Terrorism (Amerikaner für den Sieg über den Terrorismus
AVOT) ins Leben gerufen. Als Berater fungieren bei AVOT u.a.der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey und Frank J. Gaffney vom Center for
Security Policy.
Die Gründungserklärung von AVOT bedient sich einer ausgesprochen
martialischen Sprache: "Die beste Verteidigung ist ein guter Angriff", heißt es dort. "Amerika muss die militärische
Fähigkeit haben, die es uns ermöglicht, uns zu verteidigen, während wir die Terroristen ausrotten. AVOT wird eine Erhöhung des
Verteidigungshaushalts, die Erforschung und Aufstellung eines Raketenabwehrsystems und eine weitere Stärkung des Militärs
unterstützen."
Hauptziel soll aber sein, eine offensive und gezielte Public-Relations-Kampagne für die
Fortsetzung und Ausweitung des "Antiterrorkriegs"zu führen, denn, so Bennent in einer ganzseitigen Anzeige, die er am 10.März zur
Präsentation des Projekts AVOT in der New York Times schaltete, die Unterstützung für die US-Kriegspolitik in der Bevölkerung und
die "nationale Entschlossenheit" würden mit der Zeit nachlassen, wenn man sie nicht fördere. Ohne diese Unterstützung sei aber
der Krieg nicht zu gewinnen.
Für die US-Rechte steht der Feind dabei durchaus auch im eigenen Land. Bushs
"Antiterrorkrieg" bietet eine hervorragende Möglichkeit, den Kulturkampf um sog. "amerikanische Werte", den sie seit dem Ende
der 60er Jahre intensiv führt, mit einer agressiven Außenpolitik zu verbinden.
So heißt es in der erwähnten Anzeige: "Die Bedrohungen, denen wir heute
gegenüberstehen, sind sowohl äußere wie auch innere: äußere, insofern es Gruppen und Staaten gibt, die die USA angreifen
wollen; innere, insofern es jene gibt, die versuchen, diese Gelegenheit zu benutzen, um ihre Losung ‚Amerika ist selbst schuld zu verbreiten. Beide
Bedrohungen haben ihre Ursache entweder im Hass auf die amerikanischen Ideale ... oder im Missverständnis dieser Ideale."
Dieser Aspekt einer mit kultureller Überheblichkeit unterfütterten ideologischen
Offensive wird an anderer Stelle noch deutlicher. So schreibt Bennent in seinem bereits erwähnten Uncle-Sam-Artikel: "Solange wir nicht sehen,
dass die westliche Zivilisation eine überlegene Lebensweise ist und die USA die größte Nation der Welt sind, bleiben wir auf
brüchigem, schwankenden Boden."
Die außenpolitischen Konzeptionen der US-Rechten sind zutiefst von der Vision einer
hegemonialen und imperialen Rolle der USA geprägt. Der "Krieg gegen den Terrorismus" spielt dabei heute die ideologisch
vereinheitlichende und mobilisierende Rolle, die der Antikommunismus bis 1989 spielte. Innenpolitisch soll der "Antiterrorkrieg" helfen, politische
Gegner mundtot zu machen.
Dass die Bush-Regierung diese Konzepte beinahe ungebrochen umsetzt, zeigt aber auch, dass
das rechte Programm den Interessen des US-Kapitals entspricht. Es mag ein etwas provokativer Gedanke sein, aber vielleicht sollte die weltweite Bewegung
gegen kapitalistische Globalisierung und Krieg froh über einen Gegner sein, der seine Ziele derartig klar formuliert, statt sich wie vor einigen Jahren die
Clinton-Regierung im Kosovo-Krieg hinter einer heuchlerischen Menschenrechtsphraseologie zu verstecken.
Harald Etzbach