SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2002, Seite 17

Bibel, Bomben, Propaganda

Die US-amerikanische Rechte macht mobil

Seinen amerikanischen Landsleuten war Ralph Reed Jr. bisher vor allem als christlich-fundamentalistischer Kämpfer gegen Feminismus, Abtreibung und Homosexualität bekannt. Doch vor kurzem hat der ehemalige Direktor der kleinbürgerlich-konservativen Christian Coalition und jetzige Vorsitzende der Republikanischen Partei im US-Bundesstaat Georgia ein neues Betätigungsfeld aufgetan. Anfang Juni gründete Reed die Organisation Stand for Israel. Das neue Projekt soll vor allem im Internet präsent sein und E-Mail-Kampagnen zur Unterstützung der israelischen Regierungspolitik unter evangelikalen Christen organisieren — eine Gruppe, die mit geschätzten 40 Millionen Anhängern und einer umfangreichen Infrastruktur aus Zeitschriften, Radio- und Fernsehstationen sowie eigenen Bildungseinrichtungen in den USA durchaus von Bedeutung ist.
Die Argumentation der Fundamentalchristen ist dabei so bizarr wie mobilisierungswirksam: Erst wenn alle Juden nach Israel zurückgekehrt seien (nach "Groß-Israel" — dazu gehören auch Westbank und Gazastreifen), werde der Messias erneut zur Erde herabsteigen und das Ende der Welt verkünden. Dass nach dieser Vorstellung allerdings zuvor auch alle Juden zum Christentum bekehrt werden müssen, wird neuerdings jedoch weniger häufig erwähnt, ist jedoch nach wie vor integraler Bestandteil dieser absurden Ideologie.
So erklärt etwa der evangelikale Fernsehprediger Jerry Falwell seinen Anhängern: "Israel ist zurück im Gelobten Land. Doch die meisten dort befinden sich im Unglauben ... sie glauben an Gott, aber sie müssen noch Jesus Christus als ihren Messias und Herrn annehmen. Israel wartet noch auf seine geistige Wiedergeburt."
Yechiel Eckstein, orthodoxer Rabbiner und Ko-Direktor von Stand for Israel sieht den Sinn des Projekts denn auch etwas pragmatischer: "Immer dann ... wenn jemand in Washington Druck auf den israelischen Premierminister ausübt, sich im Kampf gegen den Terrorismus zurückzuhalten, werden wir den Knopf drücken und die Truppen mobilisieren", zitiert ihn die International Herald Tribune vom 10.Juni.

Rechte Koalitionen

Reeds Initiative steht keinesfalls allein. Auch Gary Bauer, genau wie Reed ein alter Kämpfer für die Sache der Christlichen Rechten und vor drei Jahren Konkurrent von George W. Bush bei der Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner, unterstützt vehement die Politik Ariel Sharons. Seine Position basiere "auf der Lektüre der Heiligen Schrift, wobei Evangelikale glauben, dass Gott dieses Land dem jüdischen Volk versprochen hat", erklärte Bauer gegenüber der Washington Post vom 7.April.
In Fragen der amerikanischen Außenpolitik sind die Fundamentalchristen in den letzten Jahren zunehmend Bündnisse mit wirtschaftsliberal-neokonservativen Gruppen, die den Nahen Osten vor allem unter militärstrategischen Aspekten sehen, und anderen Strömungen der US-Rechten eingegangen. Und so findet sich auch der Name von Gary Bauer unter einem Offenen Brief an George W. Bush, in dem eine Reihe prominenter Rechtsausleger Anfang April Forderungen und Konzepte zur Nahostpolitik der USA formulierte.
Die Besetzung des Westjordanlands durch israelische Truppen wird dabei umstandslos als Teil des "Krieges gegen den Terror" gutgeheißen und Arafat mit Bin Laden gleichgestellt: "Es kann nicht länger die Politik der USA sein, Israel zu einer Fortsetzung der Verhandlungen mit Arafat zu drängen, genau so wenig, wie wir bereit wären, uns zu Verhandlungen mit Osama Bin Laden oder Mullah Omar drängen zu lassen."
Neben der Unterstützung der israelischen Regierung fordern die Briefschreiber aber vor allem einen möglichst schnellen Kriegsbeginn gegen den Irak: "Jeder Tag, den Saddam Hussein an der Macht bleibt, bringt uns dem Tag näher, an dem Terroristen nicht nur Flugzeuge haben werden, um uns anzugreifen, sondern ebenso chemische, biologische und Nuklearwaffen", heißt es. Initiiert wurde der Hardliner-Brief vom Project for the New American Century (PNAC), einem jener neokonservativen think tanks, die seit dem 11.September eine permanente und tendenziell unbegrenzte Ausdehnung des sog. "Krieges gegen den Terror" propagieren.
Neben dem PNAC haben sich dabei besonders das 1943 gegründete American Enterprise Institute (AEI), zu dessen Mitarbeitern u.a.die frühere amerikanische UNO-Botschafterin Jane Kirkpatrick und der ehemalige CIA-Nahostspezialist Reuel Marc Gerecht gehören, sowie das an der Nahtstelle von Rüstungsindustrie und Politik operierende Center for Security Policy (CPS) hervorgetan.
Vorsitzender des CPS ist der ehemalige stellvertretende Verteidigungsminister unter Ronald Reagan, Frank J. Gaffney. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Organisation Empower America, die sich stärker der Öffentlichkeitsarbeit und einer Art Kampagnenpolitik verschrieben hat. Die rechten Denkfabriken sind dabei auf vielfältige Weise sowohl untereinander wie auch mit der Bush-Regierung und besonders dem außenpolitischen Establishment personell und organisatorisch verbunden.
Das PNAC ist ein noch vergleichsweise junges Projekt. 1997 wurde es als Vereinigung von Neokonservativen, Angehörigen der Christlichen Rechten und Vertretern des militärisch-industriellen Komplexes gegründet. Vorsitzender ist der konservative Publizist William Kristol, auch er ein ehemaliges Mitglied der Reagan-Regierung. Kristol ist zudem Herausgeber des Weekly Standard, einer Zeitschrift, deren Artikel in neokonservativen Kreisen große Beachtung finden.
In einer "Prinzipienerklärung" beklagte das PNAC den damaligen Zustand der Rechten: Konservative hätten nach dem Ende des Kalten Krieges weder eine strategische Vision für die Rolle der USA in der Welt noch konkrete Leitlinien für die amerikanische Außenpolitik entworfen.
Das PNAC wolle dies ändern: "Wir werden diese Aufgabe angehen und die Unterstützung für eine globale amerikanische Führungsrolle organisieren", heißt es in der Erklärung. Möglich sei dies nur durch eine Rückkehr zu den Prinzipien der Reagan-Regierung: "Ein Militär, das stark ist und bereit, sowohl gegenwärtige als auch zukünftige Herausforderungen anzunehmen, eine Außenpolitik, die klar und zielgerichtet amerikanische Prinzipien nach außen vertritt und eine nationale Führung, die die globalen Verantwortlichkeiten der USA akzeptiert."
Mit dem Amtsantritt von George W. Bush konnte die Rechte nun endlich daran gehen, dieses Programm praktisch umgesetzen und zur offiziellen Regierungspolitik zu machen. Die Liste der Unterstützer der PNAC- Prinzipienerklärung liest sich wie ein "Who‘s who" des rechten Flügels der Republikanischen Partei aber auch der Außenpolitiker der jetzigen US- Regierung. Jeb Buhs ist dabei, Senator von Florida und Bruder des Präsidenten, Vizepräsident Cheney, Verteidigungsminister Rumsfeld und sein Stellvertreter Paul D. Wolfowitz, Francis Fukuyama — Autor vom "Ende der Geschichte" — sowie der Vorsitzende des American Defense Policy Board (ADPB), Richard Perle.
Richard Perle dürfte auch deutschen Zeitungsleserinnen und -lesern bekannt sein. Die Wochenzeitung Die Zeit etwa brachte Ende letzten Jahres einen Bericht über Perle, in dem sie ihm bescheinigte, er betreibe eine "Diplomatie mit dem Revolver an der Schläfe". Obwohl Perles Defense Policy Board kein offizieller Teil des Regierungsapparats ist, hat es eine wichtige beratende Funktion gegenüber dem Verteidigungsministerium und residiert entsprechend auch in unmittelbarer Nähe des Pentagon.

Public Relations für den Krieg

Eine der Hauptbeschäftigungen des ADPB, dem neben Perle auch andere Persönlichkeiten des aussenpolitischen Establishments wie der Ex- Außenminister Hanry Kissinger angehören, scheint in der Entwicklung verschiedener Kriegsszenarien zu bestehen. So berichtete die Schweizer Wochenzeitung am 1.November 2001 unter Berufung auf die New York Times und den britischen Observer von Plänen des ADPB, den südlichen Irak zu besetzen und US-Truppen nach Syrien, in den Libanon, den Sudan oder nach Algerien zu schicken.
Perle selbst war einer der ersten, die nach den Ereignissen des 11.September einen Kriegseinsatz gegen den Irak forderten. Bereits Mitte Oktober letzten Jahres erklärte Perle in einem Interview mit dem amerikanischen Fernsehsender PBS: "Die Frage von Saddam Hussein liegt genau im Zentrum des Krieges gegen den Terrorismus. Es kann keinen Sieg im Krieg gegen den Terrorismus geben, wenn Saddam Hussein am Ende immer noch an der Macht ist — nicht nur, weil er Terroristen ausbildet ... und ihnen Unterschlupf gewährt —, sondern, weil er das Symbol für die Missachtung aller westlichen Werte ist."
Am 1.Juni hielt George W. Bush eine Rede vor den Absolventen der US- Militärakademie in West Point, in der er erklärte, die USA würden sich zukünftig das Recht zu "vorwegnehmenden Militärschlägen" und zum Aufspüren von "Terrorzellen" in 60 oder mehr Staaten vorbehalten. Die USA sollten aber auch daran arbeiten, umfassende "moralische Klarheit" über Gut und Böse herzustellen.
Dieser Satz hätte geradewegs aus der Feder von William Bennent stammen können, denn der ehemalige Erziehungsminister der Regierung Reagan, Chef einer Drogenkontrollbehörde unter George Bush Sr., Mitglied der konservativen Heritage Foundation und des PNAC, ist der Spezialist der US-Rechten in Sachen "moralische Klarheit". Sogar ein Buch (Why We Fight. Moral Clarity and the War on Terrorism) hat er dazu geschrieben.
Doch im Augenblick scheint Bennent sich Sorgen zu machen: "Unmittelbar nach den Anschlägen des 11.September erreichte unsere Nation einen Moment der moralischen Klarheit, in dem gut von böse unterschieden wurde, richtig von falsch. Die Herausforderung ist, diese Klarheit zu bewahren und sie auf die kommenden Monate und Jahre auszuweiten. Wir haben dies nicht getan", schreibt er in einem Aufsatz mit dem Titel "Uncle Sam braucht dich noch. Amerikas Größe verliert sich in der moralichen Verwirrung".
Offenbar aus diesem Grund hat Bennent Mitte März als Ableger des bereits erwähnten Thinktank Empower America das Projekt Americans For Victory Over Terrorism (Amerikaner für den Sieg über den Terrorismus — AVOT) ins Leben gerufen. Als Berater fungieren bei AVOT u.a.der ehemalige CIA-Direktor James Woolsey und Frank J. Gaffney vom Center for Security Policy.
Die Gründungserklärung von AVOT bedient sich einer ausgesprochen martialischen Sprache: "Die beste Verteidigung ist ein guter Angriff", heißt es dort. "Amerika muss die militärische Fähigkeit haben, die es uns ermöglicht, uns zu verteidigen, während wir die Terroristen ausrotten. AVOT wird eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts, die Erforschung und Aufstellung eines Raketenabwehrsystems und eine weitere Stärkung des Militärs unterstützen."
Hauptziel soll aber sein, eine offensive und gezielte Public-Relations-Kampagne für die Fortsetzung und Ausweitung des "Antiterrorkriegs"zu führen, denn, so Bennent in einer ganzseitigen Anzeige, die er am 10.März zur Präsentation des Projekts AVOT in der New York Times schaltete, die Unterstützung für die US-Kriegspolitik in der Bevölkerung und die "nationale Entschlossenheit" würden mit der Zeit nachlassen, wenn man sie nicht fördere. Ohne diese Unterstützung sei aber der Krieg nicht zu gewinnen.
Für die US-Rechte steht der Feind dabei durchaus auch im eigenen Land. Bushs "Antiterrorkrieg" bietet eine hervorragende Möglichkeit, den Kulturkampf um sog. "amerikanische Werte", den sie seit dem Ende der 60er Jahre intensiv führt, mit einer agressiven Außenpolitik zu verbinden.
So heißt es in der erwähnten Anzeige: "Die Bedrohungen, denen wir heute gegenüberstehen, sind sowohl äußere wie auch innere: äußere, insofern es Gruppen und Staaten gibt, die die USA angreifen wollen; innere, insofern es jene gibt, die versuchen, diese Gelegenheit zu benutzen, um ihre Losung ‚Amerika ist selbst schuld‘ zu verbreiten. Beide Bedrohungen haben ihre Ursache entweder im Hass auf die amerikanischen Ideale ... oder im Missverständnis dieser Ideale."
Dieser Aspekt einer mit kultureller Überheblichkeit unterfütterten ideologischen Offensive wird an anderer Stelle noch deutlicher. So schreibt Bennent in seinem bereits erwähnten Uncle-Sam-Artikel: "Solange wir nicht sehen, dass die westliche Zivilisation eine überlegene Lebensweise ist und die USA die größte Nation der Welt sind, bleiben wir auf brüchigem, schwankenden Boden."
Die außenpolitischen Konzeptionen der US-Rechten sind zutiefst von der Vision einer hegemonialen und imperialen Rolle der USA geprägt. Der "Krieg gegen den Terrorismus" spielt dabei heute die ideologisch vereinheitlichende und mobilisierende Rolle, die der Antikommunismus bis 1989 spielte. Innenpolitisch soll der "Antiterrorkrieg" helfen, politische Gegner mundtot zu machen.
Dass die Bush-Regierung diese Konzepte beinahe ungebrochen umsetzt, zeigt aber auch, dass das rechte Programm den Interessen des US-Kapitals entspricht. Es mag ein etwas provokativer Gedanke sein, aber vielleicht sollte die weltweite Bewegung gegen kapitalistische Globalisierung und Krieg froh über einen Gegner sein, der seine Ziele derartig klar formuliert, statt sich wie vor einigen Jahren die Clinton-Regierung im Kosovo-Krieg hinter einer heuchlerischen Menschenrechtsphraseologie zu verstecken.
Harald Etzbach


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