SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, Juli 2002, Seite 21

Leiharbeit und Erwerbslosigkeit

Ein Handbuch zum kritischen Umgang mit Arbeitsamt und Leiharbeit

Köln: PapyRossa-Verlag, 307 Seiten, 16,90 Euro, Zu beziehen bei der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg, Kaiserstr.19, 26122 Oldenburg, Fax (0441) 16934, E-Mail also@also-zentrum.de

Bundesregierung und Arbeitgeberverband haben angesichts steigender Arbeitslosenzahlen nichts Besseres zu tun, als über Niedriglöhne und deren Bezuschussung nachzudenken. Das im Januar 2002 in Kraft getretene Job-Aqtiv-Gesetz reicht ihnen noch nicht. Schon mit diesem Gesetz werden Erwerbslose mehr als bisher dazu gedrängt, Beschäftigungen zu niedrigem Entgelt und unterhalb ihrer Qualifikation anzunehmen. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung bzw. die Leiharbeit spielt dabei eine besondere Rolle.
Sowohl der Umsatz der Leiharbeitsbranche als auch die Zahl der in dieser Branche Beschäftigten verzeichnen jedes Jahr zweistellige Zuwachsraten.
Die Leiharbeitslöhne gehen dagegen zusehends in den Keller. Nach einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB — das Forschungsinstitut der Bundesanstalt für Arbeit) lag das Niveau dieser Löhne 1995 mehr als ein Drittel unter dem der Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft. 1980 betrug die Differenz noch 23%.
Leiharbeit bedeutet, dass Beschäftigte im gleichen Betrieb und bei gleicher Arbeit erheblich von einander abweichende Löhne erhalten. Es entstehen zwei Klassen von Beschäftigten. Tarifliche, arbeitsrechtliche und betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften gelten in erster Linie für die Stammarbeitskräfte, jedoch nicht in gleicher Weise für die Leiharbeitnehmer.
Der Lohnunterschied zwischen Gesamtwirtschaft und Leiharbeitsbranche lässt vermuten, dass von den Verleihfirmen auch Wucherlöhne gezahlt werden. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 1997 festgestellt, dass arbeitsrechtlich ein Verdienst unzumutbar ist und als Wucherlohn bezeichnet wird, der um mehr als ein Drittel unter dem ortsüblichen Lohn liegt.
Dennoch werden die Leiharbeitsfirmen von Arbeitsämtern hofiert. Sie gelten als seriös, und für sie zu arbeiten wird Erwerbslosen unter Androhung von Sanktionen (zwölfwöchige Sperrzeit) als zumutbar aufgedrückt. Die Löhne werden nicht beanstandet.
Im Gegenteil: nach einem Runderlass der Bundesanstalt für Arbeit vom Juli 2000 reicht es den Arbeitsämtern, wenn für Leiharbeit der bei Verleihern ortsübliche Lohn gezahlt wird, also einer, der im Durchschnitt um mehr als ein Drittel unter den vergleichbaren in der Gesamtwirtschaft liegt. Zu fragen wäre, ob die Arbeitsämter Erwerbslose damit nicht auf gesetzeswidrige Arbeitsplätze vermitteln und das Sozialstaatsprinzip verletzen. Wird Erwerbslosen bei der Vermittlung auf Leiharbeitsstellen der verfassungsrechtlich garantierte Mindestschutz verwehrt?
Das gerade erschienene Buch über Leiharbeit beschreibt sowohl die arbeitsrechtlichen Probleme und die politischen und sozialstrukturellen Hintergründe von Leiharbeit als auch Fragen, die bei den Arbeitsämtern auftauchen — zur Arbeitsvermittlung, zur Zumutbarkeit von Beschäftigungen, zur Zusammenarbeit mit privaten Vermittlungsagenturen und Bildungsträgern. Es enthält Tipps und Anregungen zum Verhalten beim Vermittlungsgespräch, bei Bewerbung und Gesprächen bei einer Leiharbeitsfirma und zum Leiharbeitsvertrag und gibt Hinweise auf Mitbestimmungsrechte im Verleih- und Entleihbetrieb.
Die rechtlichen Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) werden ebenso wie die des SGB III, inkl. des im Januar 2002 in Kraft getretenen Job-Aqtiv-Gesetzes, ausführlich dargestellt. Die aktuellen Zumutbarkeitsbestimmungen für die Aufnahme einer Beschäftigung im Arbeitsförderungsrecht werden anhand eines historischen Vergleichs einer grundsätzlichen Kritik unterzogen.

Wolf Herzberg


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