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Bundesregierung und Arbeitgeberverband haben angesichts steigender Arbeitslosenzahlen nichts Besseres zu tun, als über
Niedriglöhne und deren Bezuschussung nachzudenken. Das im Januar 2002 in Kraft getretene Job-Aqtiv-Gesetz reicht ihnen noch nicht. Schon mit
diesem Gesetz werden Erwerbslose mehr als bisher dazu gedrängt, Beschäftigungen zu niedrigem Entgelt und unterhalb ihrer Qualifikation
anzunehmen. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung bzw. die Leiharbeit spielt dabei eine besondere Rolle.
Sowohl der Umsatz der Leiharbeitsbranche als auch die Zahl der in dieser Branche
Beschäftigten verzeichnen jedes Jahr zweistellige Zuwachsraten.
Die Leiharbeitslöhne gehen dagegen zusehends in den Keller. Nach einer Untersuchung
des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB das Forschungsinstitut der Bundesanstalt für Arbeit) lag das Niveau dieser
Löhne 1995 mehr als ein Drittel unter dem der Beschäftigten in der Gesamtwirtschaft. 1980 betrug die Differenz noch 23%.
Leiharbeit bedeutet, dass Beschäftigte im gleichen Betrieb und bei gleicher Arbeit
erheblich von einander abweichende Löhne erhalten. Es entstehen zwei Klassen von Beschäftigten. Tarifliche, arbeitsrechtliche und
betriebsverfassungsrechtliche Vorschriften gelten in erster Linie für die Stammarbeitskräfte, jedoch nicht in gleicher Weise für die
Leiharbeitnehmer.
Der Lohnunterschied zwischen Gesamtwirtschaft und Leiharbeitsbranche lässt vermuten,
dass von den Verleihfirmen auch Wucherlöhne gezahlt werden. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 1997 festgestellt, dass arbeitsrechtlich ein
Verdienst unzumutbar ist und als Wucherlohn bezeichnet wird, der um mehr als ein Drittel unter dem ortsüblichen Lohn liegt.
Dennoch werden die Leiharbeitsfirmen von Arbeitsämtern hofiert. Sie gelten als
seriös, und für sie zu arbeiten wird Erwerbslosen unter Androhung von Sanktionen (zwölfwöchige Sperrzeit) als zumutbar
aufgedrückt. Die Löhne werden nicht beanstandet.
Im Gegenteil: nach einem Runderlass der Bundesanstalt für Arbeit vom Juli 2000 reicht
es den Arbeitsämtern, wenn für Leiharbeit der bei Verleihern ortsübliche Lohn gezahlt wird, also einer, der im Durchschnitt um mehr als ein
Drittel unter den vergleichbaren in der Gesamtwirtschaft liegt. Zu fragen wäre, ob die Arbeitsämter Erwerbslose damit nicht auf gesetzeswidrige
Arbeitsplätze vermitteln und das Sozialstaatsprinzip verletzen. Wird Erwerbslosen bei der Vermittlung auf Leiharbeitsstellen der verfassungsrechtlich
garantierte Mindestschutz verwehrt?
Das gerade erschienene Buch über Leiharbeit beschreibt sowohl die arbeitsrechtlichen
Probleme und die politischen und sozialstrukturellen Hintergründe von Leiharbeit als auch Fragen, die bei den Arbeitsämtern auftauchen zur
Arbeitsvermittlung, zur Zumutbarkeit von Beschäftigungen, zur Zusammenarbeit mit privaten Vermittlungsagenturen und Bildungsträgern. Es
enthält Tipps und Anregungen zum Verhalten beim Vermittlungsgespräch, bei Bewerbung und Gesprächen bei einer Leiharbeitsfirma und
zum Leiharbeitsvertrag und gibt Hinweise auf Mitbestimmungsrechte im Verleih- und Entleihbetrieb.
Die rechtlichen Bestimmungen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG)
werden ebenso wie die des SGB III, inkl. des im Januar 2002 in Kraft getretenen Job-Aqtiv-Gesetzes, ausführlich dargestellt. Die aktuellen
Zumutbarkeitsbestimmungen für die Aufnahme einer Beschäftigung im Arbeitsförderungsrecht werden anhand eines historischen Vergleichs
einer grundsätzlichen Kritik unterzogen.
Wolf Herzberg