SoZ Sozialistische Zeitung |
George Bushs Rede verstärkte die Verzweiflung der Friedensanhänger in Israel und dem gesamten Mittleren Osten.
Seit 1977 haben sie sich daran gewöhnt, dass die US-amerikanischen Präsidenten die Rolle "fairer Vermittler" spielten und Druck auf
Israel ausübten, die Gewalt zu begrenzen und mit seinen Nachbarn zu verhandeln.
Jimmy Carter vermittelte zwischen Begin und Sadat, Ronald Reagan brachte Israel und die
PLO 1981 zum ersten Waffenstillstandsabkommen und stoppte Sharon vor der Besetzung Beiruts 1982. George Bush sr. zwang Shamir zur Madrider
Friedenskonferenz nach dem Golfkrieg, und Bill Clinton war Gutfreund mit Rabin und Arafat. Plötzlich kam ein Präsident, der nicht vermittelte,
sondern Sharon einseitig unterstützte.
Dies ist nicht nur verwirrend für das israelische "Friedenslager", sondern
bringt auch die palästinensische Führung und den Rest der arabischen Staaten in eine schwierige Position. Im März akzeptierte die Arabische
Liga einen braven, von Saudi-Arabien initiierten Friedensplan, und nun schlägt ihn Präsident Bush aus der Hand.
George Bush hat keinen Friedensplan präsentiert. Statt dessen können wir
zwischen den Zeilen herauslesen, wer seine Verbündeten in seinen Kriegsplänen sind. Während des letzten halben Jahres stand Bush an
Sharons Seite und spornte ihn bei seiner aggressiven Politik an. Eindeutig stellt sich die Frage, warum Bush nicht weiter den "fairen Vermittler"
zwischen Israel und seinen Nachbarn spielt. Die Erklärung, die ich geben möchte, ist ganz einfach: Bush plant einen Anschlag auf den Irak, und in
den letzten Monaten ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass Sharon für seine Kriegsziele ein zuverlässigerer und lohnenderer Verbündeter ist
als die moderaten arabischen Staaten.
Bush sorgt sich nicht sehr viel um den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern,
noch macht er sich Sorgen um die vielen Millionen Palästinenser, die unter Ausgangssperre und in inakzeptablen und inhumanen Bedingungen leben. Er
ist auch nicht sehr betroffen von den israelischen Opfern, die von hoffnungslosen Selbstmordattentätern verursacht werden. "Lasst sie
verbluten", war das Motto der Bush-Administration seit ihrem Antritt, bis es mit dem 11.9. politisch nicht mehr opportun war. Und nun werden wir,
Palästinenser und Israelis, weiterbluten, solange Bushs Administration mit ihren Plänen, den Irak anzugreifen, fortfährt.
Was macht es so deutlich, dass Bush vor allem mit seinen Kriegsplänen
beschäftigt ist? Das ist eine Frage des "Timing". In seiner Rede schlug er die Errichtung eines palästinensischen Staates innerhalb von
drei Jahren vor, sowie die Konzentration auf die Abwahl Arafats und den Aufbau einer neuen demokratischen, nichtkorrupten, transparenten und effektiven
palästinensischen Administration während der nächsten eineinhalb Jahre. Das bedeutet, dass der palästinensische Staat, wenn
überhaupt, erst nach dem Krieg gegen den Irak errichtet werden wird.
Bush möchte ein starkes und abschreckendes Israel während des Angriffs auf den
Irak. Zuallererst, weil Saddam Hussein Tel-Aviv so wie 1991 mit Raketen angreifen könnte. Dann würde Sharon sicherlich in den Krieg eintreten.
Zweitens, weil die "Feinde der USA" überall in der arabischen Welt während eines solchen Krieges aufwachen könnten. Israels
Aufgabe wäre dann, die US-Feinde innerhalb ihrer Einflusszone (d.h. in den besetzten Gebieten, im Libanon, in Syrien und Jordanien) abzuschrecken und
eventuell zu bekämpfen.
Wie hat sich dieses volle Einverständnis zwischen Bush und Sharon herauskristallisiert?
Es entwickelte sich langsam seit dem 11.9. Gleich nach dem Anschlag auf das World Trade Center versuchte Sharon, auf den "Krieg gegen den
Terror"-Zug aufzuspringen und erklärte: "Arafat ist unser Bin Laden". Diese Einschätzung wurde von der US-Administration
umgehend zurückgewiesen, vor allem, weil sie einen Angriff auf Afghanistan plante und die Unterstützung der proamerikanischen arabischen
Staaten nicht gefährden wollte. Wie auch immer, während des Afghanistankriegs wurde die US-Administration enttäuscht von den Positionen
Saudi-Arabiens und Ägyptens. Nach dem Ende des Krieges und der Zerstörung des Taliban-Regimes, wurde Sharon nach Washington eingeladen
"um die nächsten Schritte im Krieg gegen den Terror zu koordinieren", diesmal gegen den Irak.
Während seines Treffens mit Präsident Bush am 3.Dezember bekam Sharon
"grünes Licht", Arafat anzugreifen. Am 4.Dezember wurde Arafats Hubschrauber kaputt gebombt und er selbst für fünf Monate
unter Hausarrest in Ramallah gestellt. Selbst als Arafat am 16.Dezember einen Waffenstillstand ausrief, ignorierten die USA dies. Und als Israels Regierung
diesen Waffenstillstand brach, in dem sie Raad Carmi am 14.Januar ermordete (um die bevorstehenden politischen Vereinbarungen zu vermeiden), fuhr Bush
fort, Sharon zu unterstützen. Seit dem 3.Dezember definiert der Präsident der USA Israels Aktionen gegen die Palästinenser als
"Selbsverteidigung", während Arafat immer wieder schuldig gesprochen wird.
Sharon hat Arafats Autorität in den Augen der Palästinenser systematisch
untergraben und jene Kräfte zersetzt, die loyal zu ihm waren. Er hat die Infrastruktur der Palästinensischen Autonomiebehörde zerstört
und deren Computer sabotiert. Als der UN-Sicherheitsrat beschlossen hatte, ein Untersuchungskomitee zu entsenden, um die in Jenin im April begangenen
Kriegsverbrechen zu untersuchen, machte sich die US-Administration mit der israelischen Regierung gemein, um dem Komitee den Zugang nach Israel zu
verwehren.
Es ist schwer vorstellbar, wie die Palästinenser unter den gegenwärtigen
Bedingungen, unter Militärbesatzung und ohne internationalen Schutz, demokratisch und effiziente Strukturen errichten sollen.
Die Bush-Administration übernahm und vermehrt noch Sharons große
Lüge, dass Arafat das Problem sei (und nicht die 35-jährige israelische Besatzung), und dass ein palästinensischer Staat später errichtet
werden würde (wann, wo und wie bleiben die beiseite geschobenen Fragen).
Bush entschied sich, Sharons Strategie wegen seiner eigenen politischen Interessen zu decken.
Sein politisches Axiom ist, dass die USA den Irak angreifen müssen. Und die Frage war, ob er Sharon in der Konfrontation schwächen, oder einen
starken Sharon an der Seite der USA wollte. Bushs Rede offenbart, dass sich die Administration entschieden hat: für die volle Zusammenarbeit mit Sharon.
Bush hat verstanden, dass eine umfassende Lösung des israelisch-
palästinensischen Konflikts zweier Elemente bedarf: der Zeit und der Konfrontation mit der israelischen Regierung. Da Bush weder gewillt ist, die
Offensive gegen den Irak um drei Jahre hinaus zu zögern, noch daran interessiert ist, die Konfrontation mit Israel vor diesem Krieg zu suchen, ist Sharon
zum Verbündeten geworden. Sharon weiß, dass im Krieg "alles offen" ist. Er ist zutiefst zufrieden mit Bushs Nahostplan, dessen
praktische Bedeutung ein vom Busharon-Team geführter globaler Krieg ist, in dem Bush die Rolle des globalen Sheriffs spielt, der die neue Ordnung in
den islamischen Staaten einführt. Sharon wurde nominiert als der "regionale Sheriff" und auch er wird ermächtigt, eine neue Ordnung in
seiner "Einflusszone" einzurichten.
Es ist in der Tat schwer zu glauben, dass dies die Pläne der "Führer des
Globus" sind, aber Bushs Verhalten lässt nicht viel Raum für Zweifel. Zusammen mit Sharon führt er zu einem globalen Krieg, der,
entsprechend unserer Erfahrung mit Sharon in Israel, als verheerend anzusehen ist. Wir wissen auch, dass die Zivilgesellschaft, Demokratie und Meinungsfreiheit
in Kriegszeiten marginalisiert werden. Deswegen ist es Zeit, den zu erwartenden Krieg zu kritisieren, bevor er beginnt. Harte Realitäten zu
verdrängen war niemals hilfreich.
Lev Grinberg (Jerusalem)