SoZ Sozialistische Zeitung

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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2002, Seite 4

Globale Unwahrheiten

So nennt der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Professor Michael Chossudovsky das herrschende, keinen Widerspruch duldende Dogma, das die wachsende globale Armut duldet.
"Soziale Realitäten werden verdeckt, offizielle Statistiken manipuliert, ökonomische Konzepte auf den Kopf gestellt. Währenddessen bombardieren die Medien die Öffentlichkeit mit strahlenden Bildern globalen Wachstums und Wohlstands. Die Weltwirtschaft soll angeblich durch den Schub der ‚Marktreformen‘ boomen. Ohne jede Diskussion wird das ganze Spektrum von strengen Sparmaßnahmen, Deregulierung, Rationalisierung und Privatisierung als Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg verkündet."
Chossudovsky führt als überzeugendes Beispiel die Manipulation der Armutszahlen an, mit denen die Legitimität der Globalisierung bewiesen werden soll.
Die Weltbank schätzt zum Beispiel, dass 18% der Menschen in der Dritten Welt "extrem arm" sind und 33% werden als "arm" bezeichnet. In ihrer maßgeblichen Studie über globale Armut wird die "obere Armutsgrenze" willkürlich auf ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 370 Dollar festgelegt.
Bevölkerungsgruppen mit einem Pro-Kopf-Einkommen von über einem Dollar am Tag werden ebenso willkürlich als "nicht arm" bezeichnet. "Mit anderen Worten: Durch die grobe Manipulation der Einkommensstatistik setzt die Weltbank alles daran, die Armen in den Entwicklungsländern als eine Minderheit darzustellen." Es sind jedoch die Schätzungen des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), die ein noch verzerrenderes und irreführenderes Bild vermitteln. So werden 10,9% der mexikanischen Bevölkerung als "arm" angegeben. Wie aber stimmt diese Schätzung mit der tatsächlichen Entwicklung der letzten 20 Jahre überein? Mexiko wurde von Massenarbeitslosigkeit heimgesucht, vom Zusammenbruch der sozialen Dienste, der Verarmung von Kleinbauern und einem dramatischen Niedergang der Reallöhne durch mehrere Währungsabwertungen.
Empörend ist, dass bei der Schätzung von Armut zweierlei Maß herrscht. In den entwickelten Staaten wird Armut gemessen an den Mindestaufwendungen für lebensnotwendige Ausgaben. Würde der gleiche Maßstab in Entwicklungsländern angewendet, müsste die überwältigende Zahl der Weltbevölkerung als "arm" eingestuft werden.
Chossudovskys Schlussfolgerung lautet: "Die Armutsschätzungen von Weltbank und UNDP sind größtenteils Übungen von Bürokraten in Washington und New York, für die die Realitäten vor Ort ein Buch mit sieben Siegeln sind. Sowohl Weltbank als auch UNDP verweisen auf den Nutzen der technologischen Revolution und Handelsliberalisierung ohne zu erkennen, wie diese globalen Trends wachsende Armut nähren."
Jakob Moneta



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