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So nennt der kanadische Wirtschaftswissenschaftler Professor Michael Chossudovsky das herrschende, keinen Widerspruch
duldende Dogma, das die wachsende globale Armut duldet.
"Soziale Realitäten werden verdeckt, offizielle Statistiken manipuliert,
ökonomische Konzepte auf den Kopf gestellt. Währenddessen bombardieren die Medien die Öffentlichkeit mit strahlenden Bildern globalen
Wachstums und Wohlstands. Die Weltwirtschaft soll angeblich durch den Schub der ‚Marktreformen boomen. Ohne jede Diskussion wird das ganze
Spektrum von strengen Sparmaßnahmen, Deregulierung, Rationalisierung und Privatisierung als Schlüssel zum wirtschaftlichen Erfolg
verkündet."
Chossudovsky führt als überzeugendes Beispiel die Manipulation der
Armutszahlen an, mit denen die Legitimität der Globalisierung bewiesen werden soll.
Die Weltbank schätzt zum Beispiel, dass 18% der Menschen in der Dritten Welt
"extrem arm" sind und 33% werden als "arm" bezeichnet. In ihrer maßgeblichen Studie über globale Armut wird die
"obere Armutsgrenze" willkürlich auf ein jährliches Pro-Kopf-Einkommen von 370 Dollar festgelegt.
Bevölkerungsgruppen mit einem Pro-Kopf-Einkommen von über einem Dollar am
Tag werden ebenso willkürlich als "nicht arm" bezeichnet. "Mit anderen Worten: Durch die grobe Manipulation der
Einkommensstatistik setzt die Weltbank alles daran, die Armen in den Entwicklungsländern als eine Minderheit darzustellen." Es sind jedoch die
Schätzungen des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), die ein noch verzerrenderes und irreführenderes Bild vermitteln. So werden 10,9% der
mexikanischen Bevölkerung als "arm" angegeben. Wie aber stimmt diese Schätzung mit der tatsächlichen Entwicklung der
letzten 20 Jahre überein? Mexiko wurde von Massenarbeitslosigkeit heimgesucht, vom Zusammenbruch der sozialen Dienste, der Verarmung von
Kleinbauern und einem dramatischen Niedergang der Reallöhne durch mehrere Währungsabwertungen.
Empörend ist, dass bei der Schätzung von Armut zweierlei Maß herrscht. In
den entwickelten Staaten wird Armut gemessen an den Mindestaufwendungen für lebensnotwendige Ausgaben. Würde der gleiche Maßstab in
Entwicklungsländern angewendet, müsste die überwältigende Zahl der Weltbevölkerung als "arm" eingestuft
werden.
Chossudovskys Schlussfolgerung lautet: "Die Armutsschätzungen von Weltbank
und UNDP sind größtenteils Übungen von Bürokraten in Washington und New York, für die die Realitäten vor Ort ein
Buch mit sieben Siegeln sind. Sowohl Weltbank als auch UNDP verweisen auf den Nutzen der technologischen Revolution und Handelsliberalisierung ohne zu
erkennen, wie diese globalen Trends wachsende Armut nähren."
Jakob Moneta