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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, August 2002, Seite 9

Modernisierung der Außenpolitik

Rot-Grün hat den Widerstand gegen deutsche Militäreinsätze gebrochen

In kaum einem anderen Politikbereich lässt sich besser zeigen, wie Sozialdemokratie und Grüne als Agenten einer "Modernisierung" das deutschen Kapitalismus gewirkt haben, als in der Außenpolitik. Denjenigen, die nach der Bundestagswahl von 1998 größere Hoffnungen in Rot-Grün gesetzt hatten, hätte sogleich auffallen müssen, dass Joschka Fischer so rasch wie konsequent die Linie vorgab: "Für uns gibt es keine rote oder grüne, sondern nur eine deutsche Außenpolitik!"
Vor den Wahlen wurde von beiden Parteien lauthals verkündet, die deutsche Außenpolitik habe sich zuvörderst an zwei Leitlinien auszurichten: Einerseits solle die Rolle der UNO als Garantin des Weltfriedens und als Instanz zur Befriedung von Konflikten ausgebaut werden. Andererseits gelte es, die Außenpolitik stärker an der Frage der Durchsetzung der Menschenrechte zu orientieren. Mit Blick auf Srebrenica und Rwanda trat häufiger die beschwörende Redewendung hinzu, dass sich "Auschwitz niemals wiederholen" dürfe.
Eine Betrachtung der Hauptlinien der deutschen Außenpolitik in der Nachkriegszeit zeigt — bei allen Schwankungen und Widersprüchen im Dreieck von Blockbindung, europäischer Integration und nationalem Revanchismus — die klare Tendenz, den Status einer mittleren Großmacht zu erlangen und die wirtschaftlichen und politischen Interessen in der Staatenkonkurrenz, die sich im Globalisierungsprozess massiv verschärft hat, durchzusetzen.
Nach einer Phase der Westintegration und des Antikommunismus in den 50er und 60er Jahren führte die nach dem atomaren Patt von den Supermächten begonnene Politik der Entspannung die BRD-Außenpolitik zunächst in eine Krise. Durch die Verträge mit der UdSSR, Polen, der CSSR und schließlich der DDR wurde zum einen die Nachkriegsordnung de facto anerkannt, zum andern die Möglichkeiten der neugewonnenen wirtschaftlichen Macht nun auch Richtung Osten zum Einsatz gebracht.
Das Ende der Blockkonfrontation und der Anschluss der DDR im Gefolge des 2+4-Vertrags beendeten die Zeit der "gefesselten Souveränität" des deutschen Staates. Zuvor waren die Versuche Großbritanniens und Frankreichs, die deutsche Zweistaatlichkeit doch noch zu erhalten und damit "Mitteleuropa" kontrollieren zu können, kläglich gescheitert. Für das deutsche Kapital war nun der Weg Richtung Osten frei.
Allerdings verhinderten die Schwierigkeiten der "Wiedervereinigung" wie auch die eher widerspenstige Haltung der Bevölkerung, dass es bereits im Golfkrieg zu einem Kampfeinsatz von Bundeswehrtruppen kam. Die BRD sicherte sich ihre Interessen an der Ölversorgung — wie Japan — durch die sog. Scheckbuchdiplomatie. Durch Einsätze von Soldaten im Rahmen von UNO-Missionen in Kambodscha und Somalia sollte die deutsche Öffentlichkeit an militärische Expeditionen auch von deutschen Soldaten gewöhnt werden.
Der Umbau der Außenpolitik und des Militärs in Richtung Erfordernisse der Machtstrukturen der Triade und der Kontrolle der im Globalisierungsprozess "abgehängten" Regionen der Peripherie durch abgestufte Konzepte der Einbindung erforderte Zeit und ging gewissermaßen schleichend vor sich. Die Kosten der Umrüstung der Bundeswehr von einer Armee massierter "Vorneverteidigung" im Rahmen eines Konflikts zwischen NATO und Warschauer Pakt auf eine mit Hochtechnologie ausgerüstete, extrem bewegliche "schnelle Eingreiftruppe" für Konflikte auf dem Balkan, in der kaukasischen oder in der Mittelmeerregion führte zu einer relativen Unbeweglichkeit der Politik.
Unter Rot-Grün fanden erstmals in der deutschen Nachkriegsgeschichte Kampfeinsätze der Bundeswehr statt — so im März 1999 in Jugoslawien und seit Oktober 2001 in Afghanistan. Der völkerrechtswidrige Einsatz gegen Serbien wurde als "humanitäre Intervention" verkauft und die deutsche Vergangenheit nach allen Regeln der Kunst für Propagandazwecke ausgeschlachtet, ohne dass dies den dort ablaufenden "ethnischen Säuberungen" auch nur ansatzweise Einhalt geboten hätte.
Auch im Afghanistan-Krieg ging es nicht um den "bedingungslosen Beistand" im Krieg gegen den Terrorismus, sondern um die Neuaufteilung einer strategisch und aufgrund ihrer Ressourcen bedeutsamen Region. Die Bundesregierung drängte den USA, die nach den Erfahrungen auf dem Balkan ihren Krieg selber organisieren wollten, ihren Militärbeitrag förmlich auf, um in jedem Falle einen Fuß in der Tür zu haben.
Dass das "Kommando Spezialkräfte" sogar ohne Kontrolle durch das Parlament in Afghanistan mitschießt, zeigt, wie sehr die "Normalisierung der deutschen Außenpolitik", d.h. der Einsatz des Militärs in der Art vergleichbarer Mächte wie Frankreich und Großbritannien, gerade von Rot-Grün vorangetrieben worden ist.
Selbst Kennern fällt es heute schwer, die Aufträge und Länder lückenlos aufzulisten, in denen deutsche Soldaten mittlerweile zum Einsatz kommen. Nicht ohne klare Logik ist die neoliberale Politik der Verschärfung der sozialen Gegensätze von einer massiven Ausweitung militärischen Gewalteinsatzes begleitet.
Paul B. Kleiser



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