SoZ Sozialistische Zeitung |
Selten habe ich in letzter Zeit einen derart grauenhaften Artikel in der SoZ gelesen. Er ist geradezu ein Paradebeispiel für Karl Kraus Satz, es
reiche nicht, keinen Gedanken fassen zu können, man müsse auch unfähig sein, ihn auszudrücken.
Es geht schon damit los, daß "die Debatte … reflexions- und
erklärungsbedürftig (ist)", "man beides (nämlich die Reflexions- und Erklärungsbedürftigkeit??) nur selten in den…
Artikeln etc. (wiederfindet)". Das folgende, mit Tempus-, Rückbezugs- und Logikfehlern (erst wird ein Erbe aufgearbeitet und dann dieser auf 20
Jahre bezifferte Prozeß als "aufkommende Diskussion" apostrophiert, um nur ein Beispiel herauszugreifen) durchsetzte Gestammel ist eine
wunderbare Demonstration der Dialektik zwischen Form und Inhalt.
Um es kurz zu machen: Vor allem der Unsinn vom "unbewussten
Rassisten/Antisemiten/Faschisten", ausgerechnet im Zusammenhang mit machtgeilen Berufspolitikern wie Möllemann, Karsli und Konsorten
verwendet, in Verbindung mit der Leerformel, Vergleiche seien ein "unumgängliches (?) Mittel historischer Wissenschaft (also der
gegenwärtigen nicht?)" (dunkel ist deiner Worte Sinn, oh Herr), lässt nur einen Schluß zu: statt "Historiker" zu werden,
hätte der Christoph Jünke besser erst einmal ein paar Nachhilfestunden in Deutsch nehmen sollen. Si tacuisses…
Klaus Engert
"Mit der Vermischung der Grenzen von Antisemitismuskritik und Israelkritik schließlich macht man sich zu Komplizen kriegführender
Regierungen", schreibt Christoph Jünke in seinem Beitrag "Falsche Vermischungen Rückblick auf die
Antisemitismusdebatte" in SoZ 7/02. Das ist eines der zentralen Argumente, mit denen er versucht, seinen von vielen kritisierten Kommentar in der Juni-
SoZ zu rechtfertigen. Warum verteidigt Christoph, nimmt er seine eigene Argumentation ernst, dann ausgerechnet Möllemann, den Vermischer par
excellance? Einen, der die israelische Regierungspolitik kritisiert, Vertreter der jüdischen Gemeinde in Deutschland als Mitglied dieser
Glaubensgemeinschaft angreift und dabei keinen Hehl daraus macht, es auf die Stimmpotenziale rechts von der CDU abgesehen zu haben? Sascha Möbius
hat in seinem Leserbrief der selben Ausgabe zu Recht darauf hingewiesen, dass Möllemanns Äußerung auch im Kontext einer "kalt
kalkulierten deutschen Außenpolitik" zu sehen ist, "die vom Amoklauf der USA im Nahen Osten profitieren will". Misst man dieser
Analyse auch nur ein Quäntchen Bedeutung bei, wird Möllemann genau zu diesem, von Christoph inkriminierten "Komplizen".
Doch statt Möllemann seiner eigenen Analyse zu unterziehen, kritisiert der Autor die
Anbiederungsversuche der Kanzlerkandidaten und stellt sie mit Möllemanns antisemitischem Angriff auf eine Stufe. An dieser Stelle soll nun keine
Verteidigungsschrift für die mehr als kritikwürdigen Kanzlerkandidaten geschrieben werden. Aber es sei doch angemerkt, dass die Teilnahme als
Zuschauer während des WM-Endspiels im Vergleich zu Möllemanns Populismus nichts Bedrohliches an sich hat.
Wenn man gegen bornierte Selbstgefälligkeit einiger sogenannter
"Antideutscher" und ihrer bedingungslosen Solidarität mit Sharon zu Felde ziehen will, sollte man vor allem drei Dinge beachten:
1. "Entweder-Oder" ist ein Schema, mit dem die gesamte Problemstellung nicht zu
erfassen ist. Oder sprichwörtlich gesagt: "Der Feind meines Feindes ist nicht notgedrungen mein Freund."
2. Als Zeitung mit materialistischem Anspruch hat sich die SoZ bisher weitgehend davor
gehütet, einzelne Zitate und Meinungen losgelöst vom Kontext des Handelns zu bewerten. Wie kann man dann Möllemanns
Äußerungen derart von seinem persönlichen und politischen Kontext lösen und ihn sogar gegen die Kritiker in seiner eigenen Partei
verteidigen? Fast jedes Wochenende demonstrieren irgendwo in Deutschland harte Neonazis, die "Solidarität mit Palästina" skandieren.
Das machen sie bestimmt nicht aus Liebe zu den Palästinensern, sondern weil sie Israel und die Juden hassen.
Möllemann ist vielleicht kein überzeugter Antisemit. Aber welche Rolle spielt das
schon? Als "kalt kalkulierender" populistischer Politiker und in seiner Funktion als Vertreter der Deutsch-Arabischen-Freundschaftsgesellschaft auch
als "kalt kalkulierender" Geschäftsmann spielt er ohne Skrupel mit dem Feuer des Antisemitismus. Und dabei dürfte es ihm völlig
gleich sein, ob es sich dabei nun um politischen, rassistischen oder religiösen Antisemitismus handelt, wie Christoph meint differenzieren zu
müssen.
3. Über die Kritik an der israelischen Regierung, die in der SoZ und auch in vielen
Mainstream-Medien geübt wird, sollte nicht der real existierende Antisemitismus im eigenen Land bzw. in Europa vergessen werden. Entgegen dem
antideutschen Verdikt, sich des Antisemitismus schuldig zu machen, wenn man die Politik Israels kritisiert und d.h. beides nicht voneinander trennen zu
können sollte in der SoZ dem Antisemitismus hierzulande mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, ohne die Kritik an Israel zu vergessen.
Fazit: Möllemann taugt nicht als Kronzeuge gegen israelische Regierungspolitik. Da darf
es keine Missverständnisse geben.
Gerhard Klas
Die FDP, einst selbsternannte "Partei der Besserverdienenden", steuert die 18 Prozent an. Alles erdenklich Gute sei ihr an den Kopf geworfen. Doch
können einen manche Beiträge zur sog. Antisemitismus-Debatte traurig stimmen.
Gregor Gysi verlautbarte am 27.5. im ND, Möllemann habe angekündigt,
"der Haider Deutschlands werden zu wollen", weshalb ihn seine Partei hinauswerfen möge. Indes kündigte der FDP-Mann nichts
dergleichen an. Ähnlich leger wie die Umgangsform des starken Mannes der PDS mit Worten politischer Gegner ist leider die von Leserbrief-AutorInnen
der SoZ. So ist in SoZ 7/02 von Möllemanns "antisemitischen Ausfällen gegen Michel Friedman" die Rede, davon, dass er sich
"ohne wenn und aber auf die Seite von Fatah, Dschihad und Hamas" stelle; Parteichef Westerwelle habe bestätigt, "im Trüben,
d.h. im braunen Sumpf fischen" zu wollen. Wetten über die Echtheit dieser Zitate mit den AutorInnen abzuschließen wäre unredlich:
Die FDP-Größen haben das nicht gesagt.
Andererseits seien folgende Fragen erlaubt: Stimmt die Aussage Möllemanns,
"Israels Politik fördert den Terrorismus" oder stimmt sie nicht? Dürfte er sein Land auch auf gegnerischem Boden
verteidigen, wenn es angegriffen wird, oder wäre das verbrecherisch? Ist ihm die Aussage gestattet, Sharon und Friedman hätten dem
Antisemitismus durch ihre Intoleranz genutzt oder ist, der solches feststellt, dadurch Antisemit?
Wortverdrehungen sind in der Debatte besonders zahlreich. Linke sollten sich hüten, da
mitzutun. Christoph Jünke, der sich an die Regeln fairer Auseinandersetzung gehalten hat, "eine Verirrung politischen und moralischen Denkens in
Richtung antisemitischer Klischees" vorzuwerfen, erinnert an "Entlarvungen" der Stalin-Zeit.
Überlegenswert ist, ob es in der Anti-Möllemann-Diskussion wirklich nur darum
geht, einer bürgerlichen Konkurrenzpartei zu schaden. Diese "Diskussion" könnte auch ein Beitrag dazu sein, Antifaschismus auf
längere Sicht durch Pseudo-Antifaschismus und Anti-Antisemitismus nach Art der "Anständigen" zu ersetzen. Das zu dem Zweck,
Gegner der Kriegs- und der neoliberalen Asozialpolitik leichter mundtot machen zu können, genau wie es bei Kritik an Bush mit dem verlogenen Vorwurf
des "Antiamerikanismus" versucht wird.
Manfred Behrend, Berlin
Das Gros der Leserbriefe in SoZ 7/02 […] zeugt davon, dass es in der BRD keine Antisemitismus-Debatte gibt, sondern einen "Antisemitismus"-
Streit. Christoph Jünkes Artikel zum Thema, in dem er mit fast übermäßiger Geduld versucht, der Auseinandersetzung ein rationales
Fundament zu verleihen, wird leider daran scheitern, dass wir es bei den linken "Antisemitismus"-Jägern offensichtlich mit Menschen zu
haben, für die diese Jagd eine quasireligiöse Aufgabe ist, moralisch erhöht durch die "Betroffenheit" der im Allgemeinen
doch so Unbetroffenen.
Jünke leistet in seinem Artikel in SoZ 7/02 dennoch einen notwendigen Beitrag vor
allem insofern, als er auf die für eine Debatte unverzichtbare Technik der rationalen Argumentation verweist. Dazu gehört es z.B., die
Unterscheidung zu treffen auf der einen Seite zwischen dem, was jemand gesagt oder geschrieben hat, und auf der anderen Seite dem, was er gemeint haben mag,
und schließlich dem, was ein anvisiertes oder auch nicht anvisiertes Publikum verstanden hat, realistischerweise verstehen durfte oder auch nur verstehen
soll. Wenn das Geschriebene angeblich im Widerspruch zum Rest steht, dann muss das zunächst einmal mit Fakten bewiesen werden.
Leider ist auch Jünke möglicherweise als Ergebnis des ideologischen
Trommelfeuers der "Antisemitismus"-Jäger in einem Fall diesbezüglich ein Fehler unterlaufen. Er fordert von Möllemann eine
inhaltliche Entschuldigung für den Satz, "dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland leider gibt, mehr Zulauf verschafft, als Herr
Sharon und in Deutschland Herr Friedman mit seiner intoleranten, gehässigen Art". Er soll sich entschuldigen, weil dieser Satz antisemitische
Klischees transportiere.
Die Frage ist jedoch zunächst einmal nicht die, ob dieser Satz von Antisemiten als
Bestätigung ihrer Vorurteile verstanden wird, sondern ob dieses Verständnis begründet ist. […]
Möllemann (über dessen sonstiges politisches Profil wir hier hoffentlich nicht zu
reden brauchen) schreibt nicht, dass er denke, dass die Reaktion der Antisemiten berechtigt sei, sondern nur, dass es solche Reaktionen gibt.
Und natürlich ist es lächerlich, auf den journalistischen Beruf Friedmans
hinzuweisen, wenn er in diesem Fall als Vizevorsitzender des "Zentralrats der Juden Deutschlands" aufgetreten ist. Es ist leider in der Tat so, dass die
meisten Menschen nicht nur Antisemiten tendenziell von Einzelnen auf deren Gruppe schließen, und das natürlich um so leichter,
wenn diese Einzelnen gewählte Vertreter ihrer Gruppe sind.
Dass der normale Bürger unterscheide, dass Herr Friedman nicht Repräsentant
"der" Juden ist, sondern einer Organisation, die von sich behauptet, Vertreterin "der" Juden zu sein, ist vielleicht etwas viel verlangt.
Möllemanns Aussage mag inhaltlich richtig oder falsch sein, sie hat nicht zum Inhalt: "wenn es den Juden an den Kragen geht, sind sie selbst dran
schuld". Worauf sie hinweist, ist lediglich die leider nicht zu bestreitende Tatsache, dass das Verhalten exponierter Mitglieder der (jüdischen)
Gemeinde Auswirkungen auf das öffentliche Ansehen dieser Gemeinde haben kann. Er sagt nicht, dass das so richtig sei.
Möglicherweise stimmt es ja, dass Möllemann geschickt formulierend ein sich
nicht auf den Wortlaut seiner Satzes stützen könnendes rassistisches Verständnis nicht nur als unvermeidlich einkalkuliert, sondern sogar
beabsichtigt, und dass dieses Verständnis dann in Wirklichkeit kein Missverständnis ist. Dafür jedoch müssten Beweise erbracht
werden. Ich habe bisher noch keine gesehen.
Genauso wenig entsinne ich mich im Übrigen, dass der von Möllemann
geförderte Jamal Karsli wie in der gleichen SoZ von Winfried Wolf behauptet von "zionistischer Weltverschwörung" gesprochen hat.
Das wäre zwar noch keine "jüdische" Weltverschwörung, aber viel fehlte nicht. Ich entsinne mich nur an "zionistische
Lobby", zu der Jünke m.E. das Notwendige gesagt hat.
Anton Holberg, Bonn
[…] Ich hatte erwartet, dass der Rest der ZeitungsmacherInnen zumindest verhindern würde, dass sich Jünke weiterhin als Klein-Walser in der SoZ
austoben kann. Leider wurden meine Erwartungen in der Juli-Ausgabe der SoZ herb enttäuscht. So heißt es im Editorial lediglich, dass "mit
dem Kommentar unseres Redakteurs Christoph Jünke nicht das einzig mögliche…Wort zum Möllemann-Streit gesprochen wurde".
Damit wurden Jünkes Anmassungen als eine "mögliche" politische Position akzeptiert und nicht als unmögliche
zurückgewiesen, wie es in einem Blatt, das sich als links begreift, selbstverständlich sein sollte. […]
Da darf der Redakeur der (National?)"Sozialistischen" Zeitung Kritikern des
Rechtspopulisten Möllemann vorwerfen, eine "Hetzjagd" entfacht zu haben und "massive Pogromstimmungen… freizusetzen".
Wie geschichtsvergessen muss jemand sein, dem solche Begrifflichkeiten einfallen, wenn ein prinzipienloser und machtgeiler deutscher Politiker wie
Möllemann in Talkshows kritisiert oder bei Wahlkampfauftritten ausgepfiffen wird? Das Wort Pogrom steht in Deutschland für die Verfolgung,
Ausplünderung, Mißhandlung und Ermordung von Millionen Juden. Doch dieses mit dem Wort "Pogrom" beschriebene Leid ist laut
Jünke nicht zu vergleichen mit dem, was den Herren Karsli und Möllemann zugefügt wird, da diesen sogar eine "massive" (also
besonders perfide) Pogromstimmung entgegen schlage. Warum distanzieren sich die ZeitungsmacherInnen der SoZ nicht von solchem gedanklichen Müll?
[…]
Schon die Überschrift "Die Antisemitismusfalle" erinnert doch an Walsers
"Auschwitz-Keule". Wieso kann ein Redakteur der SoZ unwidersprochen die "agressive Vehemenz" (einer angeblich
"großen Koalition" von nie erreichter "Breite") beklagen (!), mit der Politiker kritisiert werden, die sich "antisemitischer
Klischees" bedienen? Und wieso darf er in der SoZ über einen Schmierenkomödianten wie Möllemann schreiben, er habe mit seiner
Israel-Kritik "vollkommen recht"? […] Vielleicht fällt dies alles niemandem auf, der wie Jünke selbst antisemitisch
denkt und schreibt, so zum Beispiel wenn er Paul Spiegel in der aus der Nazipresse bekannten abwertenden Diktion von "jenen (!) Präsidenten des
Zentralrats der deutschen Juden" nennt und einen "beliebig aufgeblähten Antisemitismusbegriff" beklagt.
Es kann doch nicht angehen, dass allein LeserbriefschreiberInnen merken, dass Jünkes
Beitrag "eher in die ‚junge (alte) Freiheit als in die SoZ" gehört und daraus die nachvollziehbare Konsequenz ziehen, ihr SoZ-Abo zu
kündigen, "bis die Redaktion ihre Hausaufgaben" in Sachen Antisemitismus gemacht hat. Diesen Rat hatte die SoZ-Redaktion zumindest bis
zur Juli-Ausgabe offensichtlich noch nicht beherzigt: Darin darf sich ausgerechnet Christoph Jünke erneut auf einer ganzen Seite über die
Antisemitismusdebatte auslassen.
Den reaktionären, geschichtsrevisionistischen Grundtenor auch dieses Textes
wahrzunehmen und deshalb seinen Abdruck zu verhindern, hätte tatsächlich zu den Hausaufgaben der SoZ-Redaktion gehört. Fast jeder
seiner Sätze enthält eine Zumutung. […]
Ich habe nie einer der Gründungsorganisationen angehört, aus denen die VSP
hervorgegangen ist. Ich habe über die Jahre viele Positionen, die in der SoZ vertreten wurden, nicht geteilt (von der Glorifizierung der erzkatholischen
polnischen Gewerkschaft Solidarnosc in den 80er Jahren über die unsäglichen Beifallsbekundungen für die angebliche deutsche Revolution
nach dem Anschluss der DDR Anfang der neunziger bis zur euphorischen Rhetorik, in der noch im Juli 2002 auf der Titelseite der SoZ "gigantische
Generalstreiks" in dem Land gefeiert werden, das Berlusconi gewählt hat).
Kurzum: ich habe vielerlei politische Positionen in der SoZ akzeptiert, die nicht die meinen
sind und ich habe auch nichts gegen kontroverse politische Debatten. Aber wenn Antisemitismus verharmlost, die deutsche Geschichte verdrängt und
umgeschrieben wird, dann ist meine Schmerzgrenze überschritten. Mit Zeitungen und Organisationen, in denen dies wie in den letzten beiden
Ausgaben der SoZ möglich ist, will und werde ich nichts zu tun haben. Deshalb erscheinen von mir in der SoZ bis zu einer grundlegenden
Neuorientierung und Neubesetzung der Redaktion (sprich: Trennung von Christoph Jünke) keine Artikel mehr.
Karl Rössel