SoZ Sozialistische Zeitung |
Mit dem Kapitalismus gehts zu Ende. So oder so. Auf den von täglichen Untergangsberichten bestimmten
Wirtschafts- und Börsenseiten der dem Systemerhalt verschriebenen Bürgerblätter verzweifelten die Liberalismusideologen letztens an einem
Kuriosum: "Authentos am Rande des Ruins". Die Unternehmensgruppe, die vor zwei Jahren mit einer Milliardenofferte dem Finanzminister Eichel
die staatseigene Bundesdruckerei abschwatzte, steht vor der Pleite. 750 Millionen Euro wurden dem Unternehmen damals vom Staat für den Kauf der
öffentlichen Gelddruckerei geliehen, die vor allem durch profitable Druckgeschäfte mit den neuen Euro-Scheinen wieder zurückgezahlt
werden sollten. Und nun ist gerade daraus nichts geworden. Authentos druckt Geld und geht darüber Pleite. Ginge es nicht auch hier um die soziale
Existenz arbeitender Menschen, es sollen 500 Beschäftigte gefeuert werden, so könnte diese schöne Dialektik der Marktwirtschaft
klammheimliche Freude aufkommen lassen.
Dass der Kapitalismus aber selbst dann nicht automatisch das Zeitliche segnet, wenn seine
Gelddruckerei bankrott geht, sondern dass alles auch eine Frage des bewussten Seins der Männlein und Weiblein ist, wird an einer fast zeitgleich
veröffentlichten Umfrage deutlich. 72%, gut zwei Drittel der Deutschen, halten den "Geldautomaten" für die nützlichste und
beliebteste technische Neuerung. Es werden weltweit keine 15% der erwachsenen Menschen überhaupt ein Bankkonto haben, aber eine Maschine, die
automatisch das allgemeine Äquivalent in möglichst unbegrenzter Menge ausspuckt, ist ein so starkes Faszinosum, dass darüber
wahrscheinlich so manches sozialdemokratische Herz zerbrechen wird.
Um diesen persönlichen Dramen zu entgehen, haben die Sozialdemokraten schon immer
eine ihrer Hauptaufgaben darin gesehen, Scheiße für Gold zu erklären. Wortschöpfungen, die die Dinge auf den Kopf stellen, sind dabei
das Mittel der Wahl. So durfte der ins Unternehmerlager gewechselte Sozialdemokrat Peter Hartz nicht nur einer Kommission den Namen geben, die einmal
mehr die Schrödersche demokratiefeindliche Praxis der außerparlamentarischen Politikentscheidung fortsetzte, sondern er durfte auch den
strunzdummen Quark von der "Ich-AG" verkünden.
Was bisher von Konsum- und Trendforschern, wie den einschlägig bekannten Matthias
Horx, Florian Ilies und Peter Wippermann als tolle Zukunftsprojektion verkündet wurde, in Wahrheit aber nichts als die Fortschreibung der
kapitalistischen Individualisierung von Produktion und Konsum von Heute bedeutet, und was außerdem Headhunter den gescheiterten Managern und
Unteroffizieren des Kapitals als Werbestrategie für ihre Bewerbungsgespräche vorschlagen, darf nun dem Millionenheer an Erwerbslosen als
Sommerhit vorgeträllert werden. "Jeder ist seines Glückes Schmied" und alles nur eine Frage der Verkaufstechnik und der
Verklärung der Fähigkeit, einen Rasen mähen zu können, zum Abschluss in Landschaftsarchitektur. Die "Ich-AG" als
moralischer Geldautomat, und selbst die mieseste Arbeit noch als Erhöhung der Employability je tiefer die Krise, desto hemmungsloser die
Ideologen. Dass der gleiche Peter Hartz auf Treffen mit Personalmanagern heftig gegen die "Ich-AG-Ideologie" zu Felde zieht, weil sie dem meist
profitableren Toyota-Korporatismus als Unternehmensideologie das Wasser abgräbt und zu illoyalen Job-Hoppern führe, wird vornehm
verschwiegen.
Aber den Schröder-Sozialdemokraten wird der Sommerhit immerhin die Stimmung
verbessern. Können sie doch so wenigstens noch von einer großen Koalition träumen, für die solche Expertenergüsse der Hartz-
Kommission wie geschaffen scheinen. Doch es ist nur Schein, der das unvermeidliche Schicksal der Sozialdemokratie, zur Durchführung der allgemeinen
Geschäftsinteressen des Kapitals bald nicht gebraucht zu werden, nur kurzfristig überstrahlt. Wers nicht glaubt, dem sei noch ein
Umfrageergebnis mitgeteilt. Auf die Frage, wer der mächtigste Deutsche ist, antwortete eine klare Mehrheit nicht etwa Schröder, oder Stoiber, oder
Westerwelle, oder einen der anderen in Fernsehen, Talkshows und Zeitungen täglich durchgespülten Mainstreamideologen und
Unterhaltungskaspern. Nein der mächtigste Mann ist einer der noch nie im Fernsehen auftrat, keine Interviews gibt und dessen letztes Foto zehn Jahre alt
ist: Theo Albrecht, der Chef von Aldi. Wir stimmen mit der Mehrheitsmeinung selten überein, aber hier ist die Richtung der Analyse schon nicht schlecht.
Thies Gleiss