SoZ Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2002, Seite 11

Wahlaufruf

Was erwarten wir von der PDS?

Die Regierung Schröder/Fischer hat diejenigen enttäuscht, die sich etwas von ihr versprochen haben. Sie hat diejenigen bestätigt, die ihr von Anfang an nicht über den Weg getraut haben.
Schröder hat sein Wahlversprechen, er werde Kohls Rentenkürzungen revidieren, gebrochen. Schlimmer noch: die sog. Riester-Rente privatisiert einen Teil der gesetzlichen Alterversorgung.
Eichels Steuerreform hat den Spielraum der öffentlichen Hand für eine sinnvolle Sozial- und Infrastrukturpolitik weiter eingeschränkt.
Es war die Regierung Schröder/Fischer, die es zu verantworten hat, dass sich Deutschland erstmals seit 1945 direkt an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg beteiligte.
Wahlversprechen von Rot-Grün für 2002—2006, die Arbeitslosigkeit radikal zu senken und die Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak zu verweigern, verdienen kein Vertrauen. Mit den Vorschlägen der Hartz-Kommission sollen nicht die Ursachen der Arbeitslosigkeit bekämpft werden, sondern die Arbeitslosen.
Dass mit Schwarz-Gelb alles noch schlimmer würde, wissen wir.
Wahlenthaltung wäre eine zusätzliche Unterstützung für Stoiber und Westerwelle.
Deshalb ist eine Stimmabgabe für die PDS zu prüfen. Diese war 1998—2002 die einzige linke Opposition im Bundestag.
Wir waren vom Auftreten der PDS als Fraktion und Partei nicht überzeugt. Eine Oppositionspolitik stellen wir uns in wesentlichen Punkten anders vor: eindeutiger in der Kritik am kapitalistischen Profitsystem, konsequenter hinsichtlich des Widerstands gegen die Politik der Demontage von sozialen Leistungen und Bürgerrechten und vor allem der Aufgabe verpflichtet, mittels ihrer parlamentarischen Positionen den Widerstand gegen diese neoliberale Politik zu mobilisieren. Als Koalitionspartei in Mecklenburg-Vorpommern hat die PDS zugelassen, dass dieses Land Eichels Steuerreform im Bundesrat durchgewinkt hat. Mit der Tolerierung in Sachsen-Anhalt und der Regierungsbeteiligung in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin wurde die jeweilige Landesregierung nicht besser, aber die PDS in jedem Fall schlechter, bis hin zu der Praxis von maßgeblichen PDS-Politikern, das Vokabular der Kalten Krieger und der Schönredner des Kapitalismus nachzubuchstabieren.
Aber die PDS war die einzige Partei, die geschlossen gegen den Krieg der Bundeswehr gegen Jugoslawien 1999 und in Afghanistan gestimmt hat. Bei allen entsprechenden Abstimmungen — insgesamt 17mal — hat sie den Einsatz deutscher Truppen abgelehnt.
Wir haben uns gefreut, als die PDS-Abgeordneten Ulla Jelpke, Heidi Lippmann und Winfried Wolf bei Bushs Rede im Bundestag ein Transparent gezeigt haben: "Mr. Bush + Mr. Schröder — Stop Your Wars". Und wir haben uns kräftig geärgert, als ihr Fraktionsvorsitzender sich dafür beim Präsidenten der USA entschuldigte.
Die Vorstellungen der PDS zur Reform der sozialen Sicherungssysteme — Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, Einbeziehung von Selbstständigen und Beamten — finden wir plausibel. Unverkennbar hat sich in dieser Partei auf diesem Gebiet fundierte Sachkompetenz angesammelt. Aber angesichts der "Ohnmacht der nur parlamentarischen Opposition" (Rosa Luxemburg) haben die von ihr vorgeschlagenen Reformprojekte nur dann eine Realisierungschance, wenn die Betroffenen selber kämpfen.
Wir erwarten von der PDS, dass sie im neuen Bundestag ihre Aufgabe als Opposition viel selbstbewusster im Interesse der abhängig Arbeitenden und der Arbeitslosen wahrnimmt als bisher und zu einem wichtigen Grundsatz ihres Parteiprogramms zurückfindet: Für eine wirkliche politische Wende ist der außerparlamentarische Kampf entscheidend.
Unter dieser Voraussetzung geben wir ihr am 22.September unsere Stimme. Käme die PDS nicht mehr in den Bundestag, würde nichts in der BRD besser, auch nicht die PDS.
Aber wir werden ihr danach von Anfang an genau auf die Finger sehen. Eine weitere Anpassungspartei im Bundestag brauchen wir nicht.

Unterzeichnerinnen und Unterzeichner des Aufrufs "Was erwarten wir von der PDS?"

Friedrich-Martin Balzer (Marburg), Judith Braband (Berlin), Johannes M. Becker (Marburg), Kurt Bunke (Köln), Gudrun Eussner (Perpignan), Georg Fülberth (Marburg), Reinhard Helmers (Lund), Angela Klein (Köln), Marianne Kolter (Berlin), Thomas Kuczynski (Berlin), Ekkehard Lieberam (Leipzig), Michael Mäde (Bad Karlshafen), Arnold Schölzel (Berlin), Richard Sorg (Hamburg), Urte Sperling (Marburg)




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