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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung, September 2002, Seite 12

Tarifabschlüsse im Handel

Mit Ach und Krach

Auch in den beiden Bereichen des Handels, im Groß- und Außenhandel sowie im Einzelhandel, ist die diesjährige Tarifrunde abgeschlossen. Lange Zeit sah es nicht so aus, als wäre eine Einigung vor der Sommerpause noch möglich.
Eher musste befürchtet werden, dass die Unternehmer lieber einen tariflosen Zustand in Kauf nehmen würden, bevor sie einen für sie "übermäßig" teuren Abschluss akzeptieren würden. Damit ist der Bankbereich der einzige, der in diesem Jahr noch keinen Abschluss zustande gebracht hat. Dort weigern sich die Bosse, auf ihre Forderung nach Absenkung der Grundgehälter auf 65% zu verzichten.
Der Abschluss im Handel kam erst Ende Juli, nach einer Vielzahl von Streikmaßnahmen in den verschiedensten Bundesländern, zustande. Insbesondere im Einzelhandel erreichte die Zahl der Streikenden neue Höchstmarken. Allein bei Karstadt, wo die DAG früher eine relative Mehrheit hatte, gab es mehrere tausend Beschäftigte, die sich an den Aktionen beteiligten. Dort hatte der Vorstand durch die Ankündigung der Streichung aller übertariflichen sozialen Leistungen wesentlich zur Mobilisierung beigetragen.
Die wirtschaftliche Situation im Einzelhandel hätte unter anderen Voraussetzungen sicherlich dazu geführt, dass Ver.di sich bei den Forderungen zurückhält. Aber unter den besonderen Aspekten in diesem Jahr lief dies erfreulicherweise anders. Die Forderung war genauso hoch wie die anderer Gewerkschaften oder Fachbereiche von Ver.di, nämlich 6,5%.
Klar war aber auch, und dies vor allem nach dem Abschluss in der Metallindustrie, dass ein azeptables Ergebnis nicht ohne Kampf zu erreichen ist. Bis Mitte Juli blieben die Unternehmer bei ihrem Angebot von 1,7%. Durch immer weitere Ausdehnung der Streiks auch auf Unternehmen, die erstmalig dabei sind, gelang es, die Unternehmer von ihrer harten Position abzubringen (Lidl, Schlecker, Edeka, Rewe). Aber auch die große Kampfbereitschaft der "Bastionen" (Karstadt, Kaufhof, Real, Walmart) trug zur Einigungsbereitschaft bei.
Das Ergebnis, das Ende Juli in Baden-Württemberg erzielt wurde, sieht folgendermaßen aus:
180 Euro für die Monate April, Mai, Juni, Juli,
ab 1.8. 3,1% mehr Lohn oder Gehalt,
Laufzeit des Tarifvertrags vom 1.4.02 bis 31.3.03 (zwölf Monate).
Tarifexperten haben eine Erhöhung auf zwölf Monate von 2,86% errechnet. In der gleichen Höhe wurde auch im Groß- und Außenhandel abgeschlossen.
Dieses Ergebnis liegt natürlich ein gutes Stück unter dem Abschluss in der Metallindustrie oder den besten Abschlüssen von Ver.di (Post, Telekom, Druck). Aber es entspricht den Möglichkeiten, die Gewerkschaft und Beschäftigte in diesem Bereich haben. Ein Abschluss von 3,5% hätte einen wesentlich härteren Streik erfordert.
Doch es wird auch wieder bessere Voraussetzungen im Handel geben. Dann können die "Verluste" von diesem Jahr aufgeholt werden.

Helmut Born


LeserInnenbrief@soz-plus.de
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