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Die Betreiber von Telekommunikation sind zu den Buhmännern der Börse geworden, nachdem man sie vorher in
den Himmel gehoben hat. Die Krise in diesem Sektor ist heute global geprägt von einem massiven Investitionsrückgang, der sich drastisch
auf die Zulieferer auswirkt, und Zehntausenden von Entlassungen.
Die Verantwortung lastet vollständig auf der neoliberalen Politik, die sich seit Mitte der
80er Jahre in diesem Sektor durchgesetzt hat insbesondere durch die vorrangige Berücksichtigung der Aktienkurse und die zunehmende
Internationalisierung in diesem Bereich. Die aus den Postbetrieben hervorgegangenen Unternehmen wurden eins nach dem anderen im Rahmen einer
international beschlossenen Deregulierung privatisiert. Das Staatsmonopol wurde aufgelöst; Frankreich ist das letzte Land, wo der Staat noch über
50% vom Kapital hält.
Anfänglich hat jedes der alten Unternehmen zunächst auf dem eigenem Terrain
gewildert, um einen Verlust zu vieler Marktanteile zu vermeiden, aber sehr rasch ging es dann zu grenzübergreifenden Angriffen vor. Der Angriff von
Vodaphone auf Mannesmann kennzeichnet diesen Übergang. Seither ist die Strategie aller Unternehmen dieselbe: überall präsent sein, in allen
Ländern, auf allen Gebieten (Mobilfunk, Internet, Kabel usw.). Die Explosion der Nachfrage nach Mobiltelefonen, Nachrichtenübermittlung und die
Magie des Internet sollten ein starkes, ununterbrochenes Wachstum garantieren.
Tatsächlich führte die weltweite Entwicklung des Internet und der Mobiltelefone
zu einem Wachstum, das weit größer war als im Rest der Wirtschaft noch 2001 betrug es um die 10%.
Problematisch waren die Wachstumsprognosen ab 1999. Sie beruhten auf drei spekulativen
Behauptungen:
Jeder Mobilfunknutzer werde seine Ausgaben in diesem Bereich in den kommenden
zwei Jahren wegen der neuen Verknüpfung von Mobilfunk mit Internet vervielfachen;
die Zahl der Mobilfunknutzenden werden in dieser Zeit explodieren;
jeder 1999 investierte Cent werde sich deshalb binnen zwei Jahren auf wunderbare
Weise in den Wert von 15 Euro verwandeln.
In dieser ganzen hochspekulativen Zeit bewahrten die Unternehmensvorstände diskretes
Schweigen über das Ausmaß ihrer Investitionen, ihrer Einkäufe, Schulden und die daraus resultierenden Kosten. In Zeiten der "New
Economy" sollten sich diese kleinen "Kollateralschäden" dank des exponentiellen Wachstums der erwarteten Erträge von selbst in
Luft auflösen.
Die Spekulanten begnügten sich mit starken Worten über den Anstieg der
Börsenkurse, die Käufer überstürzten sich, was tatsächlich zum Steigen der Aktienkurse führte. Die Regierungen setzten
noch eins drauf und sahem im Verkauf der UMTS-Lizenzen eine wahre Goldmine, die ihnen Geld in die notleidenden Kassen schwemmen sollte.
Die führenden Telekom-Unternehmen waren euphorisch. "Kaufen" lautete
nun ihr gemeinsames Zauberwort, und da die Aktienkurse nicht aufhörten zu steigen, würden sie damit ja immer wieder auf die Füße
fallen. Auf ihrem höchsten Stand im März 2000 erreichte die Aktie von France Télécom das Rekordniveau von 200 Euro.
Telefónica, der spanische Betreiber, führte seine Internet-Filiale im November 1999 an die Börse; ihr Kurs verdreifachte sich an einem
einzigen Tag. Und im Juni 2000 lancierte Vivendi-Chef Jean-Marie Messier sein Portal Vizzavi, Symbol der Ehe zwischen Internet, Mobilfunk und Medien;
dank der Wundertechnologie UMTS sollte man per Handy Musik und Kino empfangen können…
Nun ist die spekulative Blase zerplatzt. Die Aktien sind überall im freien Fall. France
Télécom meldet einen Wertverlust von 77% seit Januar 2002. Der Konsum der Handy-Kunden stabilisiert sich, statt weiter exponenziell zu
wachsen. Das Internet nutzt nur ein Teil der Bevölkerung. UMTS wird erst 2004 kommen und nicht unbedingt so leistungsfähig sein wie geplant…
Seitdem reagiert der Markt auf jeden Flügelschlag (Enron, WorldCom, Vivendi…). Die
Verschuldung historischer Betreiber wie Deutsche Telekom und France Télécom hat 65 Milliarden Euro erreicht, ohne dass es irgendeinen
glaubwürdigen Entschuldungsplan gäbe. Der Teufelskreis ist voll im Gang: Die Kosten steigen, die Aktienkurse stürzen, und die
Unternehmen haben kein Mittel dagegen. Was sie verkaufen könnten, um ihre Schulden zu senken, hat längst an Wert verloren. Die Bilanzen von
2001 weisen riesige Verluste aus: 8 Milliarden Euro Defizit allein bei France Télécom. Die Einkäufe des vergangenen Jahres werden massiv
entwertet.
Die Überinvestition ist enorm: 60% der Telekomnetze in Frankreich sind ungenutzt; nur
10% der optischen Fasernetze, die über den Atlantik führen, sind ausgelastet. Die Bestellungen besonders für Mobiltelefone gehen stark
zurück. Ein großer Teil der neuen Betreiber ist heute bankrott, und die historischen Betreiber versinken unter einem Schuldenberg. Die
Arbeitsplätze sind überall bedroht, da das Kapital wie stets dazu neigt, die sinkende Profitrate auf Kosten der Lohnabhängigen zu sanieren.
Die Verbitterung unter den Beschäftigten ist groß; die Privatisierung war ihnen
mit dem Argument der "Expansion des Sektors" schmackhaft worden. Sie wurden mit Aktienbesitz geködert ein schier unbegrenztes
Manna, bevor er zum Strudel wurde. Heute drohen Entlassungen, der Konkurs so manchen Unternehmens scheint unausweichlich.
Das Scheitern der liberalen Strategie ist offensichtlich. Mehr als je zuvor stellt die Krise die
Verteidigung des öffentlichen Dienstes auf die Tagesordnung. Wird Telekommunikation zur Ware gemacht, muss sie sich die Spielregeln des Marktes und
den Folgen der Börsenspekulation unterwerfen. Das ist eine große Gefahr für einen Sektor, der seine Technologie in den Dienst aller in allen
Ländern stellen muss. Als öffentliche Dienstleistung könnte die Telekommunikation ein positiver Entwicklungsfaktor sein.
Vor kurzem haben die Gewerkschaften SUD und CGT (bei Télécom, Post,
Eisenbahn) deshalb einen Aufruf zur europaweiten Verteidigung des öffentlichen Dienstes lanciert.
Delphine Grandjean