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Am 22.Juli fand am Sitz von Coca-Cola in Atlanta (USA) ein Tribunal statt, das von der Stahlarbeitergewerkschaft United Steel
Workers und dem Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO in Zusammenarbeit mit Menschenrechtsgruppen durchgeführt wurde, um auf die Machenschaften
des Konzerns aufmerksam zu machen. Kolleginnen und Kollegen in Argentinien, Belgien, Bolivien, Brasilien, Deutschland, Ecuador, Frankreich, Italien,
Paraguay, Spanien und der Schweiz nahmen das Tribunal zum Anlass, am selben Tag ihre Solidarität mit den kolumbianischen GewerkschafterInnen zu
bekunden, und brachten ihren Protest vor den Zentralen multinationaler Konzerne und kolumbianischen Botschaften zum Ausdruck.
Wohl in keinem anderen Land der Welt werden so viele Linke ermordet wie in Kolumbien.
Mehr als 5000 Menschen werden jedes Jahr von paramilitärischen Gruppen umgebracht massakriert, gefoltert, manchmal mit Motorsägen
zerstückelt. Die dafür verantwortlichen Todesschwadronen agieren mit Rückendeckung des kolumbianischen Staates und üben die
Rolle einer Privatarmee im Dienste der Besitzenden aus.
Die Morde folgen fast immer auch einem wirtschaftlichen Kalkül:
Großgrundbesitzer vertreiben Kleinbauern, Unternehmen lassen unliebsame Gewerkschafter aus dem Weg räumen, die Regierung sorgt dafür,
dass geplante Großprojekte (wie Staudämme und Erdölbohrungen) reibungslos durchgeführt werden können.
Der Terror der Paramilitärs ebnet der Globalisierung den Weg: Mit der Zerschlagung
von Gewerkschaften wird die Abschaffung von Arbeitsschutzgesetzen erleichtert und damit der Arbeitsmarkt "flexibilisiert", die Vertreibung von
Kleinbauern ermöglicht die Erschließung bisher kaum "entwickelter" Regionen, die Einschüchterung der Gewerkschaften bahnt
den von IWF und Weltbank angemahnten Privatisierungsprozessen den Weg…
Transnationale Unternehmen spielen dabei eine Schlüsselrolle. Während eines
Pipelinebaus von British Petroleum (BP) in Kolumbien ermordeten Todesschwadronen in der Nähe der Bautrasse Hunderte von Menschen, die als Gegner
des Projekts galten. Abgesichert wurde der Bau von dem berüchtigten britischen Söldnerunternehmen Defence Systems Ltd. Gegen den Kohle-Multi
Drummonds wurde wegen der Ermordung von Gewerkschaftern Anklage in den USA erhoben. Und auch bei Nestlé gibt es eine auffällige
Häufung von Anschlägen im Vorfeld von Tarifverhandlungen. Doch besonders stark kritisiert wird die Politik von Coca-Cola, das wichtige
Kapitalanteile an dem kolumbianischen Coca-Cola-Abfüllunternehmen Panamco besitzt.
In den Abfüllanlagen der formal von Coca-Cola unabhängigen, de facto aber
über Kapitalanteile an den US-Konzern gebundenen kolumbianischen Firma Panamco tobt ein regelrechter Krieg gegen die Gewerkschaften.
Mehr als 120 Angriffe hat die Ernährungswerkschaft Sinaltrainal seit 1990 protokolliert:
Ermordungen, Entführungen, Drohanrufe, inszenierte Terrorismusverfahren. In der von Armee und Paramilitärs besonders streng kontrollierten
nordkolumbianischen Region Urabá wurde die Gewerkschaft sogar im wörtlichen Sinne physisch eliminiert.
Im Dezember 1996 ermordeten "Unbekannte" den regionalen Sinaltrainal-
Sekretär Isidro Segundo Gil, ein weiterer Funktionär konnte einer Entführung nur knapp entkommen. Das Gewerkschaftsgebäude in
der Stadt Carepa wurde in Brand gesetzt, die Beschäftigten des Unternehmens von Bewaffneten gezwungen, "bis 4 Uhr nachmittags aus der
Gewerkschaft auszutreten".
Der Druck auf jene Coca-Cola-Arbeiter, die noch gewerkschaftlich organisiert sind, steigt.
Aktivisten können ihre Wohnungen nicht mehr ungeschützt verlassen und erhalten regelmäßig Morddrohungen. Die
Gewerkschaftssektionen von Barrancabermeja und Bucaramanga sind im "inneren Exil". Die Gewerkschafter verbringen aus
Sicherheitsgründen die meiste Zeit in der Hauptstadt Bogotá.
Diese Firmenpolitik scheint nicht auf Kolumbien beschränkt zu sein. Gegen Coca-Cola-
Gewerkschafter in Guatemala und Peru hat es in den vergangenen Jahren ähnliche Gewalttaten gegeben.
Vor diesem Hintergrund mobilisieren kolumbianische Gewerkschaften und die Kampagne gegen Straflosigkeit Colombia Clama Justicia zur Zeit
für eine internationale Kampagne gegen Coca-Cola. In den USA hat die Stahlarbeitergewerkschaft United Steel Workers aus Solidarität mit den
kolumbianischen Kollegen eine Klage gegen Coca-Cola vor dem Distriktgericht von Südflorida eingereicht. Parallel dazu wies in diesem Sommer ein
breites Bündnis von baptistischen Kirchen, Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen in den USA auf die Arbeitsbedingungen bei dem
Getränkekonzern hin. Auch Gruppen in Italien, Belgien und Großbritannien haben ihre Unterstützung zugesagt. In Italien reicht das Spektrum
von der christdemokratischen UIL bis zu den Basisgewerkschaften SinCobas.
Der Kampagne geht es nicht darum, Coca-Cola als Symbol einer vermeintlichen US-Kultur zu
brandmarken. Bei der Politik der transnationalen Unternehmen spielt es keine Rolle, ob sich der jeweilige Firmensitz in den USA, Großbritannien, der
Schweiz oder in Deutschland befindet. BP, Nestlé oder Mercedes-Benz haben nicht weniger Dreck am Stecken als Coca-Cola. Wenn jetzt Coca-Cola dran
ist, dann deswegen, weil es konkrete Ereignisse gibt, die konkrete Solidarität erforderlich machen.
Die Kampagne verfolgt mehrere Ziele:
Globalisierungskritik: Der
gewalttätige Aspekt der Globalisierung läßt sich am Beispiel Coca-Cola-Kolumbien gut aufzeigen.
Eine Schnittstelle zwischen
Antiglobalisierungsbewegung
und Gewerkschaften schaffen: Wie bei der Deportation-class-Kampagne gegen die Lufthansa
müssen Gruppen mitmachen können, ohne großartige Absprachen zu treffen.
International agieren: Wenn es darum geht,
Menschen in verschiedenen Ländern gegeneinander auszuspielen, wird immer wieder die "Standortkonkurrenz" ins Feld geführt. Die
einzige funktionierende Antwort darauf ist: Wir müssen selbst transnational handeln. Arbeitsrechte lassen sich nur noch in einem internationalen Rahmen
verteidigen.
Arbeitsbedingungen verbessern: Gewerkschaftsarbeit bei Sinaltrainal ist kaum noch möglich, gewerkschaftliche Organisierung im
Betrieb wird durch Entlassungen und Anschläge verhindert. Für gewerkschaftliche Arbeit gibt es deshalb kaum noch eine andere Chance als die
Mobilisierung außerhalb des Unternehmens.
Die Kampagne gegen Coca-Cola soll so lange gehen, bis der Konzern seine Entlassungspolitik
einstellt, gewerkschaftliche Organisierung akzeptiert und Maßnahmen gegen den Paramilitarismus im und um den Betrieb herum ergreift.